Rezensionen der Ausgabe 2/2020
Auswahl nach Heft-Nr:
Besondere Deutschland Europa Welt Kurzrezensionen Weitere Rezensionen Online-Rezensionen
Plattenprojekt
Bücher DVDs
Cinesounds
|
|
|
---|
AN ERMINIG Plomadeg (Leico)
An Erminig sind schon seit Jahrzehnten die führende „bretonische“ Folkband in Deutschland. Etwa alle zehn Jahre veröffentlichen sie ein Album. Mit Plomadeg haben sie jetzt ihr fünftes Werk produziert. Die Band aus dem Saarland besteht immer noch aus den drei Gründungsmitgliedern Barbara Gerdes (Harfe, Flöte, Bombarde), ihrem Mann Andreas Derow (Gesang, Akkordeon, Dudelsack) und seinem Bruder Hans-Martin Derow (Gesang, Gitarre). Auf Plomadeg haben sie sich mit einem Bassisten und einem Percussionisten verstärkt. Die Stücke sind überwiegend traditionell bretonisch, teils auch selbst geschrieben. Der Opener „Duhont“ stammt aus dem Repertoire des 2019 verstorbenen großen bretonischen Sängers Yann-Fañch Kemener, der ein Freund der Band war. Die Atmosphäre des Albums ist überwiegend erhaben, ungewöhnlich insofern das folkrockige Instrumental „Écluse Des Récollets“. Das schön gemachte Booklet enthält Informationen zu allen Stücken. Mit diesem Album werden An Erminig auch in der Bretagne Anerkennung finden, was ihnen wichtig ist. Christian Rath
| CHRISTIAN BLEIMING, AMANDUS GRUND, IZI ONSLOW Blues Everywhere (Acoustic Music Records)
Christian Bleiming, Blues- und Boogie-Woogie-Pianist aus Münster, hat hier gemeinsam mit seinem Bandkollegen Amandus Grund an der Gitarre und der Sängerin Izi Onslow ein feines Boogie-Woogie-Album eingespielt, das die Songs der Sängerin Merline Johnson, aber auch solche von Leroy Carr oder Don Raye wiederaufleben lässt. Mit klarer, kräftiger Stimme singt Izi Onslow deren Lieder aus den Dreißigern, als diese Musik die Begleitung zu den berühmt berüchtigten „House Rent Partys“ war. Christian Bleiming begleitet sie dabei mit stoischem Rhythmus, umschmeichelt ihre Stimme mit diversen Licks und Fills, während Amandus Grund das ein oder andere schöne Solo an der Jazzgitarre dazugibt oder melodisch unterstützt. Frisch, mitreißend und lebensfroh klingt es, und das liegt neben der musikalischen Qualität auch an der tollen Aufnahme und Produktion des Albums. Dieses ist auf 180 Gramm schwerem Vinyl in audiophiler Qualität veröffentlicht. Der Schallplatte ist zudem ein Downloadcode zum Herunterladen der MP3s der Songs beigefügt – für den portablen Genuss unterwegs. Achim Hennes
|
|
---|
CAFÉ UNTERZUCKER Nenn mich nicht mehr Häselein! (Trikont/Indigo)
Die bayerischen Experten für gegen den Strich gebürstetes Kinderlied liefern einen erneuten Parforceritt durch zahlreiche Musikstile und kinderrelevante Themen. Diesmal widmen sich Tobias Weber und Richard Oehmann mit ihrer Combo der Welt der Tierlieder. Was oft auch im übertragenen Sinn gemeint ist, wenn etwa im Titelsong das lyrische Kinder-Ich sich freiwillig an die Regeln der Eltern zu halten bereit ist, solange die es in der Öffentlichkeit nicht mehr „Häselein“ nennen. In „Lachse“ geht es ironisch um das Familien vertraute Phänomen des Zur-Toilette-Gehens vor wichtigen Ereignissen, die sogenannte „Biesel-Profi-Lachse“. Und im grandiosen „Einhornschnitzel“ um den Tipp an alle Vegetarier und Klimaschützer, im Restaurant Gerichte von Tieren zu bestellen, die es nicht gibt. Das alles ist mit Instrumentarium von Gitarre über Banjo bis Tuba, Trompete und Bouzouki enorm amüsant gemacht, in Sachen Ironie für kleinere Kinder teils etwas anspruchsvoll, dadurch aber auch für erwachsene Mithörer ein Spaß. Wie gewohnt bildet der mit witzigen Sprechpassagen erscheinende „Chor der Romantiker“ die Klammer zwischen den Liedern. Fragt man die Zielgruppe, ist der neue Wurf absolut gelungen – zumindest im Hinblick auf den Sohn des Rezensenten … Stefan Backes
| ENKHJARGAL DANDARVAANCHIG Setgeliin Gunii Tsuurai (Eigenverlag), mit dt. u. engl. Infos
Er ist in der musikalischen Trikolore der Violons Barbares die tuwinische Klangfarbe: Enkhjargal Dandarvaanchig, Virtuose der „Morin Chuur“, der mongolischen Pferdekopfgeige, und Meister des „Chöömii“ genannten Obertongesangs. 2002 veröffentlichte der 1968 geborene Musiker mit Hoirr Öngö sein erstes Soloalbum. Siebzehn Jahre später liegt nun sein zweites vor. „Melodien aus der Tiefe der Seele“ nennt Enkhjargal sein neues Werk, auf dem er in gewohnter Weise alle Instrumente, Geräusche und Stimmen selbst eingespielt hat. Doch ist dies für den Künstler kein Selbstzweck. Vielmehr bieten ihm diese technischen Möglichkeiten die Gelegenheit, etwa Stücke für ein Morin-Chuur-Streichquartett zu arrangieren oder verschiedene Gesangsformen zu bündeln oder aufzufächern. Oft ergänzt er auch das traditionelle Klangbild durch E-Gitarren oder Percussions. Im Gegensatz zu den Violons Barbares, die manchmal wie eine Metal-Kapelle losrocken (und folgerichtig 2019 auch in Wacken dabei waren) ist Enkhjargals zweites Soloalbum ein eher stilles, nachdenkliches Werk. Doch kein Missverständnis: Das Album enthält zwölf grandiose Klanggemälde, die es mit Neugier und Aufmerksamkeit zu entdecken gilt. Walter Bast
|
|
---|
LARÚN When The City Sleeps (Timezone), mit engl. Infos u. Texten
Wer kennt Tom Paine? Der Angloamerikaner (1736-1809) war ein streitbarer Kämpfer für Aufklärung und Menschenrechte, womit er sich in England, Frankreich und den von ihm mitgegründeten USA Freunde und Feinde machte. Freunde macht sich bestimmt die frankodeutsche Cathrine Kuhlmann mit ihrer druckvollen Interpretation des Liedes über Tom Paine aus der Feder Graham Moores. „Druckvoll“ ist sicher nicht das unpassendste Wort, um die Musik von Larún zu beschreiben, einer neuen Band aus dem Umfeld der Bonner Irish-Session-Szene, deren Mitglieder sich teilweise in Deutschland, Asturien und anderswo in verschiedenen Bands bereits Namen erspielt haben. So Stefan Decker (Flötist bei Crosswind und DerElligh), Fransika Urton (Geigerin bei Dán und Blue), Cornelius „Zorny“ Bode (Gitarrist bei Emerald und Trasnú), Borja Baragaño (Piper der asturischen Band Llangres und bei Texu). Aber auch Neulinge sind dabei wie Bodhránspieler Markus Pede und eben Sängerin Catherine Kuhlmann. Es ist zwar kein Ire dabei, aber was sie da fabrizieren, kann sich lückenlos in die Musik der besten irischen Bands einreihen. Allerdings muss man Tempo mögen. Michael A. Schmiedel
| VIOLETTA PARISINI Alles Bleibt (Else Rec), mit Texten u. Infos
Sich der deutschsprachigen Popmusik zu verschreiben, ist angesichts der allgegenwärtigen Bendzko-/Forster-Belanglosigkeiten ein echtes Wagnis. Künstler müssen regelrecht Überzeugungsarbeit leisten, damit Hörer bereit sind, noch hinzuhören. Hört man doch hin, wird man bisweilen belohnt, wie im Fall der Musikerin Violetta Parisini. Klingen die ersten Töne noch wie ein (gutes) Plagiat der Kleingeldprinzessin, wird mit dem Einsatz einer ganzen Soundwand von Instrumenten klar, dass das Genre Liedermacher hier nur am Rande bedient wird. Schlagzeug und Bass rocken wie im guten Mainstream, Geige oder Klavier setzen passende Akzente zur erschlagenden Wirkung der Begleitmusik. Der Wechsel zwischen spärlicher Instrumentierung und üppiger Soundlandschaft erzeugt eine nervöse Grundstimmung, die von den treibenden Beats noch zusätzlich betont wird. Dazu passen hervorragend die persönlichen Texte der Künstlerin, die sich eher mit eigenem Selbstzweifel und Orientierungslosigkeit beschäftigen als mit Weltversteherverbesserungsratschlägen. Damit sorgt die Künstlerin für Verständnis und erreicht gleichzeitig eine wohltuende Distanz. Alles Bleibt von Violetta Parisini wirkt wie ein Küchengespräch unter engen Freunden. Chris Elstrodt
|
|
---|
REINIG, BRAUN + BÖHM Neun Lieder (Pfalz Records)
Zum zwanzigjährigen Bandjubiläum gönnen sich die drei Ludwigshafener Mundartfolker erstmals ein Album, mit dem sie neue Wege beschreiten, auf den Pfälzer Dialekt verzichten und hochdeutsche Lieder eingespielt haben. Es ist eine brillant arrangierte, gefühlvoll gesungene Hommage an eine Handvoll deutschsprachiger Liedermacher wie Georg Danzer, Bernie Conrads, Reinhard Mey, Franz Josef Degenhardt und andere, Künstler, die über viele Jahre Paul Reinig, Peter Braun und Rüdiger Böhm beeinflusst haben. Zentrale Themen sind die Begriffe „Freiheit“ und „Heimat“, als „Raum, wo wir uns frei und geborgen fühlen, frei denken und reden, uns künstlerisch entfalten können“, wie es in den Liner Notes heißt. Dem Terminus „Heimat“ kommt auf dem mittlerweile fünften Album des Trios eine besondere Bedeutung zu durch den geflüchteten Oudvirtuosen und Sänger Samer Alhalabi, der sein Vaterland Syrien verlassen musste. Er ist eine Bereicherung der filigranen Arrangements seiner drei deutschen Kollegen, denen er mit seiner Kunst neue musikalische Horizonte eröffnet. Außerdem steuert er eines der beiden Instrumentalstücke bei und ein Lied des ägyptischen Komponisten Sayed Darwish („Mahla Nourha“), das ein rundum schönes Album beschließt. Ulrich Joosten
| UHLENFLUG Dulcis Amor (Hufnagel)
Das Mittelalter muss nicht laut sein! Jenseits von lärmender Marktmusik und feuchtfröhlichem Kneipengesang bieten die Berliner Spielleute, die seit 2007 als Gruppe bestehen, gepflegte, handwerklich stimmige Alte Musik. Neben Gesangsstücken, u. a. in Latein und Mittelhochdeutsch, finden sich auch einige modernere Stücke wie „Dreierhopp“, ein galizischer Walzer, oder „Heidschnucken-Dans“ von Christoph Pelgen. Die Lieder und Tänze stammen aus ganz Europa, aus den altspanischen Cantigas, aus dem England und Frankreich des 13. Jh., aus der Berliner Neidhardt-Handschrift – sogar traditionelle sephardische und mallorquinische Stücke sind dabei. Historische Instrumente wie Drehleier, drei verschiedene Dudelsäcke, Rauschpfeifen, Krummhörner und Harfe kommen zum Einsatz. Es ist angenehm entspannte Zuhörmusik, nur Tänze wie die „Flotte Charlotte“ und Percussion (Tamburello, Rahmentrommeln, Glocken) bringen etwas Tempo und Druck in die oft geruhsamen Stücke. Folker-Webmasterin und Drehleierlehrerin Cosima Hoffmann ist Teil von Uhlenflug und brachte ihre Stärken in diese ausgewogene und harmonische CD ein. Piet Pollack
|
|
---|
hö
|