Rezensionen der Ausgabe 1/2020
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MICHAEL REUFSTECK Straßenmusiker / fotogr. v. Michael Reufsteck. conte-verlag.de (St. Ingbert : Conte-Verl., 2019. – 134 S. : überw. Farbfotos) ISBN 978-3-95602-197-8 , 15,00 EUR
Dieser aufwendig gestaltete quadratische Bildband zum Thema Straßenmusikanten ist quasi ein Teilkatalog der Ausstellung „Pictures of Pop”, in dessen Rahmen die durchweg farbigen Straßenmusikerfotos erstmals gezeigt wurden. Fotograf und Musiker Michael Reufsteck hat Straßenmusikanten in Deutschland, Frankreich, Portugal, Russland, Italien, Belgien, in der Türkei, der Schweiz und in Großbritannien ausdrucksstark porträtiert. Das Hauptaugenmerk des Fotografen liegt zwar eindeutig auf den Musikern, doch auch die jeweilige Hintergrundarchitektur spielt fast immer eine Rolle, sodass beim aufmerksamen Betrachter nicht selten eine gewisse Spannung entsteht. Auffällig ist: sehr viele Einzelmusikanten, meistens Männer, kaum Publikum. Vieles lässt sich aus dem Erscheinungsbild der abgelichteten Akteure, aus ihrer Kleidung, ihren Gesichtsausdrücken herauslesen – Armut, Einsamkeit, Ängste, aber auch offensichtliche Freude am Musizieren und oft eine gute Portion Selbstbewusstsein. Michael Reufstecks Bildband Straßenmusiker ist die ästhetische Dokumentation eines vielerorts unterdrückten, jedoch bunten und die Innenstädte belebenden Phänomens. Kai Engelke
| JEFF TWEEDY Let’s go (so we can get back) : Aufnehmen u. Abstürzen mit Wilco etc. / aus d. Engl. von Tino Hanekamp. kiwi-verlag.de (Köln : Kiepenheuer & Witsch, 2019. – 301 S. : mit Ill.) ISBN 978-3-462-04986-2 , 22,00 EUR
Jeff Tweedy ist Kopf der Band Wilco, die gemeinsam mit Billy Bragg den lyrischen Nachlass von Woody Guthrie musikalisch bearbeitete und auf drei CDs als Mermaid Avenue auf den Markt brachte. Begonnen hat sein Songschreiberleben vor mehr als dreißig Jahren, als er mit Freunden die Countryrockband Uncle Tupelo gründete. Ausgiebig berichtet er in seiner Autobiografie, die sich weniger literarisch als mehr wie eine Plauderei unter Freunden liest. Aufgewachsen in einer Kleinstadt in der Nähe von Saint Louis, wurde Tweedy musikalisch vor allem durch US-amerikanischen Mainstreamrock sozialisiert, bevor er Punk entdeckte und sich der Musik zuwandte. Zwar beginnt das Buch recht konventionell mit einer Schilderung seiner Kindheit und Jugend, auf die mit der ersten Bandgründung die eigentliche Reifung als Musiker folgt und er sich als Songschreiber mit Wilco neu erfindet, doch wird im Buch nicht stringent erzählt. Wesentliche Teile seiner Karriere schließt Tweedy einfach aus, um sich auf einige spezifische Momente in seinem Leben zu konzentrieren. Bei Tweedy dreht sich alles um Musik, doch zentral sind daneben die persönlichen Beziehungen und Beziehungsgeflechte, in denen er sich bewegt. Zwischendurch gewinnt er auch mal einen Grammy, doch viel intensiver schildert er seine persönlichen Krisen – wie eine langwierige Tablettenabhängigkeit – und auch die Schwierigkeit, überhaupt sinnvolle Songtexte schreiben zu können. Eingeschoben sind immer wieder Gesprächsprotokolle mit seiner Frau, die eine andere Sicht auf seine Geschichte hat, einen distanzierten, aber auch differenzierten Blick auf seine Musikwelt wirft. Ein facettenreiches Buch, das von einer Musikkarriere erzählt, aber auch von einer schmerzvollen Selbstfindung. Michael Freerix
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RAYMOND DITTRICH Carolans Harfe : e. Textzyklus / mit Zeichn. v. Laumee Fries u. Einspielungen v. Christoph Pampuch (ir. Bronzesaitenharfe) engelsdorfer-verlag.de (Leipzig : Engelsdorfer, 2019. – 51 S. : mit Ill. u. Notenbeisp. + CD) ISBN 978-3-96145-771-7 , 15,00 EUR
Der Lyriker Raymond Dittrich stellt in einem Zyklus von kurzen Texten das Leben des irischen Harfners Turlough O’Carolan vor. Zu jedem Lebensabschnitt gibt es eine Zeichnung von Laumee Fries, und es gibt eine CD mit Carolan-Stücken, auf einer mit Metallsaiten bespannten Harfe gespielt von Christoph Pampuch. Da zu Carolans Zeiten Harfen und Zithern mit Bronzesaiten bespannt waren, bekommen wir auf diese Weise einen Eindruck davon, wie seine Musik wohl geklungen haben mag. In den Texten folgen wir seinem Leben, von der Geburt im Osten des Landes über die Erblindung durch eine Pockeninfektion und den Umzug in den Westen bis zu seinem Leben als wandernder Harfner. Carolan war sozusagen ein Wanderer zwischen zwei Welten. Einerseits fand er Unterstützung in den Resten der inzwischen fast vernichteten gälischen Adelsschicht, andererseits fanden auch die neuen angloirischen Landjunker Gefallen an seiner Musik, und er huldigte allen Gönnern und vor allem Gönnerinnen durch ihnen gewidmete Kompositionen. Das alles erfahren wir aus den kurz gefassten lyrischen Texten, bei denen aber offenbar aufs Korrekturlesen verzichtet wurde, es gibt gar zu viele verrutschte Apostrophe und Satzfehler wie „blasrot“. Und manchmal wird es unfreiwillig komisch: „Eine junge Lady aus gutem Haus gewann Turlough zur Frau“ – etliche Biografen glauben zwar nachweisen zu können, dass Carolan nach heutigem Verständnis mindestens bisexuell war (was im vorliegenden Buch nicht erwähnt wird), aber solche Genderwirrungen waren ihm wohl doch fremd. Über diese kleinen Schönheitsfehler tröstet aber die wunderbare CD mit Carolans Musik perfekt hinweg. Gabriele Haefs
| SIMON MAYOR Of death and a banana skin : poems and other words / by Simon Mayor ; with ill. by Hilary James. acousticspublishing.com (Reading : Acoustics Publ., 2018. – 92 S. : mit Fotos u. zahlr. Ill.) ISBN 978-0-9522776-7-5 , 12,00 GBP
Simon Mayor, das ist zuallererst Mandoline pur, von Folk bis Klassik, auf Festivals, in Konzertsälen oder auf Kinderkonzerten. Der Engländer ist seit ca. vierzig Jahren schlicht eine internationale Kapazität auf seinem Instrument. Wie bei vielen Musikern sind die Ansagen integraler Bestandteil seiner Konzerte, und diese Ansagen sind durchdrungen von, nun ja, typisch britischem Humor. Über die Jahre integrierte Mayor auch kleine selbst verfasste Gedichte oder Limericks in seine Bühnenarbeit. Da lag irgendwann mal der Gedanke nahe, diese Wortbeiträge in einem Buch zu versammeln, und hier kam Hilary James ins Spiel. Sie ist nicht nur seine Partnerin zu Hause und auf der Bühne, sie war nicht nur die, die Mayor ermutigte, seine Gedichte auf der Bühne vorzutragen, nein, sie ist auch mit einem bemerkenswerten Talent für Illustrationen gesegnet. Wenn man nun die Talente der beiden kombiniert, erhält man ein optisch sehr ansprechendes Buch mit ziemlich lustigen Texten, Gedichten und Geschichten. Das beginnt mit der autobiografischen Erzählung, wie der Yorkshire-Mann Mayor in Reading landete, und zwar direkt neben dem Reading Reading Centre (!), und endet mit dem Wanderstab-Fortsetzungsgedicht „The further Adventures of the Stick“. Zwischen diesen beiden Polen ist auch sehr oft die Rede von Musik. Daher ist das schmucke Büchlein garantiert eine lohnenswerte Anschaffung für die anglophile Leserschaft dieser Zeitschrift. Und nicht nur das, auch die Technikfreaks kommen auf ihre Kosten. Das Buch enthält „augmented reality“! Für diese erweiterte Wirklichkeit braucht man ein Smartphone plus eine kostenlose App, und schon kann man sich durch Einscannen einzelner Seiten kleine, passende Videos auf das Handy laden. Wer solche Spielereien mag, wird natürlich begeistert sein. Das gute alte Buch tut es aber definitiv auch. Mike Kamp
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BERND WILLIMEK/DANIELA WILLIMEK Musik und Emotionen : Studien zur Strebetendenz-Theorie. dwv-net.de (Baden-Baden: Dt. Wissenschafts-Verl., 2019. – 125 S. : mit zahlr. Notenbeisp.) ISBN 978-3-86888-145-5 , 20,00 EUR
Musik kann eine starke emotionale Wirkung besitzen. Warum dies so ist, ist immer noch nicht geklärt. In den vergangenen Jahren hat sich eine Reihe von Wissenschaftlern mit dem Phänomen beschäftigt. Dabei wurden vor allem Hirnareale identifiziert, die bei bestimmten Musikstücken vermehrte Aktivitäten zeigen. Außerdem ist inzwischen gut beforscht, bei welchen Krankheiten Musik wie helfen kann – ohne dass freilich die Krankenkassen diese Art der Therapie bislang übernehmen. Doch was genau an der Musik löst Emotionen in uns aus? Ist es die Atmosphäre, der Takt oder vielleicht die Geschwindigkeit der Stücke? Der Musiktheoretiker Bernd Willimek und seine Frau Daniela, eine studierte Pianistin, sagen, es seien vor allem die Harmonien bzw. Tonintervalle. In mehreren Experimenten haben sie gezeigt, dass Probanden etwa Subdominanten, äolisches Moll und Ganztonleitern in jeweils gleicher Weise charakterisierten. Willimek und Willimek führen das darauf zurück, dass die Hörer durch Musik vermittelte Emotionen mit bestimmten abstrakten Willensinhalten identifizieren. Wer diesen Part des Buches verstehen will, sollte mit der Philosophie Nietzsches oder Schopenhauers vertraut sein und/oder die Arbeiten des Musikwissenschaftlers Ernst Kurth kennen, von denen sich das Autorenpaar klar abgrenzt. Grundsätzlich hilft es, beim Lesen ein Klavier o. Ä. in der Nähe zu haben, um sich die Klangbeispiele vor Ohren zu führen. Ines Körver
| IAIN MATTHEWS / IAN CLAYTON Thro’ my eyes : a memoir / Iain Matthews with Ian Clayton. route-online.com (Pontefract : Route, 2018. – 344 S. : mit Farb- u. s/w-Fotos + Do-CD) ISBN 978-1901927-75-7 , 20,00 GBP
(Tl 3 einer ungeplanten Fairport-Trilogie; Tl 1 s. Folker 4/2019, S. 94, Tl 2 s. Folker 6/2019, S. 95) Ja, auch Iain Matthews war einmal Mitglied von Fairport Convention, wenn auch nur für anderthalb Jahre oder ca. zwanzig Seiten im Buch, aber mit den Gruppenmitgliedern blieb er befreundet. Thro’ My Eyes ist tatsächlich eine Autobiografie, Matthews erzählt seine Geschichte chronologisch, Clayton schreibt sie nieder, und Matthews geht noch mal korrigierend drüber. Eine unglückliche Kindheit im Norden Englands mit einem gewalttätigen Vater, der – das stellte sich erst später heraus – tatsächlich sein Stiefvater war. Er flieht als naiver Achtzehnjähriger nach London, veröffentlicht eine erste Single mit der Gruppe Pyramid, spielt die erwähnte Zeit mit Fairport, und dann 1970 der Monsterhit „Woodstock” mit Matthews Southern Comfort. Er kam mit dem Erfolg, dem Musikgeschäft und all seinen Begleiterscheinungen überhaupt nicht klar und verweigerte sich. Das ist fast fünfzig Jahre her, und bekanntermaßen ging seine Karriere mit Umwegen, Sackgassen, Glück und Tüchtigkeit dennoch bis heute weiter – alles minutiös in dem Buch nachzulesen. Was diese Bio jedoch neben den Fakten auszeichnet und lesenswert macht, ist Matthews schonungslose Offenheit, auch sich selbst und seinen ganz persönlichen Problemen gegenüber. Nie hat man das Gefühl, dass er Brüche überspielt oder Depressionen und Kommunikationsprobleme verschweigt, und gerade das macht das Buch und auch Matthews als Person so glaubwürdig und nachvollziehbar. Jedes Kapitel wird mit einem passenden seiner Songtexte eingeleitet (die Songs sind auf der Doppel-CD der Deluxe-Edition des Buches enthalten) und verdeutlichen: Musik ist sein Leben und sein Leben ist in seiner Musik. Der Musiker Iain Matthews war mir vor diesem Buch bis auf ein paar Highlights unbekannt und eigentlich auch egal. Nach der Lektüre bin ich mir sicher: Ich habe einen großen Nachholbedarf! Mike Kamp
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SEBASTIAN SCHRÖDER Banjo spielen! : d. umfassende Schule für das 5-String-Banjo. banjospielen.de dux-verlag.de (Manching : Ed. Dux, 2016. – 308 S. : mit zahlr. TAB u. Griffdiagr., Abb. + CD) ISBN 978-3-86849-284-2, ISMN 979-0-50017-438-7 , 42,80 EUR
Alle Jahre wieder – auch an Weihnachten 2019 – wurden Banjowünsche wahr. Wer sich kein Gitarrenbanjo gewünscht, sondern ein klassisches fünfseitiges bekommen hat, wer nicht vom Notenblatt spielen kann, wird vermutlich ohne geeignetes Lehrmaterial schnell verzweifeln. Sebastian Schröder (siehe auch Beitrag auf S. 40) hat diese Lücke einfühlsam, gründlich und geschickt geschlossen. Mit Banjo spielen! ist ihm ein Standardwerk gelungen, das Anfänger ermutigt, Fortgeschrittene fördert, Profis fordert, das Musikfreunden, -lehrern und -wissenschaftlern umfassende Informationen bietet. Dieses Hand- und Lehrbuch ist verständlich geschrieben, reich bebildert, ansprechend layoutet und – ob seiner Papierqualität und komfortablen Spiralbindung – robust, also alltagstauglich. Ausgewählte Musikstücke, darunter Ohrwürmer wie „The Entertainer“ und „You Are My Sunshine“, lassen sich mittels beiliegender MP3-CD sowie simpler Tabulaturen, die keine Notenkenntnisse voraussetzen, spielend lernen. Schröder, selbst passionierter Banjospieler, hat die 45 Songs darauf selbst eingespielt, extra langsam, was das Üben sehr erleichtert. In unserer Hightechwelt, in der immer mehr Menschen vor Bildschirmen verkümmern und das Wischen flacher Mattscheiben als erotisch gilt, ist ein gutes neues Lese- und Hörbuch wie Banjo spielen! wohl die bessere Alternative, miteinander Banjoduelle zu führen. Besonders wertvoll: Dabei fällt kein Schuss und fließt kein Blut. Dieses Buch hätte sicher auch dem Friedensaktivisten und Folksänger Pete Seeger (1919-2014) Freude bereitet, dessen Banjotechnik „Seeger Picking“ ein ganzes Kapitel gewidmet ist. Also dann, nicht bis Ostern mit dem Buchgeschenk warten, damit ihr gut vorankommt auf euren Banjos – und vielleicht sogar auf einem Friedensmarsch! Lasst euch anstiften … – zum Banjospielen! Kay Reinhardt
| MICHAEL HEPP Mixer & leichte Mehrpaartänze : d. Tanzbeschreibungen. fidula.de (Koblenz : Fidula-Verl., 2019. – 32 S. : mit zahlr. Abb.) ISBN 978-3-87226-218-9 , 6,90 EUR; CD: 978-3-87226-618-7 – 16,90 EUR; DVD: 978-3-87226-718-4 – 19,90 EUR
Michael Hepp, Biologie- und Sportlehrer aus Tübingen, ist den Volkstänzern unter uns als Verfasser von vielen Tanzbeschreibungen und Herausgeber von Folklore-CDs, insbesondere mit internationalen Kreistänzen bekannt. Nun hat er sich an zwanzig leichte Mixer-Paartänze herangewagt. Diese gelten als besonders abwechslungsreich, da sich in den Tanzabläufen die notwendige Gelegenheit ergibt, vielen anderen Tänzern quasi hautnah zu begegnen. Dabei werden zwar in der Regel die Partner nicht gewechselt, doch tanzt ein Paar immer wieder mit einem neuen Paar zusammen. Die Schrittmuster sind einfach gehalten, sodass auch Ungeübtere durchaus auf ihre Kosten kommen können. Die drei Elemente, Broschüre, CD sowie DVD, sind einzeln oder als Paket erhältlich. Alle zwanzig Tänze, teilweise von Hepp selber choreografiert, werden auf der DVD einmal durchgetanzt, nicht jedoch erklärt; zum Nachschlagen sind die notierten Tanzbeschreibungen eigentlich unentbehrlich, falls ein Tanzkreis, idealerweise mit mindesten sechs Paaren, unter Leitung des lokalen Tanzleiters einige dieser Tänze selbständig einüben will. Die Musikaufnahmen verdienen ein besonderes Lob, nicht nur qualitativ im Ton, sondern Versionen wie der „Doppelschottisch“ von Zerrwanst oder der „Patsh Tants“ von den Klezgoyim sind auch ohne Schwingen des Tanzbeines ein Hörgenuss. Matti Goldschmidt
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