Rezensionen der Ausgabe 6/2019
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CINESOUNDS
Die Filmkolumne von Michael Freerix
Carmine Street Guitars
Die Carmine Street in Greenwich Village hat kaum etwas mit dem modernen New York gemein. Vorwiegend größere und kleinere Gebäude stehen dort nebeneinander, kein Neubau ist in Sicht, der Straßenasphalt ist lückenhaft. Vor hundert Jahren wohnten hier vorwiegend italienische Migranten. Als altes Monument aus dieser Zeit überragt die Our Lady of Pompeii Church alle Gebäude der Straße. Kleine, seit langer Zeit bestehende
Carmine Street Guitars USA 2019, 80:00; Regie: Ron Mann; mit: Lenny Kaye, Jim Jarmusch, Nels Cline, Bill Frisell, Eleanor Friedberger, Charlie Sexton, Jaime Hince, Eszter Balint u. a.
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| Geschäfte prägen die Straßenatmosphäre. Einer dieser Läden ist der Gitarrenladen von Rick Kelly. Kelly ist Gitarrenbauer der alten Schule, seit gut vierzig Jahren. Seine kleine Werkstatt mit Verkaufsraum wirkt wie aus der Zeit gefallen. Es passt, dass er sein Werkzeug für die Holzbearbeitung von seinem Großvater geschenkt bekommen hat.
Lou Reed spielte in den letzten 25 Jahren seines Lebens ausschließlich auf Instrumenten von Kelly. Gitarrengeschichten erzählen in diesem Film allerdings lebende Musiker, die in den Laden kommen, um Gitarren auszuprobieren. Lenny Kaye, der in der Patti Smith Group spielte und viele ihrer Songs schrieb, ist der erste. Es geht ihm um den richtigen Sound, den man braucht, um einen Song zu schreiben, und um das richtige Gefühl, das einem eine Gitarre gibt, die man in der Hand hält. Weitere Musiker wie Bill Frisell, Nels Cline (Wilco), Jaime Hince (The Kills) oder Jim Jarmusch treffen im Film auf den Handwerker Kelly, der nicht wirklich gesprächig wirkt, ihnen aber das bestmögliche Musikinstrument in die Hände arbeiten will.
Kelly stellt Unikate her. Essenziell an seinen Gitarren ist das Holz. Zwar baut er ausschließlich E-Gitarren, doch hängt auch deren Klang sehr stark vom Holz ab, aus dem der Korpus konstruiert wird. Das Material besorgt sich Kelly aus Baucontainern, weil es alt sein muss, je älter, umso besser. Und das findet sich nur noch in den alten Gebäuden, wie sie die Carmine Street ausmachen. Wird eines abgerissen oder umgebaut, geht Kelly dorthin in der Hoffnung, alte Balken zu finden. So erzählt sein Lager – jeder Fundort ist mit Kreide auf dem Holz dokumentiert – nebenbei auch eine Geschichte von der gegenwärtigen Gentrifizierung von Greenwich Village.
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