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 FROLLEIN SMILLA: Freak Cabaret
FROLLEIN SMILLA
Freak Cabaret
(t3 records)


Die drei Sängerinnen vom Frolleinwunder Smilla legen Gesangspassagen hin, bei denen die Andrews Sisters vor Neid erblassen würden. Daneben beherrschen Bläser das musikalische Setting. Bass, Gitarre und Schlagzeug komplettieren das Orchester. Musikalisch ruht sich das Berliner Powerteam aber nicht auf den Fünfzigern aus, vielmehr plündert es hemmungslos Balkanbeats und alles Tanzbare, sodass Freak Cabaret ständig neu und doch vertraut, aber immer nach Straßenmusik klingt. Gut, man könnte die Band auch im Theater und auf Kleinkunstbühnen verschleißen, und die umfangreiche Tour führt das Orchester auch durch jede Kulturetage. Musiker mit diesem Elan, dieser Fröhlichkeit und dieser Bereitschaft, sich zu zeigen, gehören jedoch auf die Straße. Die Texte und die Arrangements erreichen allesamt kulturpreisverdächtiges Niveau, aber die Band ist schlichtweg zu schade für bedächtig klatschendes Publikum auf der Bundesgartenschau. Sie verdient es, gefeiert und betanzt zu werden, dass man mit den Musikern lacht und tobt und wie mit den alten Brassbands gemeinsam durch die Gassen zieht. Frollein Smilla gehören dorthin, wo das Leben ist.
Chris Elstrodt
 HANNE KAH: Y
HANNE KAH
Y
(Kosmopolit Records)


Wer hat gesagt, dass das zweite Album das schwierigste ist? Drei Jahre nach ihrem Erstling und einigen Singles melden sich Hanne Kah nun endlich mit einem Longplayer zurück. Scheinbar spielerisch leicht tanzen die Melodien in die Gehörgänge, die Spielfreude der Musiker ist allgegenwärtig. So klingt eine Band, die seit Jahrzehnten alles richtig macht und keinen Gedanken mehr an ihren eigenen Sound verschwenden muss. Traumwandlerisch sicher jeder Song, brillant jedes Arrangement. Y klingt definitiv nicht nach „dem zweiten Album“, sondern nach einem ausgereiften Meilenstein einer lebenslangen Karriere. Musikalisch bieten Hanne Kah Americana vom Feinsten, sodass man ruhig mal Lucinda Williams erwähnen darf. Sängerin Hanne singt englisch, aber man merkt dem akzentfreien Gesang die deutsche Herkunft an, und das ist gut so. Die helle Klangfarbe der Künstlerin wirkt als eigenes Markenzeichen besonders stark. Das Songmaterial lehnt sich an Popstrukturen an. Wären die akustischen Folkarrangements nicht, würden die Songs auch im Pop-Olymp von Adel Tawil bis Pink überzeugen. Dank der aufregenden Begleitband und der akustischen Gitarre der Künstlerin überwiegt jedoch der Country-Anteil. Das Ergebnis: Folk-Pop im besten Wortsinn.
Chris Elstrodt

 STEPHAN MICUS: White Night
STEPHAN MICUS
White Night
(ECM Records)


Auch auf seinem 23. Album kreiert Micus immer noch ganz neue musikalische Welten. Sein aktuelles Werk ist der Magie des Mondes gewidmet. Dabei bedient sich der 65-Jährige diesmal vor allem verschiedener afrikanischer Kalimbas, des sogenannten Daumenklaviers und der armenischen Duduk. Zusammen mit seinem Markenzeichen, der vierzehnsaitigen Gitarre, tibetischen Cymbals, indischen sowie ägyptischen Flöten, einer afrikanischen Harfe, der Dondon aus Ghana und seinem Gesang malt Micus erneut eine Klangreise durch die Kulturen, die unter die Haut geht. Wie immer spielt er alle Instrumente selbst und komponiert seine meditativen Preisungen der Natur mit Hilfe zahlreicher Overdubs. Vom orientalisch beeinflussten östlichen Tor geht es mit afrikanischen Rhythmen über die Brücke, entlang des Flusses zu den Glühwürmchen im Mondenschein, bevor der Mond selbst durch die Duduk erklingt. Nach dem gebetsartigen Gesang des Poeten und den Weiten des Weges folgt eine südamerikanische angehauchte Hommage an die schwarzen Berge. Durch den geheimnisvollen Wald gelangt der Hörer schließlich zum von Gitarren dominierten westlichen Tor, an dem sich die musikalischen Stile der Welt vereinen.
Erik Prochnow
 MOCHA: What If It Ends?
MOCHA
What If It Ends?
(Micropal Records)


Es gibt sie noch, die unverbrauchten Musikerinnen und Musiker, die sich mit ihrem eigenen Sound jedem Vergleich entziehen. Das Frauentrio Mocha gehört zu dieser wertvollen Spezies. Gleich die ersten Töne auf dem neuen Album What If It Ends? überraschen. Man denkt, solch ein Song könnte auch gut auf eine Darkwave-Party passen, wäre da nicht die glockenhelle Begleitung. Im Laufe des Albums werden Mocha deutlich folkloristischer, bleiben aber immer eigenständig und tatsächlich ohne Vergleich. Die Art, Songs zu schreiben, gleicht vielleicht noch der von Geschichtenerzählern wie John Cale oder Peter Hammill, die Arrangements stehen aber im krassen Gegensatz dazu und klingen wohlgefällig, der mehrstimmige Gesang harmonisch. Es fehlen klar erkennbare Hinweise auf die musikalischen Wurzeln. Da klingt nichts „skandinavisch“, „deutsch“ oder „irisch“, am ehesten ist vielleicht eine Liebe zum leichten Jazz zu spüren, aber letztlich bleiben Mocha so einzigartig, dass hier die alte Weisheit zum Tragen kommt: „Das muss man hören, um ein Gefühl dafür zu bekommen.“ In einer Zeit, in der Autorenwerkstätten in Seminaren Hitformat-Songs produzieren, sind Bands wie Mocha unbezahlbar.
Chris Elstrodt

 POLKAGEIST : Rückwärts durch die Geisterbahn
POLKAGEIST
Rückwärts durch die Geisterbahn
(Eastblok Music)


Ein charmantes Großstadtalbum haben Manuel Hornauer (Gesang, Gitarre), sein Bruder Michael (Trompete, Geige, Gesang), sowie Christian Zebisch (Akkordeon, Gesang), Jan-Philipp Dopke (Kontrabass, Gesang) und Johannes Wiemann (Schlagzeug) alias Polkageist hier vorgelegt. Wie soll’s auch anders sein, wohnen und wirken die fünf Musiker doch alle in jenem übergeschnappten Dorf, das sich seit dreißig Jahren wieder Hauptstadt nennt. Musikalisch bleibt das Quintett auch auf seinem dritten Album bei der bewährten Mischung aus Polka, Ska, akustischem Punk und jeder Menge Balkanblech. Gelegentlich schleicht sich aber auch ein sentimentales Moment ins zweiviertelige Vergnügen, wenn die Band von einer Reise durch Ex-Jugoslawien berichtet („Laku Noć“). Ansonsten mischt sich Ironisches über Selfies („Egopolitur“), individuellen Datenweitwurf („Digital Suicide“) oder das Überangebot an Shoppingcentern („Danke“) mit beißender Kritik am allgemeinen Zustand des Landes („Schweigen is’ nich‘“) oder dem rasant fortschreitenden gesellschaftlichen Rechtsruck („Rückwärts durch die Geisterbahn“). Wie gesagt, ein charmantes Großstadtalbum, mit viel Lokalkolorit, Laune, klugen Gedanken und einer Menge tanzbarer Musik.
Walter Bast
 GÖTZ RAUSCH: Wie die Zeit zerfällt
GÖTZ RAUSCH
Wie die Zeit zerfällt
(Timezone)


Wer beruflich den Bau von Monochords betreibt, der landet schnell über Pythagoras bei den Grundfragen des Seins und über die Obertöne dann bei den Zwischentönen. Denen hat sich der Instrumentenbauer Götz Rausch aus Stolzenhagen an der Oder mit seiner Band verschrieben. In seinen ruhigen Balladen geht es immer wieder um Wege zu sich selbst, um das Abschalten, das Sich-Ausklinken aus dem Alltagstrott. Nicht erreichbar sein, sich vertreten zu lassen, „zuzuschauen, wie die Zeit zerfällt“, den Gedanken zu akzeptieren und zu goutieren, dass man nichts Besonderes ist, sondern ein ganz gewöhnlicher Mensch. Dagegen ist das Beobachten seiner Bekannten und Freunde über soziale Netzwerke Zeitverschwendung. Acht eingängige Songs, die mit etwas treibender Diktion gesungen und mit Gitarre, Streichern, Klavier bzw. Orgel und Schlagzeug atmosphärisch dicht begleitet werden; Instrumente aus eigener Werkstatt sind nicht dabei. Schöne Lieder, nachdenklich und unaufdringlich, gut geeignet, um vor sich hin zu sinnieren und seinen Gedanken nachzuhängen.
Rainer Katlewski

 THE STOKES: Moakt In Oostfreesland – Made in Eastern Friesland. Live!
THE STOKES
Moakt In Oostfreesland – Made in Eastern Friesland. Live!
(DMG Records), mit engl. Infos


Patriotisch irischer geht es wohl kaum, beginnt doch dieses Live-Doppelalbum mit einer Diffamierung der Schotten nach deren Ablehnung der Unabhängigkeit vom Vereinigten Königreich: „Schotten sind auch nur Engländer mit Röcken“, gefolgt von „God Save Ireland“. Diese und andere Ansagen stammen vom einzigen Iren in dieser ansonsten norddeutschen Band. Ostfriesisch indes scheinen nur der Aufnahmeort auf Langeoog und ein Gastmusiker namens Albertus Akkermann, Wattführer von Borkum, zu sein, der hier aber mit „Caledonia“ doch auch etwas Schottisches ins ansonsten hauptsächliche irische Repertoire bringt. Es gibt aber noch einen irischen Gastmusiker, und zwar niemand Geringeren als Seán Cannon von den Dubliners, der mit „The Rocky Road To Dublin“ einen der vielen Evergreens dieses Albums liefert. Überhaupt könnten die meisten Lieder auch von den Dubliners gesungen sein, nur Instrumentals sind weniger ihre Stärke, da werden sie schnell hektisch. Leider gibt es kein Beiheft mit Infos über die Musiker, aber dass einer aus dem Kreis Borken stammt, entnimmt man der Bandvorstellung am Ende des Konzerts. Wer anschließend dann die CD von Stew ’n’ Haggis (siehe „Kurzschluss“) einlegt, hat eine passende Abrundung. Da sind dann Iren und Schotten wieder einträchtig beisammen.
Michael A. Schmiedel
 JUDITH TELLADO: Yerba Mala
JUDITH TELLADO
Yerba Mala
(Timezone), mit span., engl. u. dt. Texten


Die in Hamburg lebende puerto-ricanische Sängerin Judith Tellado lässt sich nicht reinreden. In verblüffender Vielfalt zeigt sie, was sie so alles kann und mag – Bolero, Jazz-Standards, Latin-Folk, Salsa, RnB, amerikanische Hymnen. Manches könnte sogar einem Musical entstammen, und gerade ihre Pop- und Soulballaden haben überdurchschnittliche Qualität. Ähnlich wechselt sie die Sprachen, Spanisch, Englisch, Deutsch. Die Songs sind oft ungewöhnlich, haben aber eine eindringliche Melodik, die vom intensiven Gesang passend vermittelt wird. So etwas gilt heute eigentlich als nicht marktkonform, gar profillos. Aber wenn jemand seine Interessenvielfalt derart deutlich offeriert, zeigt er nicht gerade dann Profil? In den Sechzigern ermöglichten musikalische Vielseitigkeit und sprachliche Begabung Sängerinnen wie Nana Mouskouri eine weltweite Karriere. Schön, dass dies wiederzukommen scheint. Man braucht Stimmen gegen den Einheitsbrei. Für Latin-Fans ist aber genug dabei. Ihr Song „Guayaba“ beispielsweise hat das Zeug großer lateinamerikanischer Balladen und wird von flirrendem Querflötenspiel umschmeichelt.
Hans-Jürgen Lenhart

 TONE FISH: Open Your Eyes
TONE FISH
Open Your Eyes
(Prosodia), mit dt. Infos u. engl. Texten


Wenn eine Band ihr viertes Album mit einer lockeren Abfolge von musikalischen und textlichen Zitaten startet („Over In Dover“), dann lässt das vermuten, dass sich die drei Herren und eine Dame in den Jahren eine gewisse Souveränität erspielt haben. Ein wenig unverständlich nur, dass die Musik von Tone Fish gerne als Irish Folk verkauft wird. Zumindest diese CD enthält kaum Spuren der Grünen Insel, das ist astreiner akustischer Folkrock der häufig schwungvollen und spielfreudigen Sorte, ein Hinweis auf die Livequalitäten von Tone Fish. Spontan erscheint der einzige deutschsprachige Titel unter zehn anglophilen Songs und dem einen Instrumental (alles von Stefan Gliwitzki mit Ausnahme zweier Coversongs) seltsam. Bedenkt man jedoch, dass die Band aus Hameln kommt, dann macht „Des Spielmanns Stolz“ über den berühmten Rattenfänger sogar Sinn. Der Song hätte in Englisch schlicht albern geklungen. Persönlicher Höhepunkt des Albums ist der eingängige und ins Ohr schwingende Walzer „Sing“. Wenn so gut wie alles den Bach runtergeht, dann können wir zumindest noch singen. Das löst zwar keine Probleme, verbessert aber die individuelle Lage. So wie die komplette CD von Tone Fish.
Mike Kamp
 SUZY VA: Constantly Changing
SUZY VA
Constantly Changing
(Timezone), mit dt. u. engl. Texten


Schwebend leichte Poesie. Die Berliner Singer/Songwriterin Suzy Va hat eine bezaubernde Stimme, schreibt wunderschöne lyrische Texte und verleiht ihnen musikalisch Flügel – insbesondere, wenn sie statt zur Gitarre zur Ukulele greift. Diese Leichtigkeit hat aber trotzdem große Tiefe. Die Songs sind Geschichten von Wandel und Hoffnung, von Flucht und Ankommen. Die Sängerin nahm neben englischen Songs auch ein deutsches Lied auf. Spätestens hier merkt man, dass diese Songtexte eigentlich vertonte Gedichte sind. Da passt es, dass sie auch „Die blaue Blume“ von Joseph von Eichendorff rezitiert – das Romantikbekenntnis schlechthin. Suzy Va startete bei ihrem Debütalbum noch als akustische Singer/Songwriterin. Bei ihrem neuen Album klingt es mit Schlagzeug, E-Gitarre und mehrstimmigem Gesang deutlich rockiger. Bassklarinette, Posaune und Baritonsaxofon bringen jazzige Klangfarben. Einen kleinen Hit hat dieses über Crowdfunding finanzierte Album auch. Der Song „Happy Heart“ handelt vom Glück – die Melodie und die gut gelaunt gespielte Ukulele haben Ohrwurmqualität.
Udo Hinz

 SANDY WOLFRUM: Zehnundfünfzig
SANDY WOLFRUM
Zehnundfünfzig
(Intraton), mit dt. Infos


„Wenn ich ein Sänger wär’“ heißt eines seiner Lieder. Nun, aber das ist er ja, der Bayreuther Sänger und Liedermacher Alexander bzw. Sandy Wolfrum. 2018 feierte er sein sechzigstes, nicht Bühnen-, aber Erdenjubiläum mit der Herausgabe dieses Albums mit 51 Liedern auf drei CDs. Die der CDs 1 und 2 sind Fans altbekannt, CD 3 enthält neues Material. So ist diese Anthologie auch ein gutes Angebot, ihn erstmals und umfänglich kennenzulernen. Die Musik scheint für ihn vor allem das Medium zu sein, um Inhalte rüberzubringen, denn diese quetscht er auch immer wieder in ein Versmaß, das zu klein dafür ist. Da müssen schon mal vier Silben passen, wo zwei eigentlich korrekt wären. „Mit kleinen Fehlern hier und da“, singt er denn auch im oben genannten Lied. In einem brummbärigen Bass schmettert er seine Kritik an Politik und Wirtschaft, Gesellschaft und menschlichem Verhalten generell in die Welt hinaus oder entwirft Alternativbilder von echten Werten und einer Gemeinschaft, in der „jeder ganz normal anders“ sein darf. Manchmal begleiten ihn begeistert mitsingende Kinder. Letztlich klingt alles gut gelaunt und mitreißend. Was vielleicht fehlt für einen Bayreuther, ist ein fränkischer Dialekt.
Michael A. Schmiedel