Folker-Logo   Abo   Mediadaten/Anzeigen


Suche
   Intern   Über uns


Kontakt/Impressum/Datenschutz

       
Aktuelle   Ältere   Gesamtverzeichnis   Bemusterung
 
Rezensionen der
Ausgabe 2/2019


Auswahl nach Heft-Nr:  
 


Tonträger


Besondere

Deutschland

Europa

Welt

Kurzrezensionen

Weitere Rezensionen

Online-Rezensionen




Plattenprojekt


Plattenprojekt


Bücher / DVDs / Filme


Bücher

DVDs

Cinesounds

Deutschland
 ANDI’S BLUES ORCHESTER: I’m An Oldfashioned Papa
ANDI’S BLUES ORCHESTER
I’m An Oldfashioned Papa
(Stormy Monday Records)


Andi’s Blues Orchester ist eine vierköpfige Band, die sich dem Blues, Ragtime und Boogie der Zwanzigerjahre verschrieben hat. Gespielt wird dieser auf akustischen Instrumenten. Neben dem Bandleader Andreas Unter (Gitarre, Gesang, Mundharmonika) gehören noch Simon Dahl (Mandoline, Fiddle), Claus Hönke (Kontrabass) und Kevin Goodin (Schlagzeug, Waschbrett) zum Ensemble. Traditionelle Stücke von Big Bill Broonzy, Joe McCoy, Bo Carter halten sich mit eigenen Kompositionen die Waage. Dies betrifft sowohl die Anzahl von jeweils sieben Songs als auch die gezeigte Qualität in der Komposition. Dies hier ist Party- und Tanzmusik, wie sie vor einhundert Jahren gespielt wurde – und von verstaubt und altmodisch kann da gar keine Rede sein. Alles klingt so frisch, mitreißend und wird mit solcher Freude präsentiert, wie es nur selten zu hören ist. Handgemachte Musik im besten Sinne, leicht dargeboten, spieltechnisch auf ganz hohem Niveau. Tief verinnerlicht haben die Musiker die Stile des amerikanischen Südens und zeigen in ihrem Spiel auch die Einflüsse von Tango, Balkan und „arabischer“ Tonfolge auf. Wie auch immer, die Wirkung zählt, und hier macht es einfach nur Spaß zuzuhören – und zu tanzen.
Achim Hennes
 PAUL BARTSCH & BAND: LiebesLand
PAUL BARTSCH & BAND
LiebesLand
(Bluebird Café Berlin Records), mit Texten


Das siebente Album des Hallenser Professors und seiner Band besticht wie immer durch kluge Liedtexte. Dabei liegt der Schwerpunkt anfangs bei politischen, später persönlichen Themen. Im „Tango von der Schwarmintelligenz“ heißt es: „… und was in asozialen Netzwerkmaschen so alles hängen bleibt, das ahnst du nie.“ Eine klare politische Haltung zeigt Paul Bartsch in „Alternative für D.“, die aber gänzlich anders aussieht als die Partei gleichen Namens: „Statt zum Trommelmarsch mit Fackeln laden wir zum Tanz mit Kerzen.“ Nachdenklich wird es, wenn es um Probleme mit dem Älterwerden geht. In „Der Morgen war sonnig und klar“ beschreibt er eindringlich die Erfahrung eines Herzinfarktes, der bei ihm glücklicherweise ohne gravierende Folgen blieb. Ähnlich berührend sind der Song „Viel zu früh“ über den Verlust guter Freunde und „Stundenglas“ über den beruflichen Ruhestand, der uns alle mit seinen Vor- und Nachteilen betrifft. Die fünfköpfige Band mit Gastmusikern ergänzt Bartschs Texte überwiegend auf akustischen Gitarren, rockig mit ein wenig Folk, Reggae oder Tango. Darüber hinaus gibt es drei Live-Bonustitel vom Jubiläumskonzert zum Fünfzehnjährigen der Band im Juni 2018 in Halle.
Reinhard „Pfeffi“ Ständer

 BOTSCHAFT : Musik verändert nichts
BOTSCHAFT
Musik verändert nichts
(Tapete)


Bei manchen Bands hört man schon in der ersten Minute, dass sie auf ein Hamburger Label gehören. So ist es auch bei Botschaft, die dann auch passend beim Label für guten Geschmack, bei Tapete in Hamburg eine Heimat fanden. Ein Auftritt beim Müssen-Alle-Mit-Festival ist quasi vorprogrammiert. Damit ist die Zielgruppe klar, jugendliche Hörer mit Hang zu intellektuellen, deutschsprachigen Texten. Wer Erdmöbel, Die Nerven oder Virginia Jetzt im Plattenschrank stehen hat, wird Botschaft lieben. Tatsächlich klingt die Band vertraut und doch einzigartig. Der hallgeschwängerte Gesang des Berliner Sängers Malte Thran trifft auf funkige Gitarren, mit denen höchstens die Parcels noch konkurrieren können. Dazu ein Weltklassebass, der für sich bereits ein Kaufgrund ist, und ein treues, metronomartiges Schlagzeug. Die Musik klingt absolut fröhlich und leicht, und so wartet man auf die passenden flauschigen Texte. Jedoch, der Hörer wartet vergebens. Die Texte beschreiben triste Umgebungen, Entwicklungen im Stillstand und Einsamkeit trotz bunter Werbewelt. Die Musik lädt zum Mitsingen ein, doch die Texte verleiden es. Zurück bleibt ein diffuses Gefühl von Grausamkeit. Dieses Album macht hungrig, nicht satt.
Chris Elstrodt
 DIGGER BARNES: Near Exit 27
DIGGER BARNES
Near Exit 27
(Barnes & Quincy)


Nicht einen Moment kommen Zweifel auf. Hier singt einer, der die Staaten kreuz und quer bereist hat, der versucht hat, sesshaft zu werden, der viele Gesichter gesehen hat, aber keine Namen mehr dazu weiß, kurzum der Prototyp des rastlosen US-amerikanischen Singer/Songwriters. Die Illusion platzt erst nach näherer Recherche. Digger Barnes, benannt nach der traurigen Loser-Figur aus Dallas, heißt eigentlich Kay Buchheim und kommt aus Hamburg. Das gesagt, können wir es auch gleich wieder vergessen, weil es keine Rolle spielt. Digger Barnes hat ein Bündel hervorragender Stücke zu bieten. Allein der Opener „The Hoopoe“ zaubert mit seinem Bläserarrangement eine bemerkenswerte Atmosphäre. „You Can’t Run From The Devil“ hätte auch einem Johnny Cash gutgestanden. Und mit der Ballade „Way Too Long“ scheint tiefe Traurigkeit auf. Zwei Songs entstanden in Zusammenarbeit mit dem Schriftsteller Franz Dobler und bekommen nochmals eigene Qualität. In der Band ragt Mosquito Hopkins heraus, der Multiinstrumentalist setzt ein Vibrafon ein, spielt Mellotron und das seltene Ondes Martenot mit seinem Theremin-ähnlichen Klang. Das alles entfaltet fesselnde Intensität. Zweifel überflüssig.
Volker Dick

 LES HAULZ ET LES BAS: Concilium zu Constanz 1414-1418
LES HAULZ ET LES BAS
Concilium zu Constanz 1414-1418
(Ahalani Records)


Das seit 25 Jahren bestehende Ensemble um Ian Harrison und Gesine Bänfer glänzt mit dem reizvollen Zusammenspiel von mittelalterlichen Holzschalmeien und blechernen Zugtrompeten. Die Musik stammt aus der Zeit des Konstanzer Konzils, als sich dort 1414 die geistliche und politische Elite der christlichen Welt zu einem Gipfeltreffen versammelte. Stücke von Oswald von Wolkenstein, Guillaume Du Fay und anderen Komponisten des 14. und 15. Jahrhunderts erklingen. Die oft einstimmigen Melodien wurden kunstvoll ausgearbeitet, mehrstimmig gesetzt und durch zwei Percussionisten unterstützt. Alles klingt ganz anders als auf ihrem hochgelobten Album Ars Supernova (Alahani, 2016). Auf der vorliegenden CD geht es eher fürstlich-höfisch zu. Vieles klingt wie eine Eröffnungsfanfare, kurz bevor der König erscheint – sehr präzise vierstimmige Bläser untermalt von Percussion. Trotzdem ist klar, dass diese 600 Jahre alte Musik viel Rekonstruktionsarbeit, Recherchen in Archiven, Arrangementexperimente und Umschreiben aus alten Orgeltabulaturen erforderte, bevor sie in dieser schönen Form aufgenommen werden konnte. Die vorliegende Einspielung wurde in Zusammenarbeit mit Deutschlandfunk Kultur realisiert.
Piet Pollack
 LIEDERJAN: Ernsthaft locker bleiben
LIEDERJAN
Ernsthaft locker bleiben
(Westpark Music), Mit Texten u. Infos


Sieh an! Der Folk-Dinosaurier klingt im 44. Jahr der Bandgeschichte frischer denn je. Seit 2016 ist Philip Omlor (als erster nicht Norddeutscher) mit Gitarre, Waldzither, Ukulele und Klavier der aktuelle dritte Jan. Er reüssiert nicht nur als Musikant und Sänger, sondern schreibt darüber hinaus Lieder, die hervorragend ins Liederjan-Universum passen, jene Mischung aus Chanson, Folk, Kabarett und gehobenem Blödsinn. Wobei das Trio in der aktuellen Formation weniger klamaukig daherkommt und mit eher feinsinnigem Humor den alltäglichen Wahnsinn auf die Schippe nimmt, mit Liedern unter anderem zu den Themen Religion, neue deutsche Wortschöpfungen und neue Lügenkultur. Dabei klingen sie folkig wie lange nicht („An manchen Tagen“), wagen auch ungewöhnliches Repertoire wie das irische Instrumentalstück „Boffyflow And Spike“ und pflegen eine alte Liederjan-Tradition, den messerscharfen A-cappella-Gesang, etwa mit zwei Madrigalen, eines davon mit dem mutmaßlich ersten englischsprachigen Liedtext, der je den Weg auf ein Liederjan-Abum gefunden hat, „Because All Men Are Brothers“. Liederjan in Höchstform – ein Genuss. Die kann man sich auch in vierzig Jahren noch anhören.
Ulrich Joosten

 OVE : Abruzzo
OVE
Abruzzo
(Tapete Records)


Dass eingängige, fröhliche Lieder, noch dazu mit deutschen und klar verständlich gesungenen Texten, nicht zwangsläufig oberflächlich oder sinnentleert sind, beweist auch der Liedermacher aus dem Norden auf seinem neuen Album, welches er passender- und komischerweise Abruzzo nennt. Denn während Ove das Album im flachen Friesland aufgenommen hat, kommen in den italienischen Abruzzen Berge, Meer und Sonne zusammen. Urlaubsnostalgie wie anno dazumal. Genau wie in jener Landschaft trifft hier einiges zusammen, kleine Referenzen an die Popmusik der Sechziger und der Einsatz von Falsettchören gehen konform mit Folkharmonien und ergeben eine Art Discochanson. Die gewisse klangliche Ähnlichkeit einiger Stücke wird durch die Themenvielfalt der gesungenen Geschichten aufgewogen. Ove erzählt aus seiner Welt, sei es aus dem nächsten Umfeld wie dem Süderlügumer Wald oder Hamburg, aber er fragt sich auch, was Siri so treibt oder reflektiert psychologisch über seine eigene Zerrissenheit („Türsteher“ und „Spaghetti mit Spinat“). Das Titelstück – ganz am Schluss – fordert die Hörgewohnheiten durch den geleierten Sound eines defekten Tonbandgerätes heraus, bevor der Refrain im Meer baden geht.
Imke Staats
 RASGUEO: Echo
RASGUEO
Echo
(Galileo MC)


Auf nun zwei Alben führt die Band mit Wahlberlinern diverser Länder vor, wie gut Flamenco-Jazz-Allianzen fernab von Madrid oder Barcelona gedeihen. Mastermind ist der griechische (Flamenco-)Gitarrist Nikos Tsiachris. Seine neun eigenen Stücke (und eine Albéniz-Adaption) lassen kompositorische Reife und Lust am melodiösen Fabulieren hören, zum Beispiel im ruhigeren Titeltrack, der schon vor Bandgründung als Gitarrenstück in Erinnerung an die Geschichten erzählende Oma entstand. Er nimmt sich selbst in seinem ausgefeilten Spiel immer wieder zurück, um den anderen – auch für jeweilige Soli – Raum zu lassen: Jazz-Echo-Preisträger Diego Piñera aus Montevideo mit der ihm eigenen, meisterhaften Dynamik und dem manchmal mit ihm durchgehenden Temperament sowie den zwei Deutschen, Bassist Martin Lillich und Martin Auer an Trompete und Flügelhorn, welches das Cover ziert. Auf dem Album spielt das Gebläse eine tragende Rolle, dominiert bisweilen gar das Gesamtgefüge (zumindest für den Gusto der – Brass liebenden! – Rezensentin). Die in der Arbeit von Rasgueo wichtige Trompete ist ja in Spaniens Flamenco längst verankert, nicht zuletzt durch Musiker wie den 2018 verstorbenen Jerry González.
Katrin Wilke

 RINGSGWANDL: Andacht & Radau
RINGSGWANDL
Andacht & Radau
(Blanko Musik), mit Texten


Es bleibt halt manchmal etwas übrig, kommt zu spät oder passt nicht mehr rauf. Da sammelte sich bei Ringsgwandl in den letzten drei Jahrzehnten einiges an, Lieder, die auf Konzerten gespielt wurden, es aber nie auf einen Tonträger geschafft haben. Dieses Defizit wird nun korrigiert, neun Lieder werden nachgereicht, zwei neue gibt es gleich zum Einstieg dazu. In einer verrückten Welt rockt der musizierende Herr Doktor aus Bayern seinen schrägen Kosmos. Der Hund wird falsch ernährt, der Schlagzeuger ist in der Autobahnraststätte auf der A9 fast abhandengekommen, und der Bürgermeister stirbt in den Armen einer käuflichen Dame. Die Dame erfährt nur Verachtung, der kleine Ladendieb geht für Jahre in den Bau, aber der Nazischreibtischtäter lebt unbehelligt am Tegernsee. Die Absurdität war schon immer die kräftige Triebfeder seiner Songs. Es gibt auch noch zusätzliche Schmankerl auf der Scheibe. Christoph Marti, alias Ursli Pfister, singt den Titel „Unzufrieden“. Ein Lied von Hazel Jane Dickens, einer frühen engagierten amerikanischen Sängerin singt Ringsgwandl nur zur Gitarre, ebenso wie er den Eingangssong „Tage“ in schlichter Gitarrenversion zum Abschluss wiederholt.
Rainer Katlewski
 YONDER: Beyond Borders
YONDER
Beyond Borders
(Hey!Band)


Vom ersten Ton an nehmen sie den Hörer mit auf ihre lebhafte Reise in die Welt der traditionellen Musik Europas. In mitreißendem Tempo geht es von Skandinavien auf den Balkan, nach Italien, Frankreich, Britannien und Irland. Dazwischen legen sie immer wieder balladeske Verschnaufpausen ein. Aber egal, ob schnell oder langsam, das 1998 gegründete Quartett besticht durch ein sehr einfühlsames Spiel auf höchstem Niveau. Das Motto der aktuellen Besetzung – Angelika Rusche-Göllnitz (Geige), Nenad Nikolic (Akkordeon), Olaf Wiesner (Gitarre und Multiinstrumentalist) sowie Kontrabassist Michael Borg – ist das Überschreiten von Grenzen. Das bringen sie nicht nur mit ihren Band- und Albumnamen zum Ausdruck. Sie lassen es fast eine Stunde lange erklingen. Denn ob in ihren Interpretationen alter Stücke oder eigenen Kompositionen, Yonder spielen traditionelle Folkmusik frisch, zeitgenössisch und voller Energie. So treffen bulgarische Horos im 22/8-Takt auf französische Musettewalzer, serbische Tänze wechseln sich mit einer italienischen Tarantella ab und irische Melodien begegnen schwedischen Valsen. Ein starkes Album, mit dem sich endgültig die Lebensgeister im Frühling erwecken lassen.
Erik Prochnow