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Ausgabe 5/2018


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 DIVERSE: A Tribute To Punk – Compiled by Lucha Amada
DIVERSE
A Tribute To Punk – Compiled by Lucha Amada
(Jump Up Productions), mit engl. u. dt. Infos


Das mit alternativer, meist dezidiert politisch engagierter Rockmusik betraute Musikkollektiv bat im großen Mestizo-Netzwerk, vor allem in Spanien und Lateinamerika, in Italien, Frankreich und zu Hause in Deutschland Bands, ihren liebsten Punksong zu covern. Herausgekommen ist ein hochformatiges, informatives Doppel-CD-Buch mit 25 Tracks, die mehr oder weniger eigenwillig, mal mehr, mal weniger originalgetreu diverse Klassiker in die Gegenwart holen. Z. B. Emblematisches von The Clash nahm man sich da vor. Gerade die Londoner waren u. a. wegweisend für spätere, sogenannte Ethnopunkentwicklungen, die von Bands wie Mano Negra patentiert wurden. Die einstige Band von Manu Chao wiederum ist auch Coversonglieferant auf dem Sampler. Ihr ruppig-fröhliches „King Of Bongo“, hier recht kreativ upgedatet von Radici Nel Cemento aus Rom, kennen heutzutage viele ja sonst nur in Chaos späterer verschleppt-zurückgelehnter Fassung. Mal bleibt man in der heftigeren Gangart des Punkrock-Originals, mal entführt man es gen Cumbia oder Reggae, diese ohnehin von früh an mit dem Punk verbandelte Tradition. Auf 24 Seiten erzählen die Musiker ihre Verbindung zur Punkära und deren Einfluss auf ihr eigenes Schaffen.
Katrin Wilke



Afrika
 TOURÉ KUNDA: Lambi Golo  : Live: Paris – Ziguinchor
TOURÉ KUNDA
Lambi Golo
(Soulbeats Records), mit frz. Infos u. Texten in Wolof, Mandinge, Soninke, Engl. u. Frz.



Live: Paris – Ziguinchor
(Impala Kingdom Records)


Die „Elefanten“ sind wieder zurück! Die senegalesischen (Halb-)Brüder Ismaïla und Sixu Tidiane Touré, beide Jahrgang 1950, wollen es im reifen Dickhäuteralter nochmal wissen („Touré Kunda“ bedeutet in der Soninke-Sprache „Elefantenfamilie“). In den Achtzigern zählten die Tourés (bisweilen durch weitere Brüder verstärkt) zu den Top Acts der Afro-Pop-Szene. Mitte der Siebziger hatten sie ihre Heimatregion Casamance in Richtung Paris verlassen. Mit ihrem sehr eingängigen Mix aus Mbalax, Reggae, Rumba und Pop, dem einschmeichelnden mehrstimmigen Gesang und einer exzellenten Backing-Band begeisterten sie weltweit, bespielten auch große Bühnen. Dann verlor sich der Zauber, es wurde still um das Brüderpaar. Für das Comeback-Album konnten die beiden nun viele Freunde ins Studio lotsen, darunter Manu Dibango, Kiddus I und Lokua Kanza. Das stilistische Konzept hat sich kaum verändert, die neuen Lieder gehen nach wie vor schnell ins Ohr. Gesungen wird in verschiedenen regionalen Sprachen, die Texte preisen Land und Leute. Eine Salsaversion des Megahits „Em’ma“ – mit Carlos Santanas vertrauten Gitarrensoli – fehlt auch nicht. Für den modernen „Anstrich“ sorgte als Koproduzent der renommierte ivorische Jazzdrummer Paco Séry (ex The Zawinul Syndicate).
Auf dem Höhepunkt ihrer Popularität absolvierten Touré Kunda zum Jahreswechsel 1983/84 eine ausgedehnte Westafrika-Tournee, die sie auch in ihre Heimatstadt Ziguinchor (Hauptstadt der Casamance) führte. Ein Jahr zuvor war der bei einem Auftritt verstorbene älteste Bruder Amadou durch Ousmane Touré ersetzt worden. Das Doppelalbum – nunmehr wiederveröffentlicht – wurde seinerzeit als „eine der besten Live-LPs“ gefeiert.
Roland Schmitt



Nordamerika
 BEN CAPLAN: Old Stock
BEN CAPLAN
Old Stock
(Rhyme & Reason Records), mit engl. Texten u. Infos


Kaum ein Album passt besser in diese Zeit als das furiose neue Werk des kanadischen Folkmusikers. Der aus Halifax stammende Songwriter beschreibt mit einer großen Prise Humor die traurige, sich täglich vor unseren Augen abspielende Reise von Flüchtlingen in ein neues Land. Die Lieder im Stile jüdischer und osteuropäischer Traditionen wurden ursprünglich für das Musiktheater Old Stock: A Refugee Love Story komponiert. Das Stück, in dem Caplan die Hauptrolle spielte, erzählt die wahre Geschichte zweier jüdischer Flüchtlinge aus Rumänien, die 1908 nach Kanada auswanderten. Nach herausragenden Kritiken hat Caplan aus der Musik nun ein Konzertprogramm zusammengestellt. Mit seiner ausdruckstarken Baritonstimme singt der Mann mit dem Rauschebart über Ungerechtigkeit, Leid, Verlust, Liebe, Sexualität und die Suche der Flüchtlinge nach Wahrheit. Begleitet wird er dabei kraftvoll und einfühlsam von Violine, Piano, Akkordeon, Orgel, Klarinette, Schlagzeug und Gitarre. Im Sinne des Albumtitels „Alter Bestand“ will er daran erinnern, dass die Gründergeneration Kanadas selbst Fremde waren und die reiche Nation den Flüchtlingen heute mit mehr Empathie begegnen müsste. Allein deshalb sollten die unter die Haut gehenden Songs unbedingt auch in Europa Gehör finden.
Erik Prochnow
 NEKO CASE: Hell-On
NEKO CASE
Hell-On
(Anti-Records), mit engl. Texten u. Infos


Fünf Jahre nach der letzten Soloplatte liefert Case uns in ihrem gekonnt emotionalen, varianten- und bruchreichen Stil zwischen Folk und subtilem Punkrock einen besonders intensiven Flirt mit Katastrophe, Auslöschung und Ausbeutung. Mit Sätzen zwischen harter Realität und poetischen Bildern umkreist sie allgemeine wie persönliche Zustände und Krisen („Hell On“, „Bad Luck“), ohne jemals zu jammern. Bei ihr hat alles Energie, führt zu Neuem. Ein Unglück, welches sie während der Aufnahmen in Schweden ereilte, schlägt sich nieder (sie erfährt, dass ihr Haus in Kanada abgebrannt ist). Wie in den Texten macht sich das auch in der Covergestaltung (Fotos Marke Eigenbau) bemerkbar. Sie trägt eine Krone aus Zigaretten, ihr Haar brennt. Beteiligt an fast allen Stücken sind viele Kolleg/innen, wie K. D. Lang, Beth Ditto und Laura Veirs oder Langzeitkooperateure wie Kelly Hogan und Mark Lanegan sowie Joey Burns an diversen Instrumenten. Neben den meist dramatischen Klängen hebt sich der Song „Winnie“ in seiner romantischen Art mit Piano und Backgroundgesang ab.
Imke Staats

 CASSIE AND MAGGIE: The Willow Collection
CASSIE AND MAGGIE
The Willow Collection
(Eigenverlag)


Fiddle und Gitarre, viel mehr brauchten die Schwestern Cassie und Maggie aus der kanadischen Provinz Nova Scotia bislang eigentlich nicht. Das kann auch das Publikum des diesjährigen Irish Spring Festivals bestätigen. Ihr Material kommt dem Namen ihrer Provinz entsprechend häufig aus Schottland, aber auch Irland und England, nicht zu vergessen die spannenden Umwege über Bluegrass oder die Appalachian Music. Vorliegende CD ist jedoch etwas Besonderes, denn neun der elf Tracks sind diesmal Songs, die alle ein Thema haben, nämlich den in der traditionellen Musik sehr populären Weidenbaum. Gut recherchiert (da werden die bekannten „Salley Gardens“ in ihrer Version auch mal zu „Down In The Willow Garden“), aber noch besser gesungen. Weil den meisten Stücken ein ansteckender Stampfrhythmus innewohnt, ist die gute Festivallaune schon fast vorprogrammiert. Klingt durchaus modern, und dennoch nimmt man den Schwestern MacDonald die Liebe zur Tradition ohne Widerspruch ab. Das sympathische, komplett recyclebare Cover tut ein Übriges. Großartig!
Mike Kamp
 ELLA JOHN : Games & Borders
ELLA JOHN 
Games & Borders
(Eigenverlag), mit engl. Texten


Seit ihrem letztjährigen Debüt mit dem Minialbum Concert Next Door haben sich Magdalena und Aaron Jacob bei Games & Borders instrumental nicht unbedingt verändert. Alles rankt sich um die beiden – hauptsächlich akustischen – Gitarren, die sie spielen, doch klingt dieses Album verfeinert und stärker durchdacht. Die Songs sind getragen, balladesk und bauen eine starke Stimmung auf. Über allem schwebt der Gesang von Magdalena Jacob, der mehr einem Lautieren gleicht, das sich langsam über die Akkorde hinwegrollt. Die Songs sind reich an Atmosphäre, mit Texten, die introspektiv-entrückt vom Selbst und dessen Abgründen erzählen. Ursprünglich war Ella John ein Soloprojekt der Sängerin, was auf der ersten Veröffentlichung noch zu spüren war, doch mittlerweile haben sich Gesang, Komposition und die Arrangements aufeinander eingespielt und klingen wie aus einem Guss. Die beiden schildern sich als Reisende, die von Ort zu Ort, von Geschichte zu Geschichte treiben, und es steht die Frage im Raum, wohin sie sich noch entwickeln werden? Games & Borders regt zum Träumen an.
Michael Freerix

 Los Texmaniacs: Cruzando Borders
Los Texmaniacs
Cruzando Borders
(Smithsonian Folkways), mit engl. u. span. Texten u. Infos


Wer Tex-Mex-Musik in ihrer urtümlichen Art (ohne E-Gitarre) und wilde Akkordeonpolkas mag, ist hier goldrichtig. Los Texmaniacs bringen es auf den Punkt, was die amerikanisch-mexikanische Grenze trennen will. Hier existiert eine kulturelle Einheit. Entsprechend findet man neben der mexikanischen Conjunto Musik auch Songs von Woody Guthrie – wie sein „Deportee“ oder „Across The Borderline“, das schon Ry Cooder bekannt machte. Bandleader und Bajo-Sexto-Spieler Max Baca war vorher Mitglied bei den legendären Texas Tornados, bei denen mit Doug Sahm und Flaco Jiménez die Urväter der Tex-Mex-Musik spielten. 1997 gründete Baca die Texmaniacs, die nach dem Tod Doug Sahms die Tradition der Tornados fortsetzten. Neben der packenden Tanzmucke hat dieses Album aber auch eine deutliche politische Botschaft. Akkordeonspieler Josh Baca meint dazu, dass es ohne Immigranten gar keine amerikanische Musik geben würde. Er beobachtet aber in der mexikanisch-stämmigen Jugend Amerikas, dass das Bewusstsein des Beitrags mexikanischer Immigranten zur amerikanischen Kultur verloren gehe. Daher müsse seine Band zeigen, dass die mexikanische Musik schon länger in den USA ist, als die Grenzschließer es wahrhaben wollen.
Hans-Jürgen Lenhart
 WYNTON MARSALIS SEPTET: United We Swing – Best Of The Jazz At Lincoln Center Galas
WYNTON MARSALIS SEPTET
United We Swing – Best Of The Jazz At Lincoln Center Galas
(Blue Engine Records), mit Infos


Das Jazz At Lincoln Center ist eine Organisation, die am Sitz in Manhattan ein Gebäude mit Konzertsälen, Aufnahmestudios etc. unterhält. Ziel der Organisation ist es, den zeitgenössischen Jazz „erlebbar und erfühlbar“ zu machen, indem viele der dort angebotenen Konzerte und Workshops kostenfrei oder zumindest kostengünstig angeboten werden. Künstlerischer Leiter des Centers ist der weltbekannte Jazztrompeter Wynton Marsalis. Einmal im Jahr gibt es dann auch ein Konzert des Wynton Marsalis Septet, dessen Erlös in das Bildungsprogramm einfließt. Eingeladen ist jeweils ein „Stargast“ aus dem Bereich Jazz, Blues oder Rock. Diese CD stellt einige Konzertausschnitte aus den Jahren 2003 bis 2007 vor, und die hier dargebotene musikalische Qualität ist dann auch mehr als beeindruckend. Das musikalische Spektrum reicht von der A-Cappella-Gruppe der Blind Boys of Alabama über den (Blues?-)Gitarristen Eric Clapton bis zur fantastischen Sängerin Natalie Merchant. Das Genre Countrymusik ist mit Willie Nelson und Lyle Lovett ebenso vertreten wie der Rock mit Lenny Kravitz oder der Jazz- und Bluesgesang mit Carrie Smith – und das alles begleitet von einigen der besten zeitgenössischen Jazzmusiker.
Achim Hennes

 FLAV MARTIN & JERRY MAROTTA : Soul Redemption
FLAV MARTIN & JERRY MAROTTA 
Soul Redemption
(Eigenverlag), mit engl. Texten


Interessant, was für einen exponierten Status der ehemalige Peter-Gabriel-Trommler Jerry Marotta mittlerweile hat. Tatsächlich hat wohl seine rhythmische Arbeit einen wesentlichen Anteil an Gabriels Sound gehabt, doch weist ihn die Liste seiner Brotgeber mit Ani DiFranco, Carly Simon, Rory Block oder den Indigo Girls als versierten Handwerker aus, der sich gerne ganz und gar in den Dienst eines Musikers stellt. Auf Soul Redemption ist es der Songschreiber Flav Martin, der bereits um die dreißig Jahre in der Musikindustrie unterwegs ist, doch eher bescheidenen Erfolg vorweisen kann. Was schade ist, verfügt seine Musik doch über Qualitäten, die ein größeres Publikum ansprechen sollten. Balladen vor allem, aber eben mit einem gewissen Schwung. Überdies wird supersauber gespielt, die Arrangements sind vielseitig und abwechslungsreich und liegen trotzdem im Flow der Songs. Sogar ein ganz adäquater Sänger ist Martin. Musik für lauschige Sommerabende bei lauem Windspiel.
Michael Freerix
 MEAN MARY : Blazing
MEAN MARY
Blazing
(Woodrock Records), mit engl. Infos


Mary und Frank James haben hier den Soundtrack zu ihrem Buch Hell Is Naked produziert. Dies sind Popsongs mit akustischem Instrumentarium im – wie man heute zu so einigem ja sagt – Singer/Songwriter-Stil. Das Problem ist, dass es Bands wie diese wie Sand am Meer gibt. Sobald jemand also ein paar Lagerfeuergriffe auf der Gitarre oder gar dem Banjo kann – am besten als Arpeggios zerlegt, damit es interessant klingt – und mit bedeutungsvoller Stimme die großen Themen des Lebens besingt, regnet es Beifall. Die Zutaten sind einfach, was nicht bedeutet, dass gute Musik immer kompliziert sein muss. Aber der unbedingte Wille, eine Botschaft zu transportieren, sollte schon erkennbar sein, egal wie banal diese auch sein mag. Blazing plätschert dahin. Mal bedeutungsvoll, mal zaghaft-rockig, dann wieder harmlos einfühlsam. Und der interessante Punkt daran ist, dass das offenbar auch Leuten aus Alabama passiert und nicht nur den etwas biederen und weitgehend groovefreien deutschen Sänger/Songschreibern. Am feurigsten ist bei Blazing das Cover. Es erinnert etwas an das einer Bedienungsanleitung für einen edlen Grill. Vielleicht ist das Buch ja großartig.
Ferdinand Kraemer

 PETER V BLUES TRAIN: Running Out Of Time
PETER V BLUES TRAIN
Running Out Of Time
(Eigenverlag)


Das Foto auf dem Albumcover zeigt vier Herren, die in einem offenen amerikanischen Wagen cruisend die Fahrt genießen. Ein schönes Bild für das, was einen hier musikalisch erwartet: Entspannt, laid back, mit viel Ruhe und Kraft fließen Blues, Swing und Funk der Band dahin. Peter Veteska ist Kopf, Gitarrist und Sänger und bringt mit seiner Interpretation des „Worried Live Blues“ zum Ausdruck, dass exakte Metrik das eine, „Flow“ und „Groove“ aber die eigentlich unverzichtbaren Bestandteile eines guten Songs sind. Sehr gut gelungen ist auch das Instrumental „Time To Collect“. Jazz und Funk gehen hier Hand in Hand, verstärkt wird die Band um das von Danny Walsh gespielte Saxofon. Tolle Breaks und solistische Wechsel mit Peter Vs Gitarre und Aron Louis Gornishs Keyboard sorgen für Abwechslung. „Freedom“ zeigt mustergültig, wie ein Slow Blues gespielt wird: Wenige, lange Töne, schön gespielte Akkorde, ein gleichmäßig pulsierender Beat, ein sich langsam „durch die Lagen“ aufbauendes Gitarrensolo. Für das Bonnie-Raitt-Cover „Love Me Like A Man“ kommen dann zwei weitere Gäste hinzu. Die Sängerin Kelley Dewket und der Harpspieler Gary Neuwirth werden hier von Peter V an der akustischen Gitarre begleitet.
Achim Hennes
 WESTERN CENTURIES: Songs From The Deluge
WESTERN CENTURIES
Songs From The Deluge
(Free Dirt Records), mit engl. Texten


Wer sich heute mit Countrymusik befasst, gewinnt den Eindruck, dass der Mainstream alles mit sich gerissen hat. Doch nicht sämtliche Bands mögen beim großen Glattbügeln dabei sein. Zu dieser Kategorie gehört das Quintett Western Centuries, dem gleich drei Songwriter Charakter verleihen – durch ihre Stücke und ihren Gesang. Liegt ja nahe, dass derjenige singt, derʼs auch geschrieben hat. Also prägen Ethan Lawton, Cahalen Morrison und Jim Miller zu je einem Drittel das Album, auch was die Zahl der Liedbeiträge angeht. Wer jetzt meint, das Album würde deswegen in drei Teile zerfallen, sieht sich getäuscht. Alles passt organisch zusammen. Zu den drei Multiinstrumentalisten kommen Nokosee Fields am Kontrabass und Leo Grassl an der Pedal Steel. Gemeinsam bilden sie eine raue Truppe mit Ecken und Kanten sowie urbanem Einschlag. Morrison und Lawton kommen aus Seattle, Miller aus New York. Aufgenommen wurde von Grammy-Preisträger Joel Savoy in einem Studio in Louisiana. Und so taucht in zwei Songs auch mal ein Cajun-Akkordeon auf. Stilistisch vielfältig, gesanglich vorn und textlich voller Geschichten und Lebenserfahrung: Western Centuries haben eine Platte zum Durchhören vorgelegt.
Volker Dick

Karibik
 Orlando „Cachaito“ López: Cachaito
Orlando „Cachaito“ López
Cachaito
(World Circuit Records), LP, engl. Booklet, Download-Code


Die originalen Musiker des Buena Vista Social Club (BVSC) sind weitgehend verstorben. Bevor die für weltmusikalische Verhältnisse phänomenale Einnahmequelle endgültig zu versiegen droht, versucht sich deren Label an Wiederveröffentlichungen der damaligen Sessions. Von all diesen ist diejenige des BVSC-Bassisten Cachaito Lopéz es am ehesten wert, neu als 180g-Vinyl-LP herausgebracht zu werden. Sein 2001 aufgenommenes Album ragte als einziges im BVSC durch ein zukunftsweisendes Konzept heraus und lockte damit auch Hörer an, die das Son-Revival irgendwann zu modisch fanden. Die Stücke grooven unaufgeregt, aber dennoch packend vor sich hin. Cachaitos Bass und gleich vier Percussionisten bestimmen den Sound. In „Tumbaio No 5“ zeigt Cachaito seine Verehrung für Charles Mingus. Der experimentierfreudige, 2006 verstorbene Percussionist Miguel Angá Díaz liefert sich hier Duette mit Cachaito und Rafael „Jimmy“ Jenks spielt dazu einen inspirierten Saxofonpart. Doch bevor das Ganze zu sehr in Jazz abdriftet, sind im Album unerwartete Dub-Delays zu hören oder es wird gescratcht und gesampelt. Fast schon psychedelisch mit Hammondorgel und E-Gitarre klingt „Anais“. Insgesamt die ungewöhnlichste BVSC-Scheibe.
Hans-Jürgen Lenhart
 HAROLD LÓPEZ-NUSSA: Un Día Cualquiera
HAROLD LÓPEZ-NUSSA
Un Día Cualquiera
(Mack Avenue Records)


Der Pianist aus Havanna gehört mit seinem superben, facettenreichen Spiel aus Folker-Warte streng genommen eher in die Jazzecke. Doch kommt man mit derartigen westlichen Kategorisierungen just in der Musik Kubas oft nicht weit. Die Jazzer der Szene, mit dem Pianisten Chucho Valdés als einer Art Übervater, begeben sich ebenso in andere Populärmusikgefilde und in die Klassik. Von dort aus startete auch der solide ausgebildete 35-jährige mit dem in Kuba so klingenden Nachnamen. Der steht für eine Musikerdynastie reich an exzellenten und prominenten Instrumentalisten. Sein jüngster Bruder etwa ist Schlagzeuger und Percussionist in dem Trio, mit dem der Habanero gerade sein siebtes eigenes Album aufnahm. Die neun Eigenkompositionen und zwei Adaptionen von Klassikern des großen Landsmannes Ernesto Lecuona zeugen von Kreativität, vom Wissen um die eigene Tradition und die universale Sprache des Jazz. Ähnlich geschmeidig zwischen alten und modernen Musikwelten pendelnd, u. a. gut mit kubanischer Musik vertraut, ist der Brasilianer Swami Jr., der wie López-Nussa u. a. mit Omara Portuondo arbeitete. So wie für die Sängerin stand er nun auch für den jungen Kollegen am Studiopult.
Katrin Wilke