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Ausgabe 3/2018


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 PETER AUTSCHBACH & RALF ILLENBERGER: Zero Gravity
PETER AUTSCHBACH & RALF ILLENBERGER
Zero Gravity
autschbach-illenberger.de
(Timezone Records/Timezone)
8 Tracks, 41:24


Was 2012 (No Boundaries, Ears Love Music) als Hommage an das legendäre Kolbe-Illenberger-Duo begann, hat mittlerweile ein munteres Eigenleben entwickelt, und so ist Autschbach-Illenberger heute ein modernes Gitarrenduo mit eigener Klangfarbe und Sprache. Peter Autschbach hat sich einen Namen als Jazzgitarrist gemacht, hat Lehrbücher geschrieben, leitet Workshops und widmet sich erfreulicherweise zunehmend der akustischen Gitarre. Jazzvokabular sucht man auf dieser Veröffentlichung vergeblich. Es dominieren feine harmonische Schönheiten, die den Hörer fast automatisch in einen Schwebezustand versetzen. Große, weite Landschaften entstehen vor dem inneren Auge, möglicherweise inspiriert durch Sedona, Arizona, wo Ralf Illenberger seit vielen Jahren beheimatet ist. Die fruchtbare transatlantische Zusammenarbeit besticht durch lückenlos verzahnte Harmonieflächen, weitschwingende melodische Bögen und das völlige Fehlen solistischer Egomanien. So ist kaum auszumachen, wer hier was macht. Das dritte Album des Duos vermittelt eine Leichtigkeit, die dem Titel des Albums mehr als gerecht wird.
Rolf Beydemüller
 CARA: Live
CARA
Live
cara-music.com
(Artes-Records)
13 Tracks, 73:52 , mit Fotos, engl. Infos u. Texten


Was ist das Besondere an einem Livealbum im Vergleich zu einem, das im Studio aufgenommenen wurde? Es sind vor allen Dingen die Aufnahmebedingungen während eines Konzertes, was bedeutet, dass die Musiker wirklich zusammenspielen, während im Studio häufig jeder einzeln aufgenommen wird und die einzelnen Stimmen dann zu einem Bandsound zusammengemischt werden. Man hört zudem den besonderen, im Vergleich zum Studio typischen Klang des Raumes heraus, das eine oder andre „Hep!“ eines Musikers und den Applaus am Ende jedes Stückes. Hier fehlen allerdings Ansagen oder witzige Anmerkungen. Davon abgesehen hat man mit diesem Album erstklassige irische traditionelle und Folkmusik von einer der besten deutschen Irish-Folk-Bands, beginnend mit der im Artikel über Cara im Folker 2/2018 erwähnten Air „There Will Be Fog“, und im Folgenden eine Zusammenstellung schöner Lieder und Instrumentals aus verschiedenen Konzerten. Neue Stücke sind es also nicht, aber die Band liefert eine gelungene Kompilation zu ihrem fünfzehnjährigen Jubiläum.
Michael A. Schmiedel

 GREGOR HILDEN ORGAN TRIO: First Take
GREGOR HILDEN ORGAN TRIO
First Take
gregorhilden.de
(Acoustic Music Records 319.1585.2/Rough Trade)
12 Tracks, 73:23


Gregor Hilden, Gitarrist aus Münster, hatte die Idee zu diesem Format. Gemeinsam mit Wolfgang Roggenkamp an der Orgel und dem Schlagzeuger Dirk Brand war das Trio komplett. Alle drei spielen hier auf erlesenen Vintage-Instrumenten. Im Fall des Gitarristen Hilden sind das edle Gitarren der Marke Gibson aus den Fünfziger- und Sechzigerjahren. Dirk Brand trommelt an ebenso kleinem wie feinem Besteck; Wolfgang Roggenkamp bedient eine Hammondorgel aus dem Jahr 1938 mit angeschlossenem Leslie-Cabinet. Gleichzeitig sorgt er durch Bedienung der Fußpedale auch für die Bassbegleitung. Was musikalisch geschieht, wenn ausgewiesene Könner und Klangästheten zu Werke gehen, ist hier eindrucksvoll bewiesen. Schön, mit viel Wärme und Volumen, so klingt es. Hildens Gitarrenspiel ist wunderbar phrasiert, immer absolut „laid back“, mit viel Raum und Luft. Jeder Ton ist handgeformt und wie gemalt. Herrlich wummert dazu Roggenkamps Orgel, dennoch sind die Töne akzentuiert und nicht verwaschen, und tolle Bassläufe (mit den Füßen!) gibt es inklusive. Dirk Brand gibt dazu das treibende, manchmal etwas vorauseilende Element, und alles fügt sich ganz wunderbar zusammen – eine musikalische Wohltat!
Achim Hennes
 TIM „DOC FRITZ“ LIEBERT: Überlandfahrt
TIM „DOC FRITZ“ LIEBERT
Überlandfahrt
docfritz.de
(Prosodia)
11 Tracks, 51:49 , Texte


In Bewegung sein, unterwegs sein, reisen, das ist das große Thema beim Thüringer Folkmusiker Tim Liebert alias Doc Fritz. Er hat schon in vielen Folkgruppen mitgewirkt, hier gönnt er sich ein Soloprojekt mit Liedern, die sich über die Jahre so angesammelt haben. Es ist ein vielfältiges Album geworden, mit Geschichten vom Treibenlassen, der Elbe, vom Bahnhof in Tanna, einer Zugfahrt nach Brašov in Siebenbürgen und der Vorbereitung auf die letzte große Reise, die wir alle antreten müssen. Abschiede verschiedener Art und Gedanken aus der Ferne gehören natürlich ebenfalls zum Reisen. Eine Thüringer Waldzither und die Mundharmonika begleiten ihn auf diesen Fahrten sowie eine Gruppe von Musikerinnen – zum Beispiel seine Töchter – und Musikern, mit denen er auch schon bei anderen Projekten zusammengespielt hat. So vielfältig seine Umtriebigkeit auf dem Album ist, so vielschichtig ist auch die Musik. Schlichte, reduzierte, melancholische Songs, mitreißende Rhythmen, bei denen man das Tempo der Eisenbahn erlebt, und irische und andere wilde Klänge sind zu hören. Ein Album, das Lust an der Entdeckung und der Neugier vermittelt und Freude beim Hören macht.
Rainer Katlewski

 WOLFGANG MÜLLER: Die sicherste Art zu Reisen
WOLFGANG MÜLLER
Die sicherste Art zu Reisen
mueller-musik.de
(Fressmann/Indigo)
11 Tracks, 33:46


Gut, dass Wolfgang Müller sich hat überzeugen lassen. Nach fünf Alben, ein paar Kinderliedern und Beiträgen auf Samplern war er, eine Eminenz unter den aktuellen Hamburger Liedermachern – erstmal – mit allem durch, und man hörte nichts. Doch sein Freund, der Gitarrist Dinesh Ketelsen, bekannt von den Hamburger Formationen The Jeremy Days und Nationalgalerie, riet ihm, weiterzumachen, aber anders. Und zwar größer. Zu Müllers Stimme, angenehm leicht heiser und kratzig, und intimer Gitarre gibt es nun Klavier, Streicher, Querflöten, Saxofon, Orgeln und Chor. Trotz der orchestralen Ausweitung wirkt nichts aufgesetzt, sondern rund, heiter und intelligent mit originell platzierten Instrumenten. Die Texte zeugen – wie schon vorher – von einer empathischen Haltung der Welt gegenüber, in der Müller vieles sieht und Allgemeinplätze vermeidet. Gleichzeitig bieten sie durch poetische Freiräume genug Platz für eigene Deutungen – und Überraschungen. Im Titelsong entwirft er eine Lebenshaltung und vergleicht sie mit einem „Schwarzer-Block-Schlager“. Oder singt in „Brachland“: „… auf einmal merkst du: Elefant reimt sich auf elegant.“
Imke Staats
 PINHAN TRIO: Hidden Songs Of Anatolia
PINHAN TRIO
Hidden Songs Of Anatolia
facebook.com/pinhantri
(Seyir Muzik Records 2GN004/Galileo)
10 Tracks, 42:39 , mit türk. Texten, engl. Übers. u. engl. Infos


Das muss man erst einmal fertigbringen, fünf Jahre bei einem Meister zu wohnen, nahezu besitzlos, für ihn einzukaufen und zu kochen, nur um ihm die Geheimnisse seines Instruments zu entlocken. Das klingt vielleicht nach passionierten Indern und ihrem Ustad, doch die, von denen hier die Rede ist, sind zwei Deutsche aus Osnabrück. Der Lehrer ist der Türke Talip Özkan, das Instrument die Langhalslaute Bağlama und der Ort des Geschehens Paris. Inzwischen haben Malte und Benjamin Stueck allerdings eine Schule für anatolische Musik in Hamburg eröffnet und zusammen mit Maltes Frau Nilgün Aksoy dieses feine Album eingespielt. Auf dem intonieren sie ernsthaft, authentisch und abwechslungsreich Melodien aus den verschiedenen Teilen Anatoliens sowie aus Thrakien und Aserbaidschan. Gastauftritte haben Ertan Tekin (Duduk), der umtriebige und äußerst kreative Oğur Önür (Kemane), Emre Gültekin (Tanbur) sowie der Vater der Stueck-Brüder, Ernst Poets (Klavier). Ob sich der Wunsch der Musiker erfüllt, mit dem Werk viele Menschen für die anatolische Musik zu begeistern, ist nicht ausgemacht. Doch diejenigen, die sie bereits lieben, fühlen sich in ihrer Liebe sicher bestätigt.
Ines Körver

 STARING GIRL: In einem Bild
STARING GIRL
In einem Bild
staring-girl.de
(Kombüse)
12 Tracks, 54:01


Zuerst ein bisschen Stimmung, Melodie und Rhythmus, gern leicht melancholisch. Dann erzählt Stefan Nibbes Stimme beiläufig von alltäglichen Gefühlen und Beobachtungen, die man so macht, die jeder kennt in der Stadt, Leute auf der Straße, der Blick vom eigenen Balkon, im eigenen Badezimmer, wo noch die gemeinsame Zahnbürste steht, „allein im Zahnputzbecher und spricht von Zweisamkeit“ (in „Viertel vor Nichts“). Dann setzen die zum Teil ungewöhnlichen Instrumente nach (zum Beispiel Vibrafon, Klarinette, Flügelhorn, Posaunen) und machen den Alltag zum emotionalen Erlebnis. Doch wie Nibbes Stimme, die meist auf einem Level verharrt, bleibt es norddeutsch maßvoll, eher beobachtend und nachdenklich als pathetisch überwältigend. Eine bewegt-ruhige Platte. Der Sound changiert zwischen etabliertem alternativem Songwritertum, Americana und Rock. Die Fünf-Mann-Band aus dem Dunstkreis von Gisbert zu Knyphausen nahm In einem Bild über Jahre auf, zum Teil in einem nordfriesischen Dorf, mit vielen Gästen. Herausgekommen ist ihre erste Platte nach vier Jahren Pause bei Kombüse, dem Label der Hamburger Küchensessions, welche seit Jahren Singer/Songwriter in kleinen Musikvideos im Netz präsentieren.
Imke Staats
 THOMAS STRAUCH : Unten auf dem Gerstenberg
THOMAS STRAUCH
Unten auf dem Gerstenberg
thomasstrauch.com
(Eigenverlag)
13 Tracks, 41:58 , mit Texten


Als Liedermacher kann man wirklich nichts Neues mehr erfinden, oder? Irrtum. Ein Künstler wie Thomas Strauch ist vermutlich ohne Vergleich. Die Art des Gesangs – Reinhard Mey? Nein, Hannes Wader, nein, Grebe, nein, auch nicht. Thomas Strauch klingt nach Thomas Strauch, nach sonst niemandem. Was für die Klangfarbe gilt, gilt ebenso für die Songs. Ist das nicht ähnlich wie Schobert und Black? Nein, eher Stoppok, oder? Da klingt doch Ougenweide durch. Nein, irgendwie ist es doch Thomas Strauch und sonst nichts. Die musikalische Besetzung mit Mandoline und Dudelsack hat dementsprechend konsequent keinerlei keltische Elemente und klingt eher nach guter alter ostdeutscher Folklore. Die Balladen berühren Wiegenlieder und Pfadfinderliedgut. Sogar die Instrumentals klingen nach Liedermacher. Strauch versucht auch nicht, künstlich originell zu sein. Unten auf dem Gerstenberg hätte so, wie es ist, auch in den Siebzigern veröffentlicht werden können – oder eben heute, denn das Album klingt durchgängig zeitgemäß. Ein reinrassiges Liedermacheralbum mit neuen Impulsen? Hier. Man kann dem Künstler gar nicht genug danken dafür.
Chris Elstrodt

 TOKUNBO: The Swan
TOKUNBO
The Swan
tokunbo.de
(Yoruba Girl Record TO-005/Soulfood)
11 Tracks, 45:14 , mit Texten


Warum wir beim Eurovision Song Contest seit Jahren Mittelmaß ins Rennen schicken, bleibt wohl ein ewiges (kommerzielles) Geheimnis. Dabei ist es gar nicht so schwer, große Künstler in diesem Land zu finden, Tokunbo zum Beispiel. Die ersten Gehversuche unternahm die Sängerin als Teil der Soultruppe Tok Tok Tok. Dem Acoustic Soul ist Tokunbo auch auf ihrem zweiten Soloalbum The Swan treu geblieben. Bereits der Opener begibt sich in gute Nachbarschaft zu Bands wie Friend N Fellow. Die ersten Klänge eines akzentuierten Gitarrenspiels bauen eine Spannung auf, die durch die warme Klangfarbe der Künstlerin aufgelöst wird. Im weiteren Verlauf des Albums steigt der Serotoninpegel des Hörers stetig. Jede einzelne Komposition wurde sorgfältig geschliffen und behutsam in Szene gesetzt, wie man es mit Edelsteinen macht. Alles an diesem Album ist pure Schönheit – die Stimme der Sängerin, die Texte, die filigranen Kompositionen, die überragende Tonqualität und das perfekte Zusammenspiel der Musiker. Der Fokus liegt dabei weniger auf der Produktion exponierter Hitsingles als vielmehr auf einem abgestimmten Hörerlebnis des ganzen Albums. Dadurch wird The Swan zu einem Werk, das man mehrfach vollständig genießt, das das Vertraute vertieft und bei dem man jedes Mal Neues entdeckt.
Chris Elstrodt
 WENDRSONN: Ondrwägs live
WENDRSONN
Ondrwägs live
wendrsonn.de
(Brother Records)
16 Tracks, 78:58 , mit Fotos u. dt. Infos


Und noch ein Livealbum, das sich denselben Fragen stellen muss wie das von Cara weiter vorne. Und auch hier die gleichen Antworten: Zusammenspiel der Musiker, Raumklang der Halle, Applaus des Publikums und zusätzlich die eine oder andere Anmoderation eines Stückes, wenn auch nicht durchgängig. Der Mitschnitt beginnt nicht wie das im Artikel über Wendrsonn im Folker 2/2017 erwähnte Konzert mit „Dorfdisco“, sondern wie das Album Geile Zeit (siehe Rezension in Folker 2/2016) mit „Honey“. Hier gibt es ein paar neue Stücke, aber leider auch keine Texte im Beiheft, dafür eine Menge Bandfotos. Es ist vielleicht in erster Linie ein Album für die, die schon Fans dieser schwäbischen Mundart-Rock-Country-Blues-Folk-Band sind und die Stimmung eines Konzertes ein wenig nachempfinden wollen. Wer sich mit den interessanten, oft lustigen, oft auch nachdenklichen Texten auseinandersetzen will, greife lieber zu den Studioaufnahmen. Wie auch bei Cara bietet das Erlebnis eines Konzertes mit lebenden Musikern vor sich auf der Bühne den höchsten Musikgenuss, den Livealben zwar widerspiegeln, aber nie erreichen. Auf jeden Fall macht diese Scheibe Lust auf das nächste Konzert von Wendrsonn und somit gute Werbung.
Michael A. Schmiedel