Rezensionen der Ausgabe 2/2018
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KARI BREMNES Det Vi Har karibremnes.no (Indigo CD15132-2) 11 Tracks, 46:54 , mit norw. u. dt. Texten
Kari Bremnes nun wieder auf Norwegisch, überzeugender und offenbar überzeugter und sicherer als bei ihren Ausflügen ins Englische, das hören wir aus ihrer souveränen Stimmbeherrschung. Alle Lieder dieses Albums stammen von ihr (oder ihren musikalischen Familienmitgliedern). Der Tonfall ist zumeist getragen, ein bisschen melancholisch oft, auch bei spöttischen oder witzigen Texten, zum Beispiel über Nachbarn mit Blockwartambitionen, deren Lebensmotto „Ordnung muss sein“ lautet. Das rhythmische Trommeln von Børre Flyen im Hintergrund sorgt für eine Art hypnotischen Effekt. Das Album und die Melodien gehen noch tagelang nicht aus dem Kopf. Bremnes' Talente als Liederschreiberin zeigen sich besonders deutlich beim ersten, einem Gedicht der polnischen Literaturnobelpreisträgerin Wislawa Szymborska nachempfundenen Lied, „Det Kunne Skjedd“, über Dinge, die nicht haben sein sollen. Befremdlich allerdings die im Beiheft abgedruckten deutschen Übersetzungen, die so ganz ohne Sprachgefühl entstanden zu sein scheinen, anders als bei früheren Alben, wo die Übersetzungen sich so mit dem Originaltext messen konnten wie Bremnes' Version sich mit dem von Wislawa Szymborska. Gabriele Haefs
| DAGADANA Meridian 68 dagadana.pl (Jaro, 4339-2) 11 Tracks, 52,35 , mit engl. Texten u. Infos
Sie gelten zu Recht als innovative, erfrischende Elemente in der Weltmusikszene. Mit ihrer Offenheit für Musikstile und Kulturen zeigen Dagadana seit 2008, dass traditionelle Folkmusik modern und zeitlos sein kann. Treibende Kraft der preisgekrönten vierköpfigen Formation sind Daga Gregorowicz aus Polen und Dana Vynnytska aus der Ukraine. Auch auf ihrem dritten Album verwandeln die beiden studierten Musikerinnen traditionelle polnische und ukrainische Folksongs über das Leben auf dem Land, die Armut, Liebe und das Sterben – wie die Hymne der Maidan-Demonstranten, „A Duckling Swims Along The Tysa“ – durch Elektronik, Jazzstrukturen und zeitgenössische Rhythmikarrangements in ganz neue Klangkunstwerke. Unterstützt werden sie dabei vom Violinisten und Bassisten Mikolaj Pospieszalski sowie dem Schlagzeuger Bartosz Mikolaj Nazaruk, beide ebenfalls aus Polen. Durch mehrere Reisen nach China sind die beiden Bandleaderinnen tief in die für sie unbekannte asiatische Musiktradition eingetaucht. Ihre Faszination für die chinesische Kultur prägt ihre Arrangements, ihren Gesang und die Instrumentation auf Meridian 68. So setzen der chinesische Cellist Aiys Songs sowie der Mongole Hassibagen mit seinem Kehlkopfgesang und seinem Spiel der Pferdekopfgeige bedeutende Akzente. Erik Prochnow
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DARLING WEST While I Was Asleep darlingwest.no (Jansen Records Jansen097CD/Membran) 10 Tracks, 37:01 , mit engl. Texten
Sie haben in den USA Anerkennung gefunden, etwa als Support für Lucinda Williams. Musikalisch fühlen sich Mari Sandvær Kreken, Tor Egil Kreken und Kjetil Steensnæs offenbar zu Hause in poppigem Country, Folkrock und Old-Time. Ihre Heimat Norwegen spielt da musikalisch kaum eine Rolle – es sei denn, die in sphärischen Hall gehüllte Stimme von Mari ginge als Hommage an die norwegische Natur durch. Textlich zumindest bleibt Platz für eine Geschichte aus dem achtzehnten Jahrhundert über den Gesetzlosen Eivind Fredlaus. Ansonsten drehen sich die Songs weniger um Outlaws als vielmehr um die ewigen Themen Liebe, Verlassenwerden, Neuanfangen. Etwa in „Rolling On“, wo es darum geht weiterzumachen, trotz aller Tiefschläge, „I've got no one to love / But I've got friends to lose.“ Bitter klingt auch die Ballade „Always Around“ nach: Sie und er hören ein Liebeslied, aber er achtet nicht auf die Worte, nur auf die Band. Das Titelstück changiert zwischen psychedelischem Sechzigerjahre-Folk und einem lässigen Countrygroove. Banjo, Pedal Steel, Gitarren und Drums zeichnen die musikalische Landschaft, die zeitweise ein wenig zu malerisch, zu verträumt wirkt. Aber die schönen Melodien entschädigen für manches. Volker Dick
| RICHARD GRAINGER Hard Road To Prospect Hill richard-grainger.com (Klondike Records KCD010) 12 Tracks, 71:23 , mit engl. Texten
Grainger als Urgestein der nordenglischen Folkszene zu bezeichnen, ist mit Sicherheit nicht falsch. Seit etwa vierzig Jahren schreibt der Gitarrist und Sänger aus der Nordseeküstenstadt Whitby seine Songs, und es verwundert nicht, dass nautische Motive ziemlich häufig auftauchen. Ein Singer/Songwriter der alten englischen Folkschule, wo der Text und die zu erzählende Geschichte wichtiger sind als instrumentelle Purzelbäume und die Stimme geradezu zum Zuhören einlädt. Was nicht ausschließt, dass verlässliche Begleiter wie Chris „Parky“ Parkinson (Akkordeon, Melodeon, Mundharmonika, Keyboards) ihre willkommenen musikalischen Farbtupfer setzen. Inhaltliche Themen und die Musik sind oft lokal und bodenständig, und in diesem Zusammenhang arbeitet Grainger ebenfalls an weiteren diversen konzeptionellen Projekten, von denen auch dieses Album profitiert. Es geht neben der immer präsenten See um die Arbeit in den Minen, um die Eisenbahn aus dem Dampfzeitalter, um die Stahlarbeiter oder um das, was letztendlich aus alledem resultiert, den Klimawandel. Es geht mit anderen Worten zumeist einfach um sehr verlässliches Handwerk, und genau so klingt dieses Album. Da weiß man, was man hat. Mike Kamp
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ANGE HARDY Bring Back Home angehardy.com (Story Records STREC1701) 14 Tracks, 51:49 , mit engl. Texten u. Infos
„Folkmusik ist wie Familie. Es geht darum, Musik und Tradition mit anderen zu teilen.“ Wahre Worte auf dem sechsten Studioalbum der Engländerin Hardy. Bei der Folkmusik geht es aber auch um Liebe und nicht zuletzt um die Liebe zu genau dieser Musik. Hardys Album voller eigener Lieder ist dafür ein Paradebeispiel. Alles ist hier mit Liebe gemacht, die Songs, die die Tradition atmen, die musikalische Präsentation, die optische Gestaltung der kompletten CD – nichts, aber auch gar nichts ist hier beliebig, alles ist in sich stimmig und rund. Hardy hat die Songs nicht nur geschrieben, von ihr stammen auch die Arrangements und die Produktion. Selbst ein erfahrener Künstler wie der ehemalige Steeleye-Span-Fiddler Peter Knight ordnet sich diesem kompetenten Regiment unter. Harfe, Gitarre und Whistle sind Hardys Instrumente, hinzu kommen Fiddle, Bass, Percussion, Akkordeon, Flöte und Cello. Sie, die einst in Irland obdachlos auf der Straße lebte, ist die perfekte Geschichtenerzählerin mit Liedern und Themen aus vergangenen Jahrhunderten bis in die Gegenwart, teils mit einfacher und gradliniger Philosophie und (auch politischer) Botschaft, eingebettet in einschmeichelnde, sehr englische Melodien. Keine spektakuläre Musik, aber ein in seiner wohltuenden Selbstverständlichkeit und hohen Qualität beeindruckendes Album – eigentlich eine „Besondere“! Mike Kamp
| MATTHEWS SOUTHERN COMFORT Like A Radio ianmatthews.nl (MIG-Music) Promo-CD, 15 Tracks, 69:46
Wie viel Sinn macht es nach fast fünfzig Jahren, eine Band wiederzubeleben? Nicht als Oldieband, um mit alten Hits noch mal ein wenig Geld zu machen, sondern als ernsthafte Gruppe mit neuen, relevanten Liedern? Bei Ian Matthews Southern Comfort hält sich der Revivalfaktor allerdings in Grenzen, denn einzig Überlebender ist Chef und Namensgeber Ian Matthews, und der hat in den letzten Jahrzehnten nicht geschlafen, wie seine umfangreiche Diskografie beweist. Er suchte sich drei Kollegen, die Gitarre, Piano, Bass und Drums kompetent bedienen können und mit denen er auch die Harmonien zwischen britischem Folkrock und Americana erzeugen kann, seinerzeit eine Art Markenzeichen von Matthews Southern Comfort. Höhepunkt war der Superhit, ihre Interpretation von Joni Mitchells „Woodstock“. Doch, das kann man sich gut anhören, die Lieder machen Sinn und klingen keinesfalls abgestanden. Offensichtlich ist es keine dumme Idee, mit frischen, aber erfahrenen Musikern neue Songs zu interpretieren und dafür auf einen eingeführten Namen zurückzugreifen. Matthews Southern Comfort präsentieren ein sauberes Debüt, und so seltsam das auch klingen mag, nach all den Jahren muss man das wohl ein Debüt nennen. Mike Kamp
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SARAH McQUAID If We Dig Any Deeper It Could Get Dangerous sarahmcquaid.com (Shovel and a Spade Records SAASCD001) 12 Tracks, 45:10 , mit engl. Texten u. Infos
Im Beiheft spricht Produzent Michael Chapman vom Zusammentreffen von Spielern und Perfektionisten oder Planenden und Risikoliebhabern, und es ist nicht schwer zu erraten, wer davon Sarah McQuaid ist. Die in Cornwall lebende Internationalistin (Spanien, Frankreich, USA und Irland sind in dem Mix) präsentiert auch auf ihrem fünften Album ausgesprochen wohldurchdachte Songs und Melodien. Das ist subtile, feinsinnige und ausgetüftelte Arbeit, die durch McQuaids Honigstimme gleichzeitig den Hauch von Unwirklichkeit erhält. Aber Vorsicht, diese strategisch denkende Frau weiß eben auch zu überraschen. So spielt sie auf dem Album erstmals Piano und besonders gerne E-Gitarre (und bekanntlich liegt ihr Gitarrenspiel weit über dem Singer/Songwriter-Durchschnitt). Der angenehme Klang der meisten Lieder verführt dazu, die manchmal schrullig-philosophischen, manchmal sozialkritischen Texte etwas zu überhören, aber dafür gibt es ja das Beiheft. Und sollte der Eindruck entstehen, hier handele es sich um ein Album mit hohem akustischem Wohlfühlfaktor – falsch! Die gängigen Harmonien sind McQuaids Sache nicht. Selbst ein gregorianischer Gesang klingt ein wenig gegen den Strich. Wenn die harte Livearbeiterin demnächst in Ihrer Nähe gastiert: hingehen! Sie kann all das und noch viel mehr auch live. Mike Kamp
| QUADRIGA CONSORT Ships Ahoy! – Songs Of Wind, Water & Tide quadriga-consort.at (Alpha 529) 19 Tracks, 70:21 , mit franz. u. engl. Infos
Ein erklärtes Ensemble für Alte Musik verschreibt sich der Liebe zur See und spielt ein Album mit internationalen Seemannsliedern ein. Was ist das? Songs Of Wind, Water & Tide ist schlichtweg Folk vom Feinsten, lässt man alle Etiketten außer Acht. So sauber gespieltes Instrumentarium war lange nicht mehr zu hören – und wer sollte sich dabei an einer Viola da Gamba stören, an einem Vibrandoneon oder einem Harpsichord. Die Musiker segeln in ihrem virtuellen Boot zwischen den Hebriden, England und Schottland hin und her, umkreisen offenbar besonders gern und ausdauernd Irland und sammeln dabei an musikalischem Beutegut ein, was ihnen gefällt. So landen Reels, Jigs und Airs in den Netzen, aber auch Shantys, die mit ihren oft schönen alten Melodien noch einen besonderen Reiz dadurch erhalten, dass sie nicht aus rauen Kehlen kommen, sondern Nachtigallen gleich klar aus der von Elisabeth Kalplan. Was diese Produktion neben aller vokalen und instrumentalen Virtuosität und der ungewöhnlich abenteuerlichen Titelauswahl jedoch wirklich zu einer besonderen macht, sind die Feinnervigkeit, die Eleganz und die unerhörte Musikalität der Arrangements von Nikolaus Newerkla, der damit klarstellt, welch einen Beitrag die Alte Musik für den modernen Folk geliefert hat. Cathrin Alisch
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REBECKA TÖRNQVIST with JOHAN LINDSTRÖM Home Secretary rebeckatornqvist.se (Moule Records, Moule004CD/Broken Silence) 11 Tracks, 34:06
Björk-Fans aufgepasst, die Konkurrenz aus Schweden veröffentlicht ihr neuestes Album. Die Rede ist von Rebecka Törnqvist, die immerhin seit 1993 respektable Scheiben veröffentlicht. Eher aus Hilflosigkeit wird die Künstlerin als „Jazz-Pop-Sängerin“ bezeichnet. Zugegeben ist der Vergleich mit Björk ähnlich willkürlich, man könnte ebenso Laurie Anderson oder Tori Amos heranziehen. Törnqvist ist schlichtweg eine dieser seltenen Künstlerinnen, die sich über Genregrenzen hinwegsetzen und einen völlig eigenen wie eigenwilligen Sound entwickeln. Das funktioniert auf Home Secretary so gut, dass sie guten Gewissens Stammhörern der verschiedensten Musikfarben empfohlen werden kann. Dem Folkmusiker werden die behutsamen akustischen Arrangements zwischen Harfe und Piano gefallen. Die Kompositionen lassen das Herz des Progressivrock-Hörers à la Peter Gabriel höherschlagen, die Samples passen perfekt auf ein experimentelles Elektronikfestival, zwischendurch ein wenig Pop zwischen Churches und Sally Oldfield und jederzeit Neugier auf den nächsten Track. Die Künstlerin verzichtet dabei gänzlich auf Dissonanzen und sorgt damit trotz aller Experimente für eine extrem gute Hörbarkeit. Chris Elstrodt
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