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Ausgabe 1/2018


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DANIEL KAHN & THE PAINTED BIRD
The Butcher’s Share
paintedbird.net
(Oriente Rien CD 91)
13 Tracks, 43:54 , mit Infos u. engl. u. jidd. Texten


Am 8. Dezember 2011 erhielt Daniel Kahn in der Frankfurter Brotfabrik für Lost Causes den Preis der deutschen Schallplattenkritik. Mit elf neuen und wie zu erwarten weiterhin durchaus subversiven Liedern auf seinem mittlerweile fünften Album tritt Kahn mit seiner Begleitgruppe The Painted Bird nach immerhin ganzen fünf albumlosen Jahren in die Fußstapfen seiner früheren Erfolge. Es ist nicht die Vergangenheitsbewältigung, die immer wieder Thema zu sein scheint, sondern vielmehr die Gegenwartsbewältigung, wie sie bereits im zweiten Stück des Albums, „The Butcher’s Sher“ (Sher ist ein von osteuropäischen Juden gepflegter Tanzstil), in verstörendem Kontrast zum Albumtitel „Share“ (des Metzgers  DANIEL KAHN & THE PAINTED BIRD: The Butcher’s Share Anteil) deutlich wird. Kahn fordert zur verbalen Verurteilung unseres Konsumverhaltens und im selben Moment zum Tanz auf. Andererseits dringt in „No One Survives“, dem abschließenden Stück des aktuellen Programms (zwei weitere Bonustracks sind ältere Aufnahmen), schiere Hoffnungslosigkeit ans Licht, aus der „überhaupt niemand lebendig“ herauskomme. Das alles ist nicht immer leicht verdaulich, aber Kahn hat Musiker verschiedenster Herkunft um sich geschart, denen es im Umfeld des Berliner Gorki-Theaters keinesfalls „um gespaltene Identitäten, sondern um radikale Vision und komplizierte Narrative geht“. Hampus Melin (dr) ist fast von Anfang an bei The Painted Bird wie auch Michael Tuttle (b), während Dan Blacksberg (tb) erst ein paar Jahre später dazukam. Christian Dawid (cl) als Neuzugang spielt derart auf, als würde er „uneingeladen eine jüdische Hochzeit kapern“ (Pressetext). Gesanglich wird Kahn außer von seinem „bamalter foigl“ von niemand anderem als den Klezmergrößen Sasha Lurje, Lorin Sklamberg (ex Klezmatics) oder der „Yiddish Princess“ Sarah Gordon unterstützt, wobei auch weitere Gäste wie der Multiinstrumentalist Michael Alpert (voc, ex Brave Old World) oder Ilya Shneyveys (acc, hier jedoch voc) diesem ausgezeichneten Album den letzten Schliff geben.
Matti Goldschmidt

EUROPA

DANISH STRING QUARTET
Last Leaf
danishquartet.com
(ECM New Series 2550 - 0289 48157464)
Promo-CD, 16 Tracks, 45:25


Vier klassisch ausgebildete junge Streicher, drei Dänen und ein Norweger, haben sich durch die „unglaubliche Schönheit und Tiefe alter Melodien“ weltlicher und geistlicher Lieder aus acht Jahrhunderten und Volkstänze vorwiegend skandinavischer Provenienz anregen lassen, traditionelle Musik zu bearbeiten und selbst Volksmusik – sie nennen es „music in folk style“ – zu komponieren, zu arrangieren und damit Menschen in aller Welt zu berühren. Wie beseelt, stimmig und gekonnt sie dies tun, ist ansteckend und begeistert Publikum, Juroren und Musikkritiker seit Jahren. Das Besondere an ihrer Musik ist, dass sie spürbar macht, wie eng verbunden wir Menschen uns in unserem Denken und Fühlen über alle  DANISH STRING QUARTET: Last Leaf Zeiten hinweg sind. Die liebevolle, feinsinnige Auswahl wirkt wie die Essenz der Gedanken und Gefühle vieler Generationen, übersetzt in Musik. Die Trackfolge verdeutlicht, wie nah beieinander freudige, heitere, traurige und dramatische Momente im Leben sind. Das Danish String Quartet beweist mit Last Leaf seinen Sinn fürs Wesentliche und präsentiert es zeitlos zeitgemäß, universal allgemeinverständlich und erfühlbar zugleich. Eine Musik, die ebenso gut in die Elbphilharmonie wie ins Tanzzelt des Rudolstadt-Festivals passt und in einer Virtuosität und Fabulierfreude vorgetragen wird, die höchsten Ansprüchen genügt und Menschen, die Klassikkonzerte für etwas Elitäres halten oder Folkmusik von sogenannter Ernster Musik trennen, vielleicht ein Stückchen näher zusammenbringt und füreinander öffnet. Danke an das Danish String Quartet und das Münchener Label Edition of Contemporary Music für diesen Beitrag. Möge Last Leaf nicht das letzte Blatt bleiben. Schade nur, dass der Promo-CD kein Booklet beiliegt, denn Liedtexte und die Geschichten hinter der Musik machen dieses zweite Folkprojekt der vier mit zwei Violinen, Viola, Cello, Kontrabass, Harmonium, Piano und Glockenspiel bewaffneten Wikinger noch interessanter, wie auf ecmrecords.com angedeutet wird.
Kay Reinhardt

ASIEN

MAHSA VAHDAT & COŞKUN KARADEMIR
Endless Path
kkv.no
coskunkarademir.com
(Kirkelig Kulturverksted)
11 Tracks, 70:20 , mit Fotos, engl. Infos u. pers., türk. u. engl Texten


„Wie der Mond, glüht mein Körper in Liebe. Möge mein Herz, diese Lyra der Venus, seine Saiten wild gehen lassen“ (Rumi). Die Türkei und der Iran waren unter Osmanen einerseits und Safawiden und Qajaren andererseits an die fünfhundert Jahre lang miteinander verfeindet und sind sich heute noch nicht grün. Und doch gründen beide Länder und Völker in alter islamischer und vorislamischer Geschichte. Vieles verbindet sie über politische, sprachliche und konfessionelle Grenzen hinweg. Beide verehren in besonderem Maße die Sufis Maulana Dschalal ad-Din ar-Rumi und Yunus Emre aus dem sechsten Jahrhundert islamischer beziehungswiese dem  MAHSA VAHDAT & COŞKUN KARADEMIR: Endless Path dreizehnten Jahrhundert christlicher Zeitrechnung. Die Iranerin Mahsa Vahdat und der Türke Coşkun Karademir nehmen sich mit diesem Album einiger Gedichte der beiden Mystiker singend und in Karademirs Fall auch Ud spielend an, begleitet von drei weiteren Musikern aus beiden Ländern auf Tambur, Percussion und Ney. Die Aufnahmen entstanden in Oslo, fern jeder staatlich-ideologischen Zensur, im Mausoleum des norwegischen Künstlers Emanuel Vigeland mit einer ganz besonderen Akustik. So entstand ein Klang, den kein Studio bieten kann. Die auf Farsi oder Türkisch und in englischer Übersetzung mitlesbaren Texte handeln von großer Sehnsucht nach dem oder der Geliebten, sei diese oder dieser menschlich oder göttlich. Stimmen und Instrumente transportieren diese Sehnsucht in fast schmerzhafter Schönheit und vielen Wechselspielen durch den Raum des Mausoleums, dessen Wände sie in die Mikrofone sowie die Ohren der Hörenden zurückwerfen. So werden Klangbrücken gebaut – zwischen Völkern, zwischen Menschen, zwischen Mensch und Gott. „Ich gehe brennend, brennend. Liebe hat mich mit Blut befleckt. Weder gesund noch verrückt. Komm, sieh, was Liebe mit mir gemacht hat“ (Emre).
Michael A. Schmiedel