Rezensionen der Ausgabe 6/2017
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DAMILY Very Aomby lesdisquesbongojoe.bandcamp.com/album/very-aomby damily.net (Les Disques Bongo Joe BJR 019) Vinyl-LP, 7 Tracks, 37:17
Madagaskar ist eine große Insel, auf der sich viele musikalische Traditionen herausgebildet haben und gelebt werden. Eine von diesen ist Tsapiky (gesprochen „tsa-piek“), die am nördlichen Zipfel dieser Landmasse vorherrscht. In ihr haben sich kenianische, mosambikanische und kongolesische Musiken zu einer schwirrenden Melange vereint. Tsapiky wird von perlenden Gitarrenläufen angetrieben, die über einen repetitiven Rhythmus rollen, der von Bass und Schlagzeug gebildet wird. Damily ist ein Gitarrist, der das minimalistische, doch trickreiche Gitarrenspiel des Tsapiky außerordentlich gut beherrscht und mit seiner Band bis auf die Spitze treibt. Man meint, in seinem Drei-Finger-Picking noch das Spiel auf der Valiha, einer traditionellen, mit Stahlseiten bespannten Bambusröhre, herauszuhören. Doch der Sound auf Very Aomby ist elektrisch, eine zum Tanzen anregende, unruhige Musik voller monotoner, sich umkreisender Themen und Rhythmen, die von einem erzählerischen Gesang begleitet werden. Very Aomby ist auf jeden Fall eine große Entdeckung. Michael Freerix
| KASAI ALLSTARS & ORCHESTRE SYMPHONIQUE KIMBANGUISTE Around Félicité – Music From & Around The Soundtrack kasaiallstars.bandcamp.com felicite-lefilm.com/kasai-allstars (Crammed Discs – cram 273/Indigo) 11 Tracks, 74:29 , plus Bonus-CD: 10 Tracks, 46:01
Bei der Musik aus und um den Film Félicité handelt es sich nicht in herkömmlicher Weise um einen Soundtrack. Vielmehr kreierte der Regisseur Alain Gomis – angeregt durch die Musik des 15-köpfigen Musikerkollektivs aus Kinshasa – die Geschichte des Films um die Sängerin Muambuyi. Die Gruppe der Kasai Allstars sind bekannt als Zusammenschluss von Musikern aus fünf ethnischen Gruppen, die gemeinsam begannen, ihre traditionelle Musik zu urbanisieren, während zuvor eine Zusammenarbeit wegen der konfliktreichen Beziehungen als unmöglich erachtet wurde. Neben Percussioninstrumenten, Trommeln und Xylofonen spielen unter anderem Gitarren und mit selbst gebauten elektrischen Verstärkern verzerrte Daumenklaviere eine zentrale Rolle. Dazu kommt dann noch der meist mehrstimmige, tranceartige Gesang, herausragend zum Beispiel von der charismatischen Muambuyi. Atempausen in der gewohnt urwüchsigen Musik der Kasai Allstars schaffen auf dem Album (Congotronics-Reihe Nr. 7) die eher ruhige, aber nicht minder emotionale Musik Arvo Pärts, hier vom Orchestre Symphonique Kimbanguiste dargeboten, und einige Originaltonsequenzen, die dem Film entnommen sind. Als Bonus gibt es eine CD mit Remixen, die eher eine Zugabe für DJs ist. Christoph Schumacher
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MATT PATERSHUK Same As I Ever Have Been mattpatershuk.com (Black Hen Music BHCD0085) 12 Tracks, 58:34 , mit engl. Infos
Aus Kanada kommt der kreative Singer/Songwriter Matt Patershuk, der auf seinem dritten Album fantastische Songs präsentiert. Produzent der Scheibe ist der legendäre Roots-Veteran Steve Dawson, der auch die akustische Gitarre, Pedal Steel und Klavier bedient. Die Begleitmusiker halten sich im Hintergrund und lassen Raum für Patershuks feinsinnige Texte, deren erster besagt, dass man manchmal schlechte Dinge tun muss, um Gutes zu erreichen. Das Album liefert einen Querschnitt von herzzerreißender Tragik bis zu klugen Geschichten über Glück, Fairness und billige Gitarren. Mitwirkende sind Jay Bellerose (Schlagzeug), Jeremy Holmes (Bass), John Reischman (Mandoline), Ana Egge (Gesang), Josh Zubot (Geige) und Jerry Cook (Saxofon). Eine wirklich feine Platte, die es verdient hat, entdeckt zu werden. Annie Sziegoleit
| BENNY TURNER My Brother’s Blues bennyturner.com (Nola Blue Records NB004/Tunecore) Promo-CD, 11 Tracks, 51:16
Neben all den auf Hochglanz getrimmten Pseudo-Bluesproduktionen gibt es heutzutage doch auch noch die echten, authentischen Vertreter des Genres. Eine solche Perle ist das vorliegende Album von Benny Turner, dem jüngeren Bruder und langjährigen Bassisten in der Band Freddie Kings. Geboten werden hier elf Titel aus dessen Repertoire, und diese gelingen ganz wunderbar. Blues, Funk, Soulgesang, alles frisch und traditionell gleichermaßen. Herausragend „I’m Tore Down“ mit den Sängern Otis Clay und Marva Wright im musikalischen Wettstreit oder auch „Mojo Boogie“ mit der fantastischen Gitarristin Carolyn Wonderland. Die Band groovt und shuffelt sich durch die Songs, ein Hammond-B3-Akkord hier, ein Fanfarenstoß der Horn Section da, und schließlich sind sie beim Slow Blues angekommen, der Paradedisziplin eines jeden Bluesmusikers. „Ghetto Woman“, im Original von B. B. King, ist hier ganz hinreißend gesungen, dezent von Bläsern und Keyboard untermalt und mit einer sparsamen und geschmackvollen Sologitarre gespielt. Achim Hennes
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DIVERSE Goombay – Music From Bahamas 1951-59 lesdisquesbongojoe.bandcamp.com/album/goombay (Les Disques Bongo Joe BJR 002) 14 Tracks, 34:06, Vinyl-LP
Dass Christopher Columbus 1492 zuerst auf einer der 700 Inseln der Bahamas landete und auf freundliche Bewohner traf, ist bekannt. Was für eine Musik sich dort später aus spanischen, britischen, afrikanischen und weiteren Quellen entwickelte, ist kaum dokumentiert. Erst in den Fünfzigerjahren kam transportable Studiotechnik auf die Inselgruppe, um Musiker wie Blind Blake, Freddie Munnings, André Toussaint oder Delbon Johnson aufzunehmen. Dort waren sie kleine Stars, die vor allem in Restaurants auftraten, doch außerhalb des Inselreiches unbekannt. Obendrein nannten sie ihre Musik „Goombay“, was in kein Schema passte. Umso schöner, dass das in diesem Heft bereits gerühmte Genfer Label Les Disques Bongo Joe einen Sampler mit Goombay Music aus den Jahren 1951 bis 1959 herausgebracht hat. In den Fünfzigern stand diese Musik zwischen Rumba, Merengue, Calypso und Jazz recht isoliert da. Doch Tourismus und radiotauglich bedingter kommerzieller Druck überlagerten die Musik der Bahamas schon bald. Geblieben sind die recht überschaubaren Veröffentlichungen aus den Fünfzigern, von denen hier eine interessante Auswahl vorgelegt wird. Michael Freerix
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RAHIM ALHAJ Letters From Iraq rahimalhaj.com (Smithsonian Folkways Recordings, SFW40577) 8 Tracks, 69:38 , mit engl. u. arab. Infos
Ein beeindruckendes Album. Der preisgekrönte Udvirtuose setzt nicht nur ein deutliches politisches Zeichen, sein aktuelles Werk ist auch ein Rückblick in seine eigene bewegte Vergangenheit der Flucht. In Bagdad geboren, musste Alhaj den Irak wegen seiner offenen Opposition gegen Saddam Hussein 1991 Richtung Jordanien und Syrien verlassen. Aufgrund weiterer Morddrohungen emigrierte er im Jahr 2000 in die USA, wo er eine sehr erfolgreiche Karriere als Musiker begann. In den acht berührenden Kompositionen vereint der zweifach für den Grammy Nominierte erneut die traditionelle irakische Musik der Ud mit der westlichen Klassik eines Streichquintetts, das sich aus fünf herausragenden Musikern seiner neuen Heimat New Mexico zusammensetzt. Alhaj erzählt wunderschöne Klanggeschichten von Liebe und Schmerz der kriegsgebeutelten Menschen im Irak, die sich nach etwas Normalität im Alltag sehnen. Wie selbstverständlich bringt Alhaj in der intensiven Harmonie der Ud mit Violine, Viola, Cello und Bass ergreifende Schicksale zum Ausdruck, wie das seines behinderten Neffen, der angesichts der Explosion einer Autobombe nicht wegrennen kann, oder das eines sunnitisch-schiitischen Liebespaares, das sich wegen der Gewalt zwischen ihren Gruppen nicht treffen darf. Erik Prochnow
| ENSEMBLE NAGHASH Songs Of Exile, Vol. II: Credos & Convictions naghashensemble.com (Available Forms Music/Epiphany) 6 Tracks, 48:05 , plus Buch, mit armen. Originaltexten u. Infos in engl., franz. u. dt.
Künstlerische Inspiration geht oft seltsame Wege. So auch bei dem amerikanischen Komponisten und Dirigenten John Hodian, der, obwohl aufgewachsen in einem Elternhaus, in dem ausschließlich traditionelle armenische Musik aus der Stereoanlage tönte, einige biografische Schlenker über Klassik, Jazz, Rock, Minimal Music und Weltmusik (Epiphany Project) absolvierte, bevor er 2010 – mit 53 Jahren – das Naghash Ensemble gründete. Als Inspirationsquellen dafür nennt Hodian das Vokalquintett Luyn, wo ihn die Stimmen der fünf Damen beeindruckt hätten, sowie seine Beschäftigung mit den Texten des Dichters M’kritch Naghash aus dem 15. Jahrhundert. Nun liegt bereits das zweite Album des Ensembles vor, ebenfalls in ein gebundenes Hardcover eingelegt, das die Texte im Original nebst Übersetzungen enthält. Die Vertonungen der Gedichte hat Hodian als Kompositionen für Vokaltrio (2 Sopran, 1 Alt), Ud (Laute), Duduk (Oboe), Dhol (Trommel) und Klavier angelegt, in die er seine reichhaltige musikalische Erfahrung einfließen lässt: Klassik von Carmina Burana bis Steve Reich, Jazz und armenische Folklore bilden ein faszinierendes Kaleidoskop der Klangfarben, das seinesgleichen sucht. Ein grandioses Stück Musik. Walter Bast
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