Rezensionen der Ausgabe 6/2017
Auswahl nach Heft-Nr:
Besondere Deutschland Europa Welt Kurzrezensionen Weitere Rezensionen Online-Rezensionen
Gelistet
Plattenprojekt
Bücher DVDs Cinesounds
|
|
|
---|
Django – Ein Leben für die Musik Regie: Etienne Comar, mit Reda Kateb, Cécile de France, Bea Palya u. v. a. (Frankreich 2017) 117:00:00 , Kinostart: 26.10.2017
Jean „Django“ Reinhardt soll eigenbrötlerisch und erratisch gewesen sein. Lieber ging er fischen als zu seinen Auftritten, und über längere Phasen zog er sich vollkommen zurück und angelte ausschließlich. Er spielte mir nur drei Fingern der linken Hand, weil zwei Finger bei einem Feuerunfall verstümmelt worden waren. Ignorant und gebieterisch, war er sich seines herausragenden Könnens überaus bewusst. All diese Eigenheiten Django Reinhardts finden sich in der Handlung dieses Spielfilmes wieder, ohne dass es sich um die reine Mystifikation einer Ausnahmebegabung dreht. Ganz im Gegenteil, Django – ein Leben für die Musik handelt vom Überleben in einer bedrohlichen Zeit. Es beginnt 1943 in Paris. Django Reinhardt ist ein umjubelter Star an der Gitarre. Zwar lebt er als „Nichtarier“ unter ständiger Bedrohung, in ein KZ verschleppt zu werden, doch hat er einen Beschützer und bleibt vorerst verschont. Sein Manager drängt ihn allerdings zu einer Tour durch das Deutsche Reich, wohl auch in der Hoffnung, seine dortige Popularität könnte ihn immun gegen Verfolgung machen. Der Gitarrist sperrt sich gegen diese Tour und entzieht sich schließlich ganz. Er versucht, mit seiner Familie unter falscher Identität in die Schweiz zu flüchten. Doch am Ufer eines Sees an der französischen Grenze bleibt er stecken. Dort trifft er auf Verwandte, und gemeinsam können sie gelegentlich in einer Dorfkneipe musizieren, um Geld zu verdienen. Die Dorfkirche nutzt er, um an der Orgel ein Requiem für die ermordeten Sinti und Roma zu komponieren. Widerstandskämpfer bitten ihn, bei einem örtlichen Treffen zwischen Nazigrößen und Wehrmachtsoffizieren zu Ablenkungszwecken als Salonorchester aufzuspielen, damit während dieser Veranstaltung ein verletzter britischer Pilot über den See in die Schweiz verbracht werden kann. Mitten ins Fest platzt die Nachricht, dass ein Wehrmachtstransport überfallen wurde und es vielen Tote gab. In Todespanik flüchtet Reinhardt mit seiner Familie über die schneebedeckten Berge in die Freiheit. Schließlich wird sein Requiem – am Ende des Films – im Mai 1945 in Paris aufgeführt. Zwar beginnt Django – Ein Leben für die Musik mit der Erschießung einer Sintifamilie durch deutsche Soldaten, doch setzt Regisseur und Drehbuchautor Etienne Comar anschließend nicht auf ähnlich krasse Effekte. Stattdessen folgt eine stille Erzählung in grünen und braunen Sepiatönen. Die Musik jedoch kommt nie zu kurz: Mindestens ein Viertel des Filmes machen Auftritte von Django Reinhardt und seiner Band aus. Reinhardt ist dabei kein strahlender Held, sondern in seiner egozentrischen Uneinsichtigkeit eine eher undurchdringliche Künstlerfigur. Regisseur Étienne Comar ist bisher eher als Produzent von sperrigen Autorenfilmen in Erscheinung getreten. Dies ist sein Regiedebüt. Bereits als Eröffnungsfilm der Berlinale sorgte er für viel Aufsehen, ein Werk in bester europäischer Autorenqualität. Das thematisierte Requiem von Reinhardt gibt es tatsächlich, leider sind nur wenige Takte davon erhalten geblieben. Michael Freerix
|
hö
|