Rezensionen der Ausgabe 5/2017
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BAD NEWS REUNION Last Order Please Live sireena.de (Sireena Records SIR 2170/Broken Silence) 2 CDs, 15 Tracks, 90:34
Da wurde als Abschiedskonzert ein musikalisches Feuerwerk abgebrannt. In Hamburgs legendärer Fabrik spielten sich die lokalen Lieblinge Michael Schlüter (Gesang und Akustikgitarre), Abi Wallenstein (Gesang und Lead-Gitarre), Jochen Brückner (Gesang und Akustikgitarre), Karsten Hoock (Gesang und E-Gitarre), Peter Urban (Orgel), Tom Garn (Bass) und Holger Zülck (Schlagzeug) als Bad News Reunion die Seele aus dem Leib. Vor ausverkauftem Haus ging das Konzert am 21. November 1982 über die Bühne, 1.400 Fans der Blues-, Folk- und Westcoastmusik waren dabei. Die damaligen Doppel-Vinylplatten waren schnell vergriffen; nun kann man sich über eine 1:1-Kopie auf Doppel-CD im schönen Digipack freuen. Die Band kam in den letzten Jahren für wenige Konzerte wieder zusammen und nahm 2014 sogar ein neues Studioalbum auf, leider diesmal ohne Abi Wallenstein, den legendären „Vater der Hamburger Bluesszene“, und den tollen Sänger und Gitarristen Karsten Hoock. Annie Sziegoleit
| FIONA Of Rivers And Tides fiona-music.com (Celtic Classics Productions) 12 Tracks, 54:33 , mit engl. u. dt. Infos
Ein 113 Jahre alter Bechstein-Flügel steht im Zentrum dieser wunderbar relaxten Instrumentalmusik. Fiona Frewert (Faun) spielt ihn, begleitet sich selbst auch sehr dezent auf Irish Whistle, „Wineglasses“, Harmonium, Dulcimer und Chalumeau, Overdub macht's möglich. Es ist eine dieser Feierabend-CDs, die den Kopf freimachen – voller Melancholie, schöner Melodien und luftiger, abwechslungsreicher Arrangements. Neben irischen, deutschen und schwedischen Traditionals sind Eigenkompositionen zu hören, außerdem ein Menuett für Piano pur von Johann Krieger (1651-1735) sowie eine Bal-Folk-Bearbeitung von einem belgischen Folkmusiker. Verschiedene Gastmusiker setzen mit Cello, Bass, Geige und Bodhrán Farbtupfer, die die Pianoklänge nicht zukleistern, sondern eher herausheben. Diese Konzentration auf den Klaviersound ist ausgesprochen erfrischend, weil bisher kaum gehört im Folk- oder Mittelaltergenre. Noch dazu, wenn so filigran, souverän und mit hörbarer Leichtigkeit gespielt wird. Nehmt Euch ein Glas guten Rotweins und genießt dieses zeitlose Album! Unbedingt empfehlenswert! Piet Pollack
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HECKEL & STEGLITZ Gleismusik maxheckel.de (Prosodia) 10 Tracks, 42:36 , Texte
Zwei Herren, die sonst in anderen Musikformationen tätig sind, haben sich zu einem gemeinsamen Liedermacherprojekt zusammengetan. Stefan Gliwitzki ist Frontmann von Tone Fish, einer rockigen Folk-Gruppe aus Hameln, und Labelchef Max Heckel ist Frontmann der Stendaler Folkband Nobody Knows. Zehn Lieder haben sie auf die Scheibe gebracht, jeder fünf, immer fein abwechselnd. Ein schönes Projekt ist ihnen da gelungen, knackige Songs aus dem alltäglichen Leben, mit kraftvollen, erdigen Stimmen, interessanten Texten und einer gradlinigen musikalischen Umsetzung. Heckel erzählt Geschichten vom Bahnhof in der Nacht, atmosphärisch dicht, phantasievoll und einfühlsam. Sein Song über den kleinstädtischen Sommer reiht sich ein in die lange Liedermachertradition der Kleinstadtlieder. Überraschend als Kontrast dann seine Vertonung von „Weiße Rosen“, einem Text von Theodor Storm. Gliwitzkis Lieder beschreiben eher allgemeine Lebenssituationen und Beziehungen von Menschen, die im Leben irgendwie dazwischenstehen, „Weltenwanderer“, die sich an den Verhältnissen reiben, die Veränderungen anstreben. Zwei Musiker, die sich wunderbar ergänzen. Rainer Katlewski
| HIGHLAND PADDIES 25 Years And Still Alive facebook.com/Highland-Paddies-346867625434697 (Thein) 14 Tracks, 55:28 , mit Fotos, dt. Infos, dt. u. engl. Texten
Wenn eine deutsche Irish-Folk-Band 25 wird, ist das eine längere Besprechung ihrer Jubiläums-CD wert. Aus Cuxhaven stammt das Quartett aus Britta, Achim, Kay und Benny, ihrem Techniker Jürgen und ihrer vier Helfer, wobei die Familiennamen nicht genannt werden. Auf Akkordeon, Tin Whistle, Gitarre, Schlagzeug, Percussion, Bass, Mandoline und viel Gesang tragen sie altbekannte irische Lieder vor, hauptsächlich Rebelsongs und Balladen sowie zwei norddeutsche Lieder von Santiano. Dabei verzichten sie auf das oft in diesem Genre zu erlebende sehr deftige Auftreten, im Gegenteil, sie geben den Songs eine für Irish Folk ungewohnte Leichtigkeit, wie man sie von Barber Shop Music kennt, die den oft ernsten Themen nicht so richtig gerecht wird. Schlagzeug und Percussion zwingen den Rhythmus aber auch ein wenig zu sehr in ein gleichförmiges Korsett, das der Musik etwas Schlagerähnliches gibt. Es ist somit eher eine leichte Unterhaltungsmusik, gut geeignet für Festivitäten, bei denen sie auch nebenbei genossen werden kann. „… Cockles and mussles, alive, alive oh!“ Herzlichen Glückwunsch den Highland Paddies! Michael A. Schmiedel
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HUNDLING Gestern oder im 3. Stock hundling.net (Donnerwetter Musik) 11 Tracks, 54:51 , mit Fotos, hochdt. u. bair. Infos u. Texten
„Wofür singst du eigentlich?“, fragt Sänger Phil Höcketstaller und kommt nach der Aufzählung aller möglichen Zielgruppen zu der Überlegung „Oder hast Du doch vor allen Dingen manchmal bloß Bock aufs Singen?“ Die ohne Gäste fünf-, mit Gästen zwölfköpfige Münchner Band singt bairisch-regiolektische Lieder mit Themen aus dem Leben, wie der in eine Modelleisenbahn gebannten ehemaligen Berufssehnsucht, Gülleverseuchung, Geschäftsideen, die mehr vorgaukeln als halten, und anderes. Die Texte werden auf Ukulele, Bass, E-Gitarre, Piano, Hammondorgel, Schlagzeug, Saxofon, Trompete, Flügelhorn und Rhodes sowie einer eingespielten MC Ragamuffin von einem poppig-jazzigen Bandsound getragen, der voller Zwischenspiele und Variationen alles andere als Langeweile mit sich bringt. „Bairisch-urbaner Folk“ wäre vielleicht eine passende Genrebezeichnung. Das aufwändige „Textbiarcherl“ gibt auch Hilfen beim Textverständnis. Ein wichtiges Motto ist aber auch Nichtbayern verständlich: „So lang ich dieses Haus bewohne, gibt es keine musikfreie Zone!“ Michael A. Schmiedel
| ERIC PFEIL 13 Wohnzimmer ericpfeil.com (Trikont US-0487) 13 Tracks, 53:56 , mit Infos in wunderschönem Booklet
Vermutlich werden Rezensenten bestraft, die in einer Eric-Pfeil-Rezension „van Dannen“ schreiben. Vielleicht reicht es, darauf hinweisen, dass die Kompositionstechnik von Eric Pfeil aus deutlich mehr als den üblichen drei Akkorden besteht und das Gitarrenspiel filigran bis raffiniert anmutet. Bereits rein musikalisch macht Eric Pfeil einfach eine Menge Spaß. Dazu Texte, die beim oberflächlichen Hören ein wenig schlicht anmuten, bis der Hörer begreift, dass der wirklich Dumme sich dadurch auszeichnet, dass er eben nicht richtig zuhört. Ist diese Klippe umschifft, verliebt man sich sofort in die Songs. „Du kannst mich nach dem Ende wecken“ ist ein Beispiel für eine Hymne, die an jedem Lagerfeuer gesungen werden sollte. Großes Kino in kleinen Wohnzimmern. Dieses wundervolle Album ist nämlich tatsächlich live in 13 Wohnzimmern aufgenommen worden und so Low-Fi, wie es überhaupt nur sein kann. Live also und so lebendig, als wäre es das eigene Wohnzimmer. Eric Pfeil ist zu klug und zu wenig polemisch für den großen Erfolg. Kein Schenkelklopfer, kein Zynismus auf Kosten anderer, stattdessen seltsame und witzige Anekdoten und das Gefühl, dass diese Lieder eben nur Eric Pfeil schreiben kann. Christian Elstrodt
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STEPHAN SULKE Liebe ist nichts für Anfänger stephansulke.com (Staatsakt/Caroline International) 12 Tracks, 41:39 , mit Texten
Musikalisch war lange nicht mehr viel von ihm zu hören, desto mehr erfreut es, mal wieder eine Scheibe von Stephan Sulke in den Händen zu haben. Vor über vierzig Jahren erschien seine erste LP, über die Jahrzehnte sind mehr als zwanzig Alben entstanden. Er war immer mal weg, hat sich mit anderen Projekten beschäftigt, ist aber immer wieder zum Gesang zurückgekommen, inzwischen als älterer Herr. Jetzt möchte man von einem Mitsiebziger keine himmelstürmenden Texte erwarten, aber diese Produktion ist schon sehr melancholisch bis leicht sentimental geraten; verlorene Lieben, Einsamkeit, Zeitkritik, pessimistische Zukunftssicht und viel Rück- und Nabelschau. Dass die Lieder dennoch so angenehm und gut klingen, liegt an der gekonnten ironischen Leichtigkeit und Lässigkeit, mit der Stephan Sulke sie präsentiert. Eine seltene Mischung, musikalisch abwechslungsreich, mal Chanson mit sparsamem Klavier, mal Bandbegleitung im Countrystil, die Melodien gehen ins Ohr. Sein Gesang ist von jugendlicher Frische, er haucht oder nuschelt cool, ist immer ein wenig zurückgenommen. Eine gelungene Produktion für ältere Semester, die beim Mehrfachhören noch besser wird. Rainer Katlewski
| VALLESANTA CORDE Es führt über den Main... vallesantacorde.net (Eigenverlag) 7 Tracks, 40:40 , mit Zeichnungen, Foto u. dt. Infos
Trotz des Namens der Band und des Titels stammt die Musik nicht aus Italien und nicht aus Würzburg am Main, sondern aus Berlin an der Spree, und wer Tanzmusik erwartet, wird enttäuscht sein und vielleicht auch im guten Sinne überrascht von einer hauptsächlich instrumental vorgetragenen Konzertmusik auf Geige, Gitarre, Bass, Percussion und Mandoline, gespielt von drei Musikern und einer Musikerin, die sich in kürzeren Passagen aber auch als volltönender, vierstämmiger Chor entpuppen. Die einzelnen Stücke stammen aus Deutschland, Irland, Mexiko, der Bretagne, Quebec und der Klezmerkultur und sind sehr jazzig gehalten. Am besten vergleicht man sie mit Tsching und ihrer VagabundenSuite (Vgl. Folker 6/2014). Da werden bekannte Melodien an-, aber nicht zu Ende gespielt, sondern verfremdet, die Melodie weicht vollends ab, aber dann kehrt die eigentliche Liedmelodie zurück. Und dann bringt der Chor noch eine ganz andere Stimmung mit rein. Ein spannendes Album, das, wenn auch nicht zum Tanzen, so doch zum unentwegten Mitswingen einlädt! Michael A. Schmiedel
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