PLATTENPROJEKTEs gibt im Musikbereich immer wieder Veröffentlichungen, die den Rahmen herkömmlicher Produktionen inhaltlich wie vom Umfang her sprengen und deshalb einer ausführlicheren
Betrachtung bedürfen, als dies in Form einer üblichen Rezension geleistet werden kann. Die Folker-„Plattenprojekte“ widmen sich in loser Folge
solchen außergewöhnlichen Serien, Boxen, Sammlungen, Sondereditionen bis hin zu vergleichbaren Unternehmungen wie etwa Internetprojekten, die auf physische Tonträger inzwischen zunehmend verzichten.
In diesem Heft schreibt Christoph Schumacher über
Zaire 74 – The African Artists
Endlich, nach 43 Jahren, erscheint der afrikanische Teil des dreitägigen Festivals Zaire 74. Um es vorwegzunehmen, das Doppelalbum lohnt sich nicht nur für eingefleischte Afrikafans oder Nostalgiker. Von Anfang an nimmt einen die Festivalatmosphäre gefangen, und dank der hervorragenden Aufnahmetechnik ist man von der ersten Sekunde an hautnah im musikalischen Geschehen.
Doch zunächst eine Rückblende. Das Woodstock-Festival liegt erst fünf Jahre zurück und ist bereits ein Mythos, als sich der damals gerade dreißig Jahre alt gewordene Stewart Levine – heute vielen bekannt als Produzent von unter
DIVERSE Zaire 74 – The African Artists (Wrasse Records/Harmonia Mundi, wrasserecords.com)
Do-CD, 34 Tracks, 115:41
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| anderem B. B. King, den Crusaders und Simply Red – und sein Freund, der zu dem Zeitpunkt 35-jährige südafrikanische Trompeter Hugh Masekela, anschicken, ein ebenfalls dreitägiges Festival zu veranstalten. Um mehr Aufmerksamkeit dafür in der westlichen Welt zu erlangen, erwerben sie sich das Recht, die Veranstaltung in Kinshasa, der Hauptstadt des damaligen Zaire und heutigen Demokratischen Republik Kongo, rund um den an gleicher Stelle angesetzten Schwergewichtsboxkampf Muhammad Alis gegen George Foreman zu organisieren. Als dieser wegen einer Verletzung Foremans um einen Monat verschoben werden soll, entscheiden Masekela und Levine, das Festival dennoch wie geplant stattfinden zu lassen.
Levine lädt einige der damals bekanntesten Künstler Zaires ein, um deren Musik einem größeren Publikum – auch in den USA – zugänglich zu machen. Auch wenn Tabu Ley Rochereau & L’Afrisa International, Abumba Masikini und Franco 1974 in Afrika schon populär sind, kennt sie außerhalb des Schwarzen Kontinents kaum jemand. In Ermangelung eines weltweiten Netzwerkes und auch begrenzter Tonträgerverbreitung, gar nicht zu reden von Radiostationen, die solche Künstler in Nordamerika oder Europa spielen würden, wollen Masekela und Levine diese Klänge der Welt näherbringen.
Stewart Levine hat den Reichtum afrikanischer Musik während eines längeren Aufenthalts bei Fela Kuti in Nigeria 1973 kennengelernt. Dort entstand auch die Idee zum Festival, das dann im September 1974 stattfindet. Im Stadion von Kinshasa spielen drei Tage lang jeweils von acht Uhr abends bis Mitternacht zuerst afrikanische und im Anschluss US-amerikanische Musiker vor über fünfzigtausend Zuschauern. Levine lässt das beste Aufnahmeequipment aus den Staaten einfliegen, um möglichst alles in optimaler Qualität festhalten zu können, und es wird so nah wie möglich mikrofoniert und im Mehrspurverfahren aufgezeichnet. Levine will, wie er sagt, aus den Fehlern von Woodstock lernen. Der Aufwand ist beträchtlich und doch vergehen 22 Jahre, bis Teile des Materials zum Film When We Were Kings verwendet werden, und weitere 12 Jahre, bis im Film Soul Power vorrangig die US-amerikanischen Musiker bei ihren Auftritten auf dem Festival verfolgt werden können. Die zairischen Stars sind zu Nebendarstellern degradiert. Und dies, obwohl die einheimischen Zuschauer in Kinshasa gerade ihre eigenen Idole zu Höchstleistungen auf der Bühne anspornten.
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