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Ausgabe 4/2017


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International
 DOMINIC MILLER: Silent Light
DOMINIC MILLER
Silent Light
dominicmiller.com
(ECM 2518/)
Promo-CD, 11 Tracks, 41:06


Die meisten kennen den in Buenos Aires geborenen Gitarristen und Sohn einer Irin und eines Amerikaners aus seiner kongenialen Zusammenarbeit mit Sting. Auf dem jetzt so hörenswerten ersten Album bei ECM erinnert Dominic Miller selbst noch einmal daran und schenkt uns augenzwinkernd eine äußerst charmante Instrumentalversion von „Fields Of Gold“. Seine irisch-amerikanischen Wurzeln wie seine weltweiten Auftritte haben in seinem Spiel überall leise Spuren hinterlassen. Auch Vorbilder wie Egberto Gismonti und Pat Metheny schimmern durch, sogar, dass die Musik Bachs „die einzige ist, die ich übe“, wie er sagt. Wer sich auf Millers unbeschwerte Reise ins Licht einlässt, wird mit dem stillen Leuchten, Flimmern und Funkeln lateinamerikanischer wie jazziger Anklänge durchflutet und hört zwischen all den Einflüssen aus Folk, Pop wie Klassik einen einzigartigen Virtuosen der leisen Töne, einen Dominic Miller zum Anfassen, so hautnah fließt der Klang seiner Musik aus den Lautsprechern. Die einfühlsamen Percussionelemente kommen von Miles Bould, einem alten Wegbegleiter, der schon John Martyn sein Taktgefühl lieh.
Stefan Sell



Nordamerika
 SAM BAKER : Land Of Doubt
SAM BAKER
Land Of Doubt
sambakermusic.com
(Eigenverlag)
15 Tracks, 43:26 , mit engl. Texten u. Infos


Eine einsame E-Gitarre eröffnet das Album, dann setzt der Gesang ein, wie ein Tasten die dunkle Kellertreppe hinab – willkommen in der Welt von Sam Baker. Vieles auf diesem Album hört man nicht, denn es sind die Pausen, die stillen Momente, die die Spannung erzeugen. Die Stücke dehnen sich, scheinen sich zu verlieren, bleiben stecken, um dann doch wieder Fahrt aufzunehmen. Es geht über morsche Brücken, durch karge Landschaften, und manchmal landet man unversehens auf einem grünen Flecken Erde. Der Gesang dazu ist sperrig, arhythmisch, spröde, fast widerwillig und entfaltet gleichzeitig eine berührend intensive Magie. Das, was es zu sagen gibt, wird in wenige richtige Worte verpackt, und an den Arrangements wurde so lange gefeilt, bis nur noch das Nötigste übrigblieb, damit die Stücke nicht zusammenbrechen. Wobei sich der Klang an den richtigen Stellen durchaus zu entfalten weiß, dann tragen feine Streicher oder eine einsame Trompete die Lieder weiter. Man würde nicht vermuten, dass dieses wunderbare Americana-Kammerfolk-Kleinod ausgerechnet in Nashville aufgenommen wurde. Im Juni dieses Jahres ist Sam Baker auf UK-Tour.
Dirk Trageser
 THE ANDREW COLLINS TRIO: And It Was Good
THE ANDREW COLLINS TRIO
And It Was Good
andrewcollinstrio.com
(ACT002)
8 Tracks, 40:24


Klar, wer sich aktuell die Mandolinenspieler anguckt, die genreübegreifend unterwegs sind, wird erst mal Chris Thile nennen. Der Kalifornier besetzt mit seiner vielfältig-virtuosen und geschmackvollen Kunst die Spitze. Danach folgen weitere Könner ihres Fachs, etwa Mike Marshall, David Grisman und Frank Solivan. In diese Reihe könnte auch der Kanadier Andrew Collins aufschließen, ein in seiner Heimat vielfach mit Preisen ausgezeichneter Musiker. Sein vorliegendes Album jedenfalls zeigt ihn als exzellenten Instrumentalisten und Komponisten. Auf And It Was Good schildert er musikalisch nichts weniger als die Erschaffung der Welt in sieben Songs – plus einem achten Stück, auf dem dann alles gut ist. Collins’ Schöpfungen auf der Mandoline reichen gleich über mehrere Welten hinweg, zum Beispiel Jazz, Folk, Bluegrass, Klassik, um die wichtigsten zu nennen. Unterstützt wird er dabei von den ebenfalls erstklassigen Kollegen Mike Mezzatesta an diversen Saiteninstrumenten und James McEleney an Bass und Mandocello. Schließlich wirken mit dem Phantasmagoria String Quartet noch vier klassische Streicher mit. Das klingt verspielt, tief gehend, schräg und schön. Eine spannende und überzeugende Mixtur.
Volker Dick

 ROBERT CRAY & HI RHYTHM: I Love Soul
ROBERT CRAY & HI RHYTHM
I Love Soul
robertcray.com
(Megaforce/H’art, JV2017)
11 Tracks, 50:49 , mit engl. Infos u. Texten


Der mit fünf Grammys ausgezeichnete Bluesgitarrist, Komponist und Sänger Robert Cray fügt seinen mehr als zwanzig Produktionen eine sensationelle, in Memphis, Tennessee, aufgenommene Rhythm-and-Blues-Soul-Platte hinzu. Sein Partner war der fantastische Produzent und Schlagzeuger Steve Jordan. Die beiden Vollblutmusiker lernten sich bereits 1987 während der Arbeiten an dem Film Hail! Hail! Rock and Roll zu Ehren Chuck Berrys kennen. Mit dabei ist die Band Hi Rhythm, die seit fast fünfzig Jahren im selben Studio aktiv ist und ihre ganze Virtuosität und Erfahrung in die Platte einbringt. Eigenkompositionen wie die einfühlsamen Liebeslieder „You Had My Heart“ und „The Way We Are“ gehen eine nahtlose Verbindung ein mit Songs von Tony Joe White, der als Gitarrist an dem Projekt mitwirkte. Auch eine Saitenfraktion unter Leitung von Lester Snell spielt mit, ebenso wie Reverend Charles Hodges (Orgel), Leroy „Flick“ Hodges (Bass), Archie „Hubbie“ Archer (Keyboard) und das Quartett Royal Horns (Trompete, Saxofon). Auf der Innenseite des Digipacks steht Robert Cray, der „Gentleman des Blues“, vor einer Wand mit den riesigen Lettern „I Love Soul“. Dem möchte man ohne Einschränkung beipflichten.
Annie Sziegoleit
 THE GIBSON BROTHERS: In The Ground
THE GIBSON BROTHERS
In The Ground
gibsonbrothers.com
(Rounder Records 1166100173/In-akustik)
13 Tracks, 46:03 , mit engl. Texten u. Erläuterungen


Wer auf der Suche ist nach klassischem, auf hohem Niveau und ohne große stilistische Spielereien dargebotenem Bluegrass ist, der darf hier Halt machen. Die Brüder Leigh und Eric Gibson liefern genau das, samt dem charakteristischen Harmoniegesang. Ihre Songs klingen dabei alles andere als verstaubt, die Melodien frisch, die Soli mitreißend. In den Texten geht es dagegen um das, was der konservative Bluegrasser erwartet – das Unterwegssein, die väterliche Ansprache an den Sohn, den Abschied von zu Hause und den Kirchgang. Die Brüder verfügen aber auch über einen Sinn für Humor, etwa wenn sie in „Homemade Wine“ die Folgen übermäßigen Genusses ebendieses Getränks schildern: „I got one shoe on but the other’s gone, / I can’t figure out whose couch I’m on.“ Dürfte mancher kennen, und solche Geschichten machen Bluegrass eben auch aus, das Erzählen von Alltagsbegebenheiten und -gefühlen. Verlassen können sich die Gibsons auf ihre Mitmusiker Mike Barber (b) und Clayton Campbell (fiddle), dazu kommen die exzellenten Gäste Jesse Brock an der Mandoline und Dobrovirtuose Rob Ickes. Angesichts dieser Namen leuchtet ein, dass die Brüder mit diesem Album erneut in geschmackssicherem Gebiet unterwegs sind.
Volker Dick

 HOUSE AND LAND : House and Land
HOUSE AND LAND
House and Land
sallyannemorgan.com
sarahlouise.bandcamp.com
(Thrill Jockey Records THRILL 444)
10 Tracks, 34:23


Banjo, Geige oder Bouzouki, zwei Stimmen, ganz essenziell ist der Sound dieses Duos mit Sally Anne Morgan und Sarah Louise Henson. Beide trafen aufeinander, als Henson Vorgruppe für die Black Twig Pickers war, bei denen Sally Morgan Geige spielt. Sie entdeckten ihre gemeinsame Leidenschaft für die Musik der ländlichen USA und vor allem die alten überlieferten Songs, denen sie auf ihrem Debütalbum die Ehre erwiesen. Es sind archaische Songs, deren Geschichten heute schwer verständlich sind, aber deren Aura praktisch unzerstörbar ist. Morgan und Henson fahren immer wieder kreuz und quer durch die USA, klopfen an Türen ihnen unbekannter Häuser und fragen nach alten Songs, die ihnen die Menschen vorsingen sollen. Nun besitzen die beiden eine große Sammlung an solchen, die sie für sich arrangieren. Ihr Album ist praktisch eine Reise in die Zeit, als Musik noch gemeinschaftlich gemacht und von Ohr zu Ohr weitergereicht wurde. Die Songs handeln von der harten Arbeit auf den Feldern, den gelegentlichen Unwettern, die die Ernte vernichteten, und von unerfüllter Liebe. Eine gewisse Verlorenheit zeichnet diese Songs und das ganze Album aus, wohl eine Verlorenheit, von der das Leben der Menschen von vor zweihundert Jahren gekennzeichnet war.
Michael Freerix
 THE JERRY CANS : Inuusiq
THE JERRY CANS
Inuusiq
thejerrycans.com
(Aakuluk Music, NU2016)
10 Tracks, 36:45 , mit engl. u. Inuktitut-Texten u. Infos


Sie wollten vor allem Klischees vermeiden. Den Jerry Cans aus dem hohen Norden Kanadas ist aber viel mehr gelungen. Denn an das Volk der Inuit denkt man zunächst nicht, wenn man die kraftvollen Songs der fünfköpfigen Band aus dem arktischen Nunavut hört. Ihr neues Album Inuusiq, was so viel wie „Leben“ bedeutet, sprudelt nur so vor Energie und repräsentiert ein Volk, das zwischen Tradition und Erneuerung einen neuen Weg finden muss. Die fünf Musiker verbinden nicht nur Indierock, Reggae, Folk und Country Noir, sondern bedienen sich auch immer wieder der musikalischen Wurzeln ihres Volkes, wie des traditionellen Kehlgesangs. In ihrer Sprache Inuktitut erzählen sie unter anderem von den zum Teil großen Alltagsherausforderungen in der rauen, eisigen Landschaft des arktischen Nordens. Obwohl die Region technologisch inzwischen an den Süden des Landes stärker angebunden ist, leiden die Menschen dort oft unter ihrer Isolation. So ist die Selbstmordrate gestiegen und Gewalt gegenüber Frauen ein großes Problem. Mit schnellen Fiddleläufen, eingängigen indigenen Rhythmen, ausdrucksstarken Stimmen sowie Akkordeon- und Gitarrenbegleitung besingen die Inuit aber auch die Schönheit der Landschaft, die Kraft der Familie, das Jagen und Fischen sowie die Liebe.
Erik Prochnow

 KRONOS QUARTET: Folk Songs
KRONOS QUARTET
Folk Songs
kronosquartet.org
(Nonesuch 559151/Warner)
Promo-CD, 9 Tracks, 39:36


Seit fast vierundvierzig Jahren bewegt sich das amerikanische Streichquartett an den Nahtstellen von Neuer Musik, Jazz, Popkultur und Weltmusik. Von den Gründungsmitgliedern aus dem Jahre 1973 ist lediglich Geiger David Harrington noch dabei, doch auch Geiger Nummer zwei, John Sherba, und Bratschist Hank Dutt haben inzwischen gut einundvierzig Jahre Kronos auf dem Buckel. Lediglich Cellistin Sunny Yang ist mit ihrer vierjährigen Zugehörigkeit unangefochtenes Nesthäkchen der Gruppe. Wie häufiger in den letzten Jahren, stellt sich das Kronos Quartet auch auf seinem neuen Album ganz in den Begleitdienst der mitwirkenden Solisten. Leider, denn das, was von den vier Streichern hinter den dominanten Stimmen von Folkgrößen wie Olivia Chaney, Rhiannon Giddens, Natalie Merchant und Sam Amidon zu hören ist, könnte durchweg auch von x-beliebigen Studiomusikern stammen. Nur ganz selten wird man gewahr, dass hier die Legenden am Werk sind, die vier, die Riley, Reich, Glass oder Pärt ebenso souverän interpretieren wie John Zorn oder Sigur Rós und die bei „Foxy Lady“ und „Baba O’Riley“ ebenso viel Krach machen wie Hendrix und The Who. Wohlgemerkt, Folk Songs ist kein schlechtes Album, aber Kronos „pur“ steht dem Rezensenten einfach näher.
Walter Bast
 SEAN ROWE: New Lore
SEAN ROWE
New Lore
seanrowe.net
(Anti-Records 7525-2/Indigo)
10 Tracks, 40:03


Mit schöner Regelmäßigkeit veröffentlicht der US-Amerikaner Sean Rowe seine Alben hierzulande. Handelt es sich dabei um puren Fleiß oder ist es Notwendigkeit? Es scheint, Rowe schreibt seine Songs aus einem gewissen Drang heraus. Er ist bekennender Ökoaktivist und Naturfanatiker, der es in Städten nicht gut aushält, diese eher meidet und sich monatelang in die Natur zurückzieht, wo seine Songs auf der akustischen Gitarre entstehen. Dieses Mal fuhr Rowe mit einem Haufen Songs im Gepäck nach Memphis, um sie in den Sam Phillips Recording Studios aufzunehmen. Alles passierte in einem Take, wenn was schiefging und es funktionierte so, blieb es dabei. Es geht Rowe um eine gewisse Rauheit in seiner Musik, nicht um vollkommen ausproduzierte Akkuratesse. Gelegentlich sind schon einmal Bass und Schlagzeug oder ein Streicherarrangement zu hören, doch ist der Gesamteindruck ein eher einfacher Klang. Rowe ist nicht unbedingt ein Songschreiber, der „Messages“ in seine Texte packt. Er benutzt den Klang seiner Worte und seiner Gitarre eher, um von seinen Sehnsüchten und persönlichen Erlebnissen zu erzählen. Tatsächlich hat New Lore einen leicht souligen Touch.
Michael Freerix

 WATERMELON SLIM: Golden Boy
WATERMELON SLIM
Golden Boy
watermelonslim.com
(Dixie Frog/H’Art, DFGCD8796)
10 Tracks, 40:51 , mit engl. Infos u. Texten


Aus Clarksdale, Mississippi, kommt Bill Homans alias Watermelon Slim. Der 68-jährige Gitarrist, Mundharmonikaspieler, Komponist und Sänger veröffentlichte seine erste Platte bereits 1973. Das neue Album produzierte er zusammen mit dem Schlagzeuger und Percussionisten Scott Nolan. Golden Boy – der Titel nimmt Bezug auf ein Symbol der Stadt Winnipeg, in der die Songs aufgenommen wurden – ist eine Liebeserklärung an Kanada. Watermelon Slim wird auch für seine kritischen Texte geschätzt. Den Song „Winners Of Us All“ widmet er den Opfern des amerikanischen Traums, „Mean Streets“ handelt von Obdachlosen, „WBCN“ vom Kampf gegen die Neonazis. Neben sieben Eigenkompositionen präsentiert er eine Coverversion von „Barrett’s Privateers“, das als inoffizielle Hymne der Kanadier gilt, sowie Blind Willie Johnsons „You’re Gonna Need Somebody On Your Bond“. Als Begleitmusiker auf der Platte fungieren unter anderem Gilles Fournier (Bass), Jay Nowicki (E-Gitarre), Jeremie Rusa (Piano, Tasteninstrumente), Don Zueff (Geige), Joanna Miller (Percussion), Big Dave McLean (Harmonika) sowie Jolene Higgins und Sol James (Gesang). Das aufwendige Digipack zeigt viele Facetten des Vollblutmusikers und rundet die gelungene Produktion ab.
Annie Sziegoleit



Lateinamerika
 GUINGA: Canção Da Impermanência
GUINGA
Canção Da Impermanência
guinga.com
(Acoustic Music Records 319.1567.2/Rough Trade)
13 Tracks, 41:37


Der brasilianische Akustikgitarrist Guinga erschließt sich wahrscheinlich nicht jedem sofort. Die meisten brasilianischen Gitarristen vermitteln ein Feuerwerk an Spieltechnik, Rasanz und Virtuosität. Guinga dagegen wirkt manchmal eher so, als ob er etwas ausprobieren möchte und das Band zufällig mitläuft. Doch lassen wir ein Bild von einem ausgestorben wirkenden Dorf in der heißen Mittagssonne vorbeiziehen. Erklänge dazu Guingas Musik, dann passte sie perfekt. Es ist die Ausstrahlung einer stillstehenden Zeit, die so viel zu selten zu hören ist, nicht einmal auf meditativen Alben. Leicht und zart, besinnlich und friedlich, in sich gekehrt und intensiv wirkt Guingas Spiel, aber auch sakral bis beschwörend. Bei Guinga verschmelzen Stimme und Instrument. Insbesondere, wenn er seinen textlosen Gesang erklingen lässt, erinnert er an manche spirituellen Stücke von Baden Powell. Guinga zelebriert die Schönheit des Einfachen. Damit ist er vielleicht einer der Vorläufer der neuen Welle reduzierter Arrangements in Brasiliens Musik, denn er spielt so schon sehr lange. Musik für ruhige, besonnene Menschen zwischen Brasilien und portugiesischem Fado und einem Schuss Klassik, die stark nachwirken kann.
Hans-Jürgen Lenhart
 IAN LASSERRE: Sonoridade Pólvora
IAN LASSERRE
Sonoridade Pólvora
facebook.com/ilasserre
(Ajabu! 023/ Broken Silence)
8 Tracks, 34:16


Seit einigen Jahren verbreitet sich in Brasilien eine neue Ästhetik des Reduzierten. Insbesondere Sänger, die irgendwo zwischen MPB und Singer/Songwriter einzuordnen sind, setzen auf sparsame Instrumentierung und verhaltenen Gesang. Manches davon erinnert an ähnliche Aufnahmen aus der Mitte der Siebziger, so auch der sehr melancholisch wirkende Sänger und Gitarrist Ian Lasserre. Dennoch hat jedes seiner Stücke durch Gastmusiker mit ihren unterschiedlichen Instrumenten eine andere Klangfarbe. Das geht von der Mandoline zur arabisch klingenden Geige, von der Jazzgitarre bis zur Klarinette. Lasserre hat eine erzählerische, sanfte, unaufgeregte Stimme, die etwas an Celso Fonseca erinnert. Das ist eine Musik, die die Zeit stillstehen lässt. Gleichzeitig mag diese Rückbesinnung auf die Kunst der Reduktion zusammenfallen mit einer Zeit, in der in Brasilien aus wirtschaftlichen Gründen sparsame Produktionen angesagt sind. Scheinbar versteht man eine Tugend daraus zu machen. Das Album produzierte der Schwede Sebastian Notini, der schon mit Tigana Santana einen dieser neuen Minimalisten bekannt machte.
Hans-Jürgen Lenhart

Asien
 DIVERSE : Syrian Prayers
DIVERSE
Syrian Prayers
kkv.no
(Kirkelig Kulturverksted, FXCD 435)
14 Tracks, 60:00 , mit engl. Texten u. Infos


Angesichts des seit Jahren andauernden Krieges in Syrien wird leicht vergessen, dass die Region die älteste der Welt ist, in der mehr als zwanzig Religionen friedlich nebeneinander existierten. Allerdings bezeichnete Syrien vor der Gründung des heutigen Staates nach dem Zweiten Weltkrieg ein viel größeres Gebiet. Bilad Al Sham, das Heimatland Damaskus, umfasste damals auch den Libanon, Palästina, Jordanien sowie Teile des Irak und der Türkei. Der norwegische Produzent Erik Hillestad hat die religiöse Vielfalt der Region zum Anlass genommen, das große Spektrum der christlichen und islamischen Kulturen in Form von sakralen Liedern zu bewahren. Sein aktuelles Album präsentiert intensive Aufnahmen von zum Teil jahrhundertealten Gebeten der armenischen, assyrischen, chaldäischen und syrisch-orthodoxen Kirche sowie der byzantinischen Tradition, der Maroniten, Sunniten und Shia-Muslime. Eingesungen wurden die Lieder von syrischen und irakischen Flüchtlingen sowie von libanesischen Chören in Kirchen und Moscheen Beiruts und dem Bekaatal.
Erik Prochnow
 MASHKOOR ALI KHAN: Transcendance
MASHKOOR ALI KHAN
Transcendance
mashkooralikhan.com
(Nimbus Alliance NI 6340)
5 Tracks, 63:07


Wenn die eigene musikalische Sozialisation von temperierter Tonalität dominiert wurde, dann tut man sich mit den indischen Musikstilen naturgemäß etwas schwer. Und selbst, wenn man sich von den Glissandi indischer Musikinstrumente gerne wegschaukeln lässt – bei klassisch-indischer Vokalmusik scheitern selbst die gutwilligsten Hörer. Ein Scheitern, das wir ebenso bei gälischen Balladen oder spanischem Flamencogesang beobachten können, was aber wiederum kaum verwunderlich ist, haben beide Stile ihren Migrationshintergrund doch ebenfalls in der traditionellen Musik Rajasthans. Nun macht es der sechzigjährige Sänger seinem potenziellen Westpublikum aber nicht allzu schwer, sich in diese Musik einzuhören. Vier der fünf Ragas sind oft eingespielte Standards („Desh“, „Jhinjhoti“, „Bhupali“, „Basant“), lediglich der Raga „Shahana“ ist ein kleiner Exot. Zudem interpretiert der Meister die Werke nicht im klassisch-strengen Dhrupad-, sondern im eher volkstümlich-leichten Khayal-Stil. Auch sind die Spielzeiten – für indische Verhältnisse – eher kurz. Und wenn einem beim Raga „Basant“ plötzlich Donovans „Hurdy Gurdy Man“ in den Sinn kommt, dann ist der Zugang zu dieser wundervollen Musik so gut wie geschafft!
Walter Bast