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Ausgabe 4/2017


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 ROBERT HILBURN: Johnny Cash – Die Biografie / Aus dem Englischen von Henning Dedekind …
ROBERT HILBURN
Johnny Cash – Die Biografie / Aus dem Englischen von Henning Dedekind …
berlinverlag.de
(München [u. a.] : Berlin Verlag, 2016. )
846 S. : mit Abb. , ISBN 978-3-8270-1236-4 – 34,00 EUR


Seit seinem Tod im Jahr 2003 sind mehr als fünfzig Publikationen über Johnny Cash erschienen. Das Buch von Robert Hilburn dürfte mit seinen 832 Seiten jedoch die bislang umfangreichste Biografie sein. Hilburn war der einzige Journalist, der im Januar 1968 bei dem legendären Auftritt Cashs im Folsom-Gefängnis dabei war. Danach begleitete er als Musikkritiker der Los Angeles Times von 1970 bis 2005 den „Mann in Schwarz“ fast vier Jahrzehnte lang. Seine Interviews und Beobachtungen bilden die Grundlage für Hilburns enorm facettenreiche Darstellung eines ungewöhnlichen Musikerlebens mit all seinen Höhen und Tiefen. Gerade weil der Autor auch die dunklen Seiten Johnny Cashs in all ihren Details beschreibt – von seiner Drogensucht und seiner Medikamentenabhängigkeit bis zu seinen menschlichen Schwächen und Fehlern – ist sein Porträt eine ehrliche Liebeserklärung an einen Mann, der immer Haltung bewies. Ob er schwarze Kollegen wie Ray Charles und Louis Armstrong in seine von 1969 bis 1971 im TV ausgestrahlte Johnny Cash Show einlud – was gerade für die weiße Countryszene eine absolute Ausnahme war – oder ob er auf seinem Konzeptalbum Bitter Tears – Ballads Of The American Indian die Lebensbedingungen der US-Ureinwohner anprangerte. Interviews – neben Johnny Cash kommen seine Kinder John Carter und Rosanne ebenso zu Wort wie andere Musiker, darunter auch Bob Dylan – sowie einzelne Cash-Titel mit ihren Texten bilden den roten Faden von Hilburns Biografie. Man muss kein Cash-Fan sein, um diesen mit informativen und unterhaltsamen Fakten vollgepackten Wälzer mit großem Gewinn zu lesen.
Michael Kleff
 CLAUS LEGGEWIE (Hrsg.): Global Pop : d. Buch zur Weltmusik / Claus Leggewie, Erik Meyer (Hg.).
CLAUS LEGGEWIE (Hrsg.)
Global Pop : d. Buch zur Weltmusik / Claus Leggewie, Erik Meyer (Hg.).
metzlerverlag.de
(Stuttgart : Metzler, 2017.)
392 S. , ISBN 978-3-476-02636-1 – 29,95 EUR


Die Rezension von Sammelbänden ist eine undankbare Aufgabe, statt eines Themas gibt es gleich mehrere zu bewerten. In diesem Fall rund 44 Aufsätze in vier Themenkomplexen von Konzepten des Global Pop beziehungsweise der Weltmusik über Akteure wie Ry Cooder oder Alan Bern, Instrumente beziehungsweise Infrastrukturen, derer sich die aus allen Welten kommenden Musiken auf Festivals oder Messen bedienen, bis hin zu geografischen Räumen, in denen Musik zwischen Japan und Balkan zur Aufführung kommt. Entschuldigend erklären die Herausgeber, dass es bei der Zusammenstellung des Muts zur Lücke bedurfte und nicht alles zum Thema Einlass in den Band fand. Problematisch wird es anderswo: Wenn im ersten Teil um das Verstehen von Global Pop gerungen wird, dann geschieht das, von Ausnahmen abgesehen, in einem blumenreichen Soziologenneusprech, der kaum einen Praxisbezug zur realen Musik hat, sondern sich stattdessen in wundersamer Selbstbefruchtung von Theoriekonzept zu Theoriekonzept hangelt. Umso seltsamer wirkt es, wenn in den folgenden Musikerporträts ein eklatanter Mangel an theoretischer Durchdringung festzustellen ist. Sie verlaufen größtenteils auf rein beschreibender Ebene ab, ebenso wie die folgenden Texte über die Infrastrukturen, Instrumente und Räume der Musiken. Wenig vertrauensbildend in die Wissenschaftlichkeit ist zudem, dass sämtliche Beiträge ein großer blinder Fleck auszeichnet: Weltmusik, World Music oder Global Pop haben sich seit den Achtzigerjahren in Deutschland publizistisch vornehmlich in Publikums- und Fachzeitschriften sowie in Stadtmagazinen ereignet. Im deutschen Rolling Stone, in Jazzthetik, Jazzthing, später auch im Folker waren sowohl zur afrikanischen Musik als auch zum Balkanboom entscheidende Impulsinterviews und Texte zu lesen. Nichts davon findet Einlass in diesen Band. Das ist schon mehr als ein Hauch akademischer Praxisferne. Das Fazit sei deshalb mit den Worten der Herausgeber gegeben: „Global Pop ist ein gasförmiges Unternehmen, das in alle Richtungen ausfranst und schwer zu systematisieren ist.“ So ist es.
Harald Justin

 GERHARD POLT: Ekzem Homo.   GERHARD POLT: Der große Polt / e. Konversationslexikon / hrsg. v. Claudia Pichler.
GERHARD POLT
Ekzem Homo.
(Zürich [u. a.] : Kein & Aber, 2016. )
187 S. : mit zahlr. Farbfotos , ISBN 978-3-0369-5735-7 – 20,00 EUR


GERHARD POLT
Der große Polt / e. Konversationslexikon / hrsg. v. Claudia Pichler.
keinundaber.ch
(Zürich [u. a.] : Kein & Aber, 2017.)
167 S. , ISBN 978-3-0369-5763-0 – 12,00 EUR


Normalerweise dienen Textbücher von Theaterstücken der Nachspielbarkeit, doch wenn Gerhard Polt und die Well-Brüder etwas auf die Bühne bringen, ist das einmalig. Das kann man nicht nachmachen. Das Buch über Ekzem Homo hat also dokumentarischen Charakter, man kann noch mal in Ruhe zu Hause nachlesen, was man im Theater so schnell gar nicht mitbekommen oder behalten hat. Die zahlreichen Bilder geben einen guten Eindruck vom Verlauf der Aufführung in den Münchner Kammerspielen. Worum geht es? Den Menschen als Nachbar oder vielmehr die Frage, ob der Nachbar überhaupt noch ein Mensch ist oder ein Ekzem? Der alte Grantler Brezner, natürlich gespielt von Gerhard Polt, schimpft auf seinen Nachbarn Merki, der zufällig Schauspieler in ebendiesen Kammerspielen ist. Dazu treten singend, spielend und tanzend drei Herren mit einer Vielzahl von Instrumenten auf, die Well-Brüder. Und damit Brezner im Alter auch eine Pflegekraft hat, hat er sich im Internet ein farbiges Flüchtlingsmädel organisiert – Funke. In diesem Mikrokosmos geht nun die Post ab, voller Situationskomik, satirischer Spitzen, hinterfotziger Bemerkungen, Musik, Liedern und Mord und Totschlag. Ein wunderbares Buch.
Wer sich in den Polt’schen Humor noch genauer vertiefen will, der sollte zum Konversationslexikon des Kabarettisten greifen. „Die Lektüre des vorliegenden Glossars möge es dem Leser erleichtern, in Fettnäpfchen zu treten sowie sein eigenes Schmähpotential zu erweitern.“ Zwei- bis dreimal um die Ecke gedachte Definitionen, boshafte bayerische Spezialitäten, Wortschöpfungen, -spiele und -verdrehungen. Wer sich durcharbeitet durch den kleinen Band und das Gelernte schöpferisch weiter entwickelt, wird als Obergrantler zwar keine Freunde finden aber als Extremekzem gefürchtet sein.
Rainer Katlewski
 ENSEMBLE NOISTEN: Tanz Jerusalem! : Unsere Lieder auf deinen Lippen / gelesen von Nina Hoger & Felix von Manteuffel.
ENSEMBLE NOISTEN
Tanz Jerusalem! : Unsere Lieder auf deinen Lippen / gelesen von Nina Hoger & Felix von Manteuffel.
griot-verlag.de
(Stuttgart : Griot Hörbuchverl., 2017.)
Hörbuch, 29 Tracks, 75:38, mit 20-seit. Booklet , ISBN 978-3-95998-015-9 – 19,80 EUR


Nach vier „normalen“ Musik-CDs und einem ersten Hörbuch mit Texten von Else Lasker-Schüler wurde mit dem von Nina Hoger und Felix von Manteuffel gelesenen Tanz Jerusalem ein weiteres Hörbuch mit Texten jüdischer, christlicher und muslimischer Philosophen veröffentlich, „die den drei abrahamitischen Religionen“ entsprangen, darunter Martin Buber, Teresa von Ávila, Meister Eckhart, Ahmad Ghazali, Daniel Lifschitz und Dschalal ad-Din ar-Rumi. Der musikalische Beitrag beschränkt sich auf insgesamt neun Einspielungen, darunter zwei von Johann Sebastian Bach. Hervorstechend sind in jedem Fall die Stücke des Ensembles Noisten selbst, das sich aus Shan Dewaguruparan (perc), Andreas Kneip (b), Reinald Noisten (cl) und Claus Schmidt (g) zusammensetzt und auf dieser CD ergänzt wird durch Murat Cakmaz (Ney) und Robert Mäuser (Orgel). Man spürt in „Moshes Freylach“ oder „Tantz Jerusalem“ absolut Energiegeladenes. Aber ganz ehrlich: Als jemand, der selbst neun Jahre seines Lebens in Jerusalem verbrachte, kann der Rezensent mit dieser Veröffentlichung persönlich nichts mit der Stadt in Verbindung bringen. Die Hoffnung allerdings, dass scheinbar unüberbrückbare Gegensätze durch gemeinsame Musik gelockert werden können, stirbt natürlich zuletzt.
Matti Goldschmidt

 JOANN SFAR: Klezmer 5 : Tollhaus Kischinew / Übers. aus d. Franz.: Jana Lottenburger.
JOANN SFAR
Klezmer 5 : Tollhaus Kischinew / Übers. aus d. Franz.: Jana Lottenburger.
avant-verlag.de
(Berlin : Avant-Verl., 2017.)
97 S. , ISBN: 978-3-939080-89-3 – 19,95 EUR


Wer bislang gedacht hat, Klezmer würde (nur) eine Musikrichtung definieren, wird von dem französischen Comiczeichner und ehemaligen Rabbinerschüler Joann Sfar eines Besseren belehrt. Ausgiebig hat er innerhalb von fünf Comicbänden in Bild und Wort die Tragweite einer Lebensphilosophie mit dem Schicksal Klezmer definiert. Band eins führte ein mit einem „das Universum Klezmer“ erläuternden Vorwort eines Kollegen – ebenso lesenswert wie die fast jedem Band anhängenden Anmerkungen des Künstlers über Gesellschaft, Religionen, Kunst, Politik et cetera – und dem Hinweis auf das bis zum nun letzten Band umgangene Thema des Pogroms an den Juden. Nach zwölf Jahren hat Sfar seine fünfbändige Klezmer-Serie mit Tollhaus Kischinew abgeschlossen. Die Story ist dabei ebenso musikalisch wie der Stil Klezmer selbst. Eine zufällig zusammengewürfelte Gruppe schräger Musikertypen, fast alle jüdisch, schlägt sich mit List und Musik durch die Unbill des beginnenden zwanzigsten Jahrhunderts in Russland, latent vor der Kulisse sich zunehmend offenbarender Judenfeindlichkeit. Anführer der fünf ist „der Baron vom Arsch“, ein Pianist, dem nach einem Killerüberfall auf seine eigene Kapelle nur seine Mundharmonika geblieben ist. Zu ihm gesellen sich zwei Rabbinerschüler, ein Zigeuner, ein Fünzehnjähriger und die Sängerin Chava. Zusammen begegnen und entkommen sie dem Hunger, der Dummheit und Feindseligkeit, der Großzügigkeit und dem Tod – allerdings nicht alle. Doch keine Angst, in den bleischweren Momenten, seien es Mord oder Kapitulation, kriegt der Autor jedes Mal mit Ironie die Kurve in Richtung Humor. Ihre verwirrende Odyssee setzt Sfar in aquarellierten Tuschezeichnungen äußerst lebendig um. Im Prozess gestaltet er die Ausführungen der Panels gemäß dem Inhalt. Nach fast akkuratem Beginn im ersten Band wird es locker, wild, fast schlampig, dann monochrom, mal dominieren starre Outlines, mal lässt er die Vorzeichnungen stehen – eine Entwicklung wie in der Musik der Migration, ganz besonders in der des Klezmer.
Imke Staats
 MIKE HARDING: The Adventures Of The Crumpsall Kid : a Memoir.
MIKE HARDING
The Adventures Of The Crumpsall Kid : a Memoir.
mombooks.com
(London : O’Mara, 2015.)
256 S. : mit s/w-Fotos , ISBN 978-78243-452-8 – 18,99 GBP


Mike Harding, Jahrgang 1944, ist ein englisches Multitalent: Sänger, Musiker, Songwriter, Komödiant, Poet und Radiomensch, der mit seinem BBC-2-Folkprogramm bis zu einer Million Hörer hatte. Als wenn das nicht schon reichen würde, ist er auch noch Schriftsteller und braucht daher für seine Teilbiografie (0 bis etwa 17 Jahre plus) definitiv keinen Ghostwriter. Das erledigt er alles selbst und demonstriert dabei so ganz nebenbei auch ein ums andere Mal seinen Wortwitz –wobei ihm seine komische Ader zugutekommt. Crumpsall liegt einige Meilen nördlich von Manchester und war nie das, was man eine schöne Stadt bezeichnen könnte. Es war nicht zuletzt auch die erste Anlaufstelle für Menschen, die aus welchen Gründen auch immer Irland verlassen mussten, so wie Hardings Familie von der Oma bis zu Onkeln und Tanten. In den Vierziger- und Fünfzigerjahren war Crumpsall im Vergleich zu heute sozusagen ein anderer Planet. Der Halbwaise Harding – der Vater fiel im Krieg – erlebt Armut und Mangel an allen Ecken, aber auch viel menschliche Wärme und familiären Zusammenhalt. Und wie in einer irischen Gemeinschaft üblich, spielte die katholische Kirche eine wichtige und allzu oft negative Rolle. Das wird überdeutlich, als Harding auf eine weiterführende katholische Schule in Manchester wechselt. Die Musik, die Harding selbst macht, taucht naturgemäß erst später auf, genau auf Seite 172, exakt eine Seite, nachdem der Lektor übersehen hat, dass es für den deutschen Begriff „Volkslieder“ auch einen Singular gibt. Los geht es mit Skiffle und Lonnie-Donegan-Songs, bevor es mit einer festen Band The Stylos und Buddy-Holly-Rock-’n’-Roll weitergeht. Die Atmosphäre dieser Jahre ist wunderbar und lebendig eingefangen, die Geschichte eines einzelnen Kindes/Teenagers zwar, aber ein typisches Bild des Unterklassen-Englands Mitte des letzten Jahrhunderts. Trotz einiger ernsthafter oder philosophischer Passagen verschwindet ein Lächeln nie völlig vom Gesicht des Lesers.
Mike Kamp