Rezensionen der Ausgabe 3/2017
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A DANEEM Geschichten aus dem Hinterland adaneem.de (Focus/BSC-Music) 18 Tracks, 51:15 , mit Fotos u. dt. Infos
Blues und deutsche Mundart gehen immer wieder eigenwillige Liaisons ein, ob auf „Pälzisch“, Hessisch oder wie hier „Boarisch“. Schon in den Siebzigern, als Axel Küstner seine Bluesfeldaufnahmen in den USA machte (vgl. Folker 2/2017), waren die Oberbayern Dietmar „Dietz“ Forisch und Pit Holzapfel zusammen mit Arthur Dittlmann als Schnabufugl bairisch-bluesig unterwegs und bilden nun mit Peter Müller und Juli Mudra A Daneem. Dieses Quartett hätte mit seinem vielseitigen Instrumentarium denn auch gar keinen Platz auf einem Verandaschaukelstuhl, sondern höchsten daneben. Mehr mit bluesiger Coolness, humorvollem Pessimismus und Trotz als mit Melancholie und reiner Lethargie handeln die Lieder davon, zur falschen Zeit am falschen Ort zu sein, zum Beispiel im Hinterland festzuhängen, nicht schlafen zu können oder nicht zu merken, wenn die Liebe da ist. Und zwischendurch gibt es auch mal lateinamerikanische Klänge, Trauermarschmusik oder einen Zwiefachen, was alles gut ins Gesamtkonzept passt. Texte zum Mitlesen findet man auf der Website, außer denen der Bonustracks des Wortkünstlers Felix Hoerburger, dem das Album gewidmet ist. Michael A. Schmiedel
| BAD TEMPER JOE Solitary Mind badtemperjoe.com (Timezone Records TZ1329) 11 Tracks, 44:39 , mit engl. Texten u. Infos
Seine vierte Studioproduktion in drei Jahren hat der fleißige Akustik-Blues-Musiker und Komponist Johannes-Marius Assmann aus Bielefeld vorgelegt. Er spielt die Gitarre auf den Knien als Lapsteel und ist auch mit dem Slide auf seinen sechs Saiten vertraut. Der 25-Jährige, der sich in der deutschen Akustik-Blues-Szene bereits einen guten Namen gemacht hat, geht das Wagnis eines reinen Soloalbums mit klassischem Zwölftaktblues, Shuffle und Countryballaden ein. Fans von John Hammond und dem jungen John Lee Hooker werden ihre Freude daran haben. Bad Temper Joe nimmt uns mit auf eine gefühlvolle Reise in seine Gedankenwelt und geht dem Zuhörer nicht mehr aus dem Kopf. Bei Titeln wie „Honey For My Biscuit“ und „Most Things Haven’t Worked Out Yet“ begeistert sein Können als Gitarrist, sein „Love Song At 4 AM“ ist eine Klasse für sich. Das Osnabrücker Label Timezone hat mit diesem Künstler einen guten Fang gemacht. Joe spielt live auch mit eigener Band und wird musikalisch noch viel erzählen können. Annie Sziegoleit
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DICKE LUFT Drop It! dickeluft.de (Obst Musik DI116) 16 Tracks, 66:25
Es mag das bekanntere Kölner Blasorchester geben, die Brassband Dicke Luft ist die vermutlich langlebigste. Es gibt diesen mehr oder weniger losen Haufen von Amateuren und Profimusikern seit nunmehr fast vierzig Jahren. 1978 ging eine Truppe experimentierfreudiger Dilettanten an den Start, um die Blasmusik dem Alleinanspruch von Militär- oder Schützenkapellen zu entreißen. Damals konnte kaum ein Bandmitglied Noten lesen, dafür waren sie musikalisch wie politisch umso engagierter. Sie gingen auf die Straße, spielten gegen die Stollwerck-Besetzung in Köln, AKWs und Raketenstationierungen und für alles, was es aus vollem Herzen und tiefer Lunge zu unterstützen galt, etwa die Antiapartheitsbewegung und Roma-Solidarität. Der vierte Tonträger von „Kölns einzig wahrem Blasorchester“ bietet so unterschiedliche Musiken, wie es die Basisdemokratie der über zwanzig Musikerinnen und Musiker garantiert, und ihr jazz- und bluesgefärbtes Gebläse sorgt beim Hören nicht für dicke Luft, sondern für ausgesprochen gute Laune. Von John Coltranes „Impressions“ über „Venus“ von der Popband Shocking Blue und „Big Leg Anna“ aus der Feder Frank Zappas (jawohl, das passt zusammen!) bis hin zu Hanns Eislers „Andantino“. Ulrich Joosten
| HELLO PIEDPIPER The Raucous Tide hellopiedpiper.com (KF-Records/Broken Silence/Finetunes) 11 Tracks, 53:08 , mit engl. Texten
„Hallo Rattenfänger“ ist der Kölner Fabio Bacchet plus zwei Herren an Bass, Gitarre, Schlagzeug, Piano und Gesang. Der aktive Livespieler versammelt auf seinem zweiten Studioalbum Songs über persönliche Erlebnisse (zum Beispiel Geburt des eigenen Kindes – hier titelgebend – oder den Tod in der Familie) und die Schicksale anderer, zum Beispiel eines Flüchtlings („Lampedusa“). Entsprechend emotional und mitreißend klingt das, was er ideenreich und mit immer neuen Finessen schafft. Auf einen klassischen Folksong baut er Chöre, Kastagnetten, Glöckchen und Jazzklänge auf, bis es orchestral, poppig oder jazzig klingt. Doch Genres benennen zu wollen, ist hier Unsinn. Das Album ist ein Meer von warmen, manchmal bombastischen Klängen, voller ergreifender Phänomene, mit leicht näselnder (und etwas hintergründig aufgenommener) Stimme gesungen. Imke Staats
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ÒRAN IS PIOB Á Saoghal Eile – Aus einer anderen Welt oran-is-piob.de (Eigenverlag OiPCD1) 12 Tracks, 54:59 , mit dt.-gäl. Texten u. Infos
Òran Is Piob – das ist ein Trio bestehend aus der in Deutschland wirkenden Schwedin Anna Lindblom (Gesang, Klangwelten), dem Bonner Spezialisten für Gälisches, Michael Klevenhaus (Gesang), und dem Leiter der deutschen Dudelsack-Akademie Thomas Zöller (Pipes, Konzertina). Diese drei nehmen sich Balladen mit mythologischen Themen an – wie es sie (nicht nur) in den gälischen und skandinavischen Musiktraditionen zuhauf gibt – und bearbeiten sie. Bearbeitung ist das zentrale Anliegen der Gruppe, denn die Lieder werden nicht einfach schön gesungen – was Klevenhaus bestens beherrscht – und durch kompetentes Dudelsackspiel ergänzt. Nein, die Lieder werden nachempfunden, oft mit deutschsprachiger Einstimmung. Die ganz spezielle Atmosphäre jeder Geschichte wird gesucht, und da kommen Lindbloms Klangwelten wunderbar zur Geltung. Fantasievolle Klänge zwischen Percussion und Kanalrohr-Didgeridoo unterstützen und verstärken die Lieder über Feen, grüne Hündinnen und andere Bewohner jenseitiger Welten. Das muss man natürlich nicht glauben, um diese Lieder trotzdem kreativ und packend zu finden. Mike Kamp
| STROM & WASSER Herzwäsche strom-wasser.de (Traumton/Indigo) 13 Tracks, 47:24 , mit Texten
Heinz Ratz ist ein echter Achtundsechziger, ein Kind der alten Bonner Republik. Ratz verkörpert kosmopolitisches Leben wie kaum ein anderer. Er wurde „1968 in Bonn als Sohn eines deutschen Arztes und einer Peruanerin indianischer Herkunft geboren“ (Wikipedia). Sein Leben führte ihn in zahlreiche Länder, er probierte vieles aus, machte spektakuläre politische Aktionen. Sein politisches Engagement, gegen Rechts, für Flüchtlingshilfe und Umweltschutz, spiegelt sich auch in den Liedern von Strom & Wasser wieder. Harte treibende Rhythmen, rockige, schnelle Songs und klare Worte mit rauchiger Stimme, die jede Süßlichkeit vermeidet. Lieder gegen die selbstgerechte Spießigkeit, gegen falsche Idyllen und gegen deutsche Gespenster. Aber auch ganz persönliche Songs sind vertreten. Der alte Heinz Ratz trifft auf den heutigen, wie ginge das aus? Ganz berührend „die alten Hände dieser kleinen Frau“, eine ganz eigene Variante von „Mutters Hände“. Bis zur Bundestagswahl will die Band übrigens als Teil des Netzwerkes Büro für Offensivkultur alle Konzerte ohne Eintrittsgeld veranstalten. Rainer Katlewski
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MICHAEL VAN MERWYK Fight The Darkness bluesoul.de (Timezone Records TZ1327/Timezone) Promo-CD, 14 Tracks, 43:41
Preise für seine Musik, auch internationale, hat er schon so einige eingeheimst. Jedoch ist jede neue Veröffentlichung ein „wieder auf Los“, will man sich als wandlungsfähiger Künstler präsentieren. Michael van Merwyk jedenfalls begeistert auch mit der nun vorliegenden reduzierten Form des Blues. Seine Zutaten der Reduktion sind dabei eine Stimme, eine Gitarre, „live“ im Studio, nur ein Tag Zeit, keine Overdubs, am Stück gespielt („one take“). Das Konzept geht auf, denn so viel Ruhe, solch ein „laid back feeling“ wie hier findet man nur selten. Meist gibt der Daumen auf den Basssaiten die Metrik vor. Mit angenehmer Stimme in der Mittellage singt van Merwyk über das Leben, dessen Irrungen und Wirrungen, die Möglichkeiten zur Neuorientierung. Stoisch der Grundrhythmus, geschlagene Akkorde, feines Fingerpicking (herrlich: „Heavy Load“), jedoch nie in beifallsheischende Akrobatik verfallend; das braucht er nicht. Immer wieder glitzern kurze Slidepassagen auf, akzentuieren die Bedeutung des Songtextes. Tiefe Metaphern des Blues verwendet er im Titelstück: „… darkness falling, black-eyed dog at your door …, fight the darkness, go for the light …“. Einfach, klar, reduziert. Achim Hennes
| FALK ZENKER Falkenflug falk-zenker.de (Acoustic Music Records/Rough Trade) 12 Tracks, 55:45
Sansula, Chimes, Percussion, klassische Gitarre und nur ein Musiker? Wer jetzt an aufwendige Studio-Overdubs denkt, liegt ganz falsch. Der Weimarer „Klassik“-Gitarrist Falk Zenker arbeitet auf seinem vierten Album ganz so, wie man ihn auf der Bühne erlebt – alles live, auch wenn es kaum vorstellbar ist. Mittels ausgefuchster Looptechnik und ausgestattet mit etlichen Effektgeräten, ist er in der Lage, quasi orchestral zu Werke zu gehen. Barfuß werden Pedale gedrückt und Regler bewegt. Klingt sehr technisch, und ist es auch. Die Kunst besteht allerdings darin, dass das alles dermaßen organisch geschieht, dass man rasch vergessen kann, dass da ein Musiker im Alleingang erstaunliche Klangwelten kreiert. Musikalisch ist der Rahmen, wie auf den Vorgängeralben, so weit wie ein klarer, besternter Abendhimmel. Flamencoanklänge, mittelalterliches Volkslied („Es geht ein dunkle Wolk’ herein“ oder „O Plangens Vox“, nach einer Melodie von Hildegard von Bingen), afrikanische Grooves, ja, selbst unerwartet bluesrockige Ausflüge gibt es. Meist klingt es einfach nach Falk Zenker, einem Künstler, der mit allen musikalischen Wassern gewaschen ist und auf höchstem Niveau komponiert, improvisiert und arrangiert. Rolf Beydemüller
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