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Ausgabe 6/2016


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Afrika
 INNA MODJA: Motel Bamako
INNA MODJA
Motel Bamako
innamodja.com
(Warner/NuzzCom Music)
Promo-CD, 12 Tracks, 42:47


Ein Foto auf ihrer Website zeigt Inna Modja vor einer Wand voller Schubladen. Bewusst oder nicht, die Verbindung zur Vielfältigkeit ihrer Musik drängt sich geradezu auf. Kein Titel auf Motel Bamako klingt wie der andere. Ja, noch extremer formuliert, jedes Stück lässt sich einem anderen Genre zuordnen. Dieses Album ist somit eine absolut ungewöhnliche Produktion. Einerseits mag dies an den unterschiedlichsten Gästen liegen, die hier zu Wort kommen, andererseits gelingt die Integration verschiedener Stile auf einem Album selten so gut wie hier. Ein buntes, in vielen musikalischen Farben schillerndes Afrika wird hier präsentiert. Viele Einflüsse aus der modernen Welt sind hörbar. Obwohl mittlerweile in Paris lebend und zum Teil in England aufnehmend, hat Inna Modja ihre Musik afrikanisiert. Sie singt global orientiert auf Englisch und Französisch, aber auch authentisch in Bambara. Das Album ist ein Spiegel der Zeit, sowohl in den Texten als auch in der Musik. Gleichzeitig bekommt man einen Vorgeschmack, was noch aus Mali zu erwarten ist. Die ihr vom Verlag zugewiesene Schublade mit der Aufschrift „Global Pop“ könnte Inna Modja schon bald zu eng werden.
Christoph Schumacher



Nordamerika
 JENNY BERKEL: Pale Moon Kid
JENNY BERKEL
Pale Moon Kid
jennyberkel.com
(Pop-Up Records/Cargo Records)
11 Tracks, 36:28


Nach einer EP im vorigen Jahr nun das Debütalbum von Jenny Berkel aus Kanada. Als Tourmitglied in der Band von Daniel Romano hat sie bereits einiges von der Welt gesehen. Wohl deshalb hat es einige Zeit gedauert, bis sie ihre eigenen Songs hat einspielen können. Produziert hat Romano, was sich deutlich in der Musik niederschlägt, doch steht bei Berkel nicht Countryflavour im Vordergrund, sondern eine scheu wirkende, verhaltene Intimität. Häufig sind nur ihre leicht rauchige Stimme und die akustische Gitarre zu hören, wobei sie leicht an eine Art weiblichen Leonard Cohen erinnert. Berkel hingegen bestreitet seinen Einfluss. Stattdessen bezeichnet sie Rainer Maria Rilke als wichtigen Einfluss und ihren Lieblingsdichter. Tatsächlich legt Berkel sehr viel Wert auf die Texte ihrer Songs. An deren Umsetzung in Musik feilt sie lange. Herausgekommen ist mit Pale Moon Kid ein verhaltenes Album. Gelegentlich wird sie von einer Band begleitet, was der Musik manchmal eine oberflächliche Glätte verleiht. Am stärksten wirkt Berkel in ihren stillen Momenten, wenn sie allein zur Gitarre singt, da ist sie ganz bei sich, und die zauberhafte Atmosphäre ihrer Songs kommt voll zum Tragen.
Michael Freerix
 KIMBERLY HAYNES: Awaken Me
KIMBERLY HAYNES
Awaken Me
musicmedicinewoman.com
(Wise Old Owl Records KHM - 9113/The Creative Service Company)
11 Tracks, 64:13


Musik als Heilung und für einen inneren Frieden in einer von Stress geplagten Welt. Das ist der Anspruch der amerikanischen Singer/Songwriterin Kimberly Haynes. Ausgebildet in Jazzgesang, Improvisation und Komposition, leitet die Musikerin heute eine eigene Praxis, in der sie nicht nur Gesangsunterricht und Workshops gibt, sondern die Stimme auch als Instrument der Heilung einsetzt. Nebenbei hat sie nun ihr Debütalbum aufgenommen. Mit glasklarer, kräftiger und berührender Stimme präsentiert sie elf eigene Songs über die Höhen und Tiefen ihres Lebens, die zugleich Wegweiser für andere sein sollen. Haynes bezeichnet ihre musikalisch und textlich ausdrucksstarken Kompositionen als Gebete. Von Folk und Pop über Jazz bis zur Weltmusik demonstriert sie ihre Kreativität in unterschiedlichsten Stilen. Unterstützt wird sie dabei vom Multiinstrumentalisten David Vito Gregoli und renommierten Musikern wie Peter Kater, Tina Malia, Ken Stacey, Christo Pellani oder Jesus Florido.
Erik Prochnow

 ITASCA: Open To Chance
ITASCA
Open To Chance
itascalosangeles.com
(Paradise Of Bachelors Records/Cargo Records)
11 Tracks, 41:29


Hinter Itasca verbirgt sich die junge US-amerikanische Songschreiberin Kayla Cohen, die 2012 mit Grace Riders On The Road ihr Debütalbum veröffentlichte – auf dem, gerade in der Off-Szene, wieder sehr trendigen Medium Kassette. Damit hat sie sich von vornherein dem Underground zugeordnet. Sie entwickelt ihr Ding für sich, zieht es für sich durch. Geld und Erfolg stehen ganz hinten an. Kayla Cohen steckt tief in einer folkloristischen Tradition, davon zeugt das Fingerpicking auf ihrer akustischen Gitarre. Geradezu scheu singt die junge Frau dazu. Ihre Musik wirkt überaus privat, mehr für sich selbst und ein paar Freunde gemacht. Balladen sind Cohens Metier, gelegentlich tauchen im Arrangement eine Pedal-Steel-Gitarre oder eine elektrische Gitarre auf, durch deren Präsenz ihre nicht besonders eindrucksvolle Stimme etwas in den Hintergrund gedrängt wird. Open To Chance hat seine schönsten Momente, wenn Cohen ganz allein zu ihrer Gitarre singt und ihr Folkbewusstsein seine volle atmosphärische Kraft entfalten kann. Wenn schließlich noch Geige und Flöte in ihren Songs anklingen, wirkt sie ganz in ihrem Element. Da scheint dann der Geist von John Fahey vorbeizuschweben und zu sagen: „Take it away, Kayla!“
Michael Freerix
 MICHAEL HEARNE: Red River Dreams  SHAKE RUSSELL: Little Bright Band Of Light  MICHAEL HEARNE & SHAKE RUSSELL: Only As Strong As Your Dreams
MICHAEL HEARNE
Red River Dreams
michaelhearne.com
(Howlin’ Dog Records HDR-127)
12 Tracks, 40:28


SHAKE RUSSELL
Little Bright Band Of Light
shakerussell.com
(Howlin’ Dog Records HDR-126)
13 Tracks, 48:20


MICHAEL HEARNE & SHAKE RUSSELL
Only As Strong As Your Dreams
(Howlin’ Dog Records HDR-125)
11 Tracks, 42:12


Michael Hearne und Shake Russell scheinen so was wie beste Freunde und Kollegen zu sein. Songs schreiben sie gemeinsam, ihre jeweiligen Soloalben entstehen in enger Zusammenarbeit, und darüber hinaus treten sie auch noch als Duo auf. Sie sind sozusagen aus einem Holz geschnitzt. Schwer zu sagen, wo die Grenzen liegen, wo Mr. Hearne aufhört und Mr. Russel anfängt und umgekehrt. Sogar gesanglich unterscheiden sie sich kaum, harmonisieren auf allen Songs beinahe traumhaft. Songs und Arrangements aller drei Alben bewegen sich im Feld des traditionellen Country & Western, beim einen ist mal mehr die Mandoline zu hören, der andere legt wohl mehr Wert auf perfekt ausproduziertem Harmoniegesang. „One Song leads to another“ heißt es in einem Song, und es gibt wohl kaum trefflichere Beispiele als diese drei Alben. Hearne und Russell beflügeln sich gegenseitig und folgen musikalischen Visionen, die dicht beieinander liegen und eng begrenzt sind. Das Leben auf dem Land in harmonischen Familienzusammenhängen bildet die Grundstimmung. Es gibt Enttäuschungen und mancherlei Mühsal, doch diese lassen sich überwinden, und neuer Mut schöpft sich aus der Natur und den Grundfesten der doch stabilen sozialen Beziehungen, die in diesen Songs besungen werden. Unharmonisches wird ausgeblendet. Hearne und Russell machen Musik aus dem US-amerikanischen Herzland, wohl für Menschen, die dort leben oder ähnliche Lebensentwürfe verfolgen. Ihre Alben haben sie über Fundraising finanziert, was vermuten lässt, dass sie in ihrer Heimatstadt Alamosa in Colorado über eine stabile Fan- und Freundesbasis verfügen.
Michael Freerix

 DANIEL LANOIS: Goodbye To Language
DANIEL LANOIS
Goodbye To Language
daniellanois.com
(Anti/Indigo)
Promo-CD, 12 Tracks, 36:48


Ein neues Werk des Kanadiers Daniel Lanois ist immer eine Sensation, denn es versprüht Freiheit. Der geniale Gitarrist und Produzent, der einst das Klangprofil von U2 schuf, verlieh vielen großen Namen sein Klanggewand, darunter Bob Dylan, Brian Eno, Neil Young und Peter Gabriel. Stets weilt er dabei still und weise, einem Magier gleich, im Hintergrund und bleibt, so scheint’s, trotz seiner Popularität nur Insiderkreisen vorbehalten. Seit acht Jahren gilt seine Hingabe der Pedal Steel Guitar, die er liebevoll „die Kirche in meinem Koffer“ nennt. Mit ihr kreiert er ambitionierte Meditationsmusik wie meditative Ambientmusik im Breitwandformat. Lanois transformiert expressiv, doch ohne Worte die Musik der französischen Impressionisten ins 21. Jahrhundert. Er ist einer der bedeutendsten Gitarristen der Gegenwart, der ohne wimmelnd flinken Fingerhagel das Substanzielle des Klangs erfahrbar macht, ein Surfen auf Clusterwellen bewirkt, die den Hörer in ferne Sphären beamen. Lanois ist es gelungen, sein unlöschbares Wasserzeichen zu schaffen, eine unverkennbare Klangdichte, die viel Luft lässt für all unsere unaussprechlichen Gefühle. Warum sollte er sie missen, die Sprache? Goodbye To Language. Grandios.
Stefan Sell
 MANDOLIN ORANGE: Blindfaller
MANDOLIN ORANGE
Blindfaller
mandolinorange.com
(Yep Roc Records CD-YEP-2487/H’art)
Promo-CD, 10 Tracks, 39:29


Ruhe und Zurückhaltung zeichnen dieses Album aus, der fein dosierte zweistimmige Gesang, der sanfte Einsatz etwa von Mandoline und Pedal Steel. Die beiden Multiinstrumentalisten Emily Frantz und Andrew Marlin erweitern ihr Duoprojekt hin zu einer kompletten Band, in der offenbar jeder auf den anderen achtet und Feingefühl als oberstes Gebot gilt. Es hat nur eine Woche gedauert, das Album einzuspielen, was auf große Übereinstimmung deutet in dem, was schließlich als Ergebnis dasteht. Bluegrass, Country, Folk, um diese Pole kreisen die Songs, die voller Melancholie stecken, vom Vergehen der Zeit handeln und der daraus erwachsenden schmerzlichen Erkenntnisse. Die Vergangenheit lässt sich nicht ein zweites Mal leben. „When did all the good times turn to hard lines on my face / And lead me so far from my place right by your side?“, fragt sich Andrew Marlin auf „My Blinded Heart“. Zwischen die Balladen und sanften Shuffles passt auch ein vergleichsweise kerniger Rocker über das Leben auf Tour wie „Hard Travelin’“ – das Duo aus North Carolina integriert es organisch in seinen Klangkosmos, in dem auch E-Gitarren selbstverständlichen Platz finden. Eine reife Arbeit junger Menschen.
Volker Dick

 BRETT NEWSKI: Land Air Sea Garage
BRETT NEWSKI
Land Air Sea Garage
brettnewski.com
(Make My Day Records, MMD 101)
11 Tracks, 37:00 , mit engl. Texten


Erfrischend, selbstironisch, unbekümmert und zupackend ist das neue Album von dem Mann aus Milwaukee. Indiepopfolk mit luftigen Arrangements, eingängig, aber nicht banal, bunt, aber nicht kitschig. Brett Newski nimmt die Sache ernst, aber der Humor bleibt dabei nicht auf der Strecke, wie das in Prag gedrehte Video zu „Garage“, mit wunderbarem Tom-Petty-Double beweist. „Nomad/Songman/Person“ fasst der Untertitel auf der Website sein Selbstverständnis als Person zusammen. Mit wenig technischem Aufwand kann man praktisch überall professionell klingende Aufnahmen machen und somit zu der Tradition des reisenden Musikers zurückkehren, der den Rhythmus von Studio, Album, Tour, der mit Beginn der Plattenaufnahmen vor einem guten halben Jahrhundert begann, schon wieder anachronistisch wirken lässt. Etwas anderes als die Hoffnung, ein Popstar zu werden, scheint eine nicht kleine Gruppe von Musikern wie Newski zu motivieren, eigene Pfade durchs Unterholz zu schlagen. Die Verschmelzung von Leben und Arbeit. Ob Straßenmusik oder große Bühne, egal. Musik als Schlüssel, um tiefer in andere Kulturen einzutauchen. Wo man singt, da lass dich nieder… – ein alter Sinnspruch feiert sein Comeback.
Dirk Trageser



Lateinamerika
 MARIANO MAROVATTO: Selvagem
MARIANO MAROVATTO
Selvagem
marovatto.org
(Embolacha)
8 Tracks, 14:45 , mit Infos u. Texten


Ein fortschreitendes Stakkato auf der Gitarre, darüber eine weiche Stimme, die über einen Jungen singt, der davon träumt, cangaceiro („Räuber“) zu werden. Sein Vorbild, Lampião, wurde zum Mythos marodierender Banditen, die den Sertão unsicher machten. Das endlose Hinterland im Nordosten Brasiliens gilt seit Urzeiten als „Selvagem“ ? Portugiesisch für „wild, barbarisch und unzivilisiert“. Die acht Miniaturen, die der brasilianische Dichter und Sänger Mariano Marovatto zusammengetragen hat und die gemeinsam mit dem Gitarristen Pedro Sá eingespielt wurden, verströmen die Stille und den schweren Atem des Hinterlandes mit seinen ausgetrockneten Böden und misstrauischen Viehhirten. Karg, minimalistisch und urtümlich stark sind die Lieder arrangiert. Sie stammen von fast vergessenen Autoren aus der Provinz Brasiliens und Portugals. Der Sertão erwacht in den Tracks sechs und sieben mit der Stimme der japanischen Vokalistin Ami Yamasaki zum Leben ? das Rebhuhn ruft, und die Geräusche des Urwalds kommen näher. Knappe fünfzehn Minuten reichen aus, dem stummen Hinterland zu einer Stimme weitab klischierter Forroromantik zu verhelfen.
Martin Steiner