Rezensionen der Ausgabe 6/2016
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DEUTSCHLAND
| PETER KERLIN Some Shining Light peterkerlin.de (S.T.I.R Music 516) 12 Tracks, 56:46 , mit Texten u. Infos
Nach sieben Jahren gibt es ein neues Album des Goslarer Singer/Songwriters, sein fünftes als Solist beziehungsweise mit Jens Kommnick, wie es auf dem Cover heißt. Es sind Lieder vom Suchen und Finden, von der Reise, auf der der Weg das Ziel ist, von Ländern und Landschaften wie dem irischen County Donegal und seiner Natur. Peter Kerlin versteht es meisterhaft, Emotionen und Schicksale in Poesie und Melodie zu fassen, ohne in Kitsch oder übermäßiges Sentiment abzugleiten. Seine Songs beschreiben nicht nur, wie das Eröffnungs- und Titelstück, romantische Erinnerungen. Es sind auch politische Statements darunter. Der Text des Liedes „Talk To Me“ etwa ist von beklemmender Aktualität: „My Name is Muhammad, I was born far away. / I still love this place here, and I hope I may stay. / I don’t ask for open arms, just for a friendly hand / to help me feel less foreign in this land.“ Der Song „Close To The Heart“ erinnert daran, dass wahre Freundschaften nicht in sozialen Medien stattfinden, sondern rar sind und gepflegt werden sollten. Ein musikalischer Herzensfreund des Liedermachers ist der Celtic-Fingerstyle-Gitarrist Jens Kommnick, mit dem Kerlin seit vielen Jahren zusammenarbeitet und sich blind versteht. Es ist ein Genuss, die beiden Musiker auf der Bühne zu erleben und zu hören, wie sich die virtuose, filigrane Saitenarbeit der Oktavmandoline (beziehungsweise irischen Bouzouki) mit der Gitarre mischt und Kerlins samtene Baritonstimme einbettet. Auf dem Album nun kann Kommnick dank Overdubtechnik seine Fähigkeiten als Multiinstrumentalist einbringen. So schleicht sich hier und da eine geschmackvolle Tin- oder Low-Whistle-Begleitung ins Arrangement, umschmeichelt ein Cello die Saiteninstrumente, veredeln Uilleann Pipes, Bass, keltische Harfe und Klavier den Gesang. Da soll noch jemand behaupten, dass es in Deutschland keine Musikerpersönlichkeit vom Format eines Andy Irvine oder Christy Moore gebe. Peter Kerlin steht nicht nur in der Tradition dieser Musiker – er steht mit ihnen auf Augenhöhe. Ulrich Joosten
| GROSSBRITANNIEN
| YORKSTON/THORNE/KHAN Everything Sacred Pyorkstonthornekhan.com (Domino Recordings WIGCD367) Promo-CD, 8 Tracks, 51:00
Fusionen können eine feine Sache sein, Folk mit Rock zum Beispiel oder Jazz mit Klassik. Aber gleich drei Genres mischen, dabei kann doch nur ein undefinierbarer Musikbrei entstehen, oder? Vielleicht, aber nicht, wenn drei Könner unterwegs sind, die ihr Ego irgendwo unterwegs abgelegt haben. James Yorkston, schottischer Singer/Songwriter/Gitarrist aus der Indiefolk-Ecke, Jon Thorne, Kontrabassspieler der Gruppe Lamb, und Sarangivirtuose Suhail Yusuf Khan treffen mit ihrem semiimprovisierten Debüt grandios ins Schwarze. Indischer Folkjazz sozusagen, aber die Zutaten sind immer hörbar, vermischen sich weniger als dass sie sich ergänzen, komplementieren und verstärken. Die Sarangi ist ein Streichinstrument der klassischen indischen Musik mit dreiundvierzig Saiten und wie geschaffen dafür, die Solofunktion zu übernehmen. Subhail Yusuf ist der Enkel von Ustad Sabri Khan, den Kenner als den größten Sarangispieler aller Zeiten bezeichnen. Über sein Können hinaus bringt Subhail musikalische Abenteuerlust und Offenheit für alle möglichen Einflüsse mit. Letzteres gilt auch für James Yorkston und Jon Thorne, wobei man das von einem Jazzer, der von Danny Thompson inspiriert wurde und wird, durchaus erwarten darf. Yorkston jedoch gilt eher als Prototyp des eher introvertierten Liederschreibers, ausgestattet allerdings mit einem ausgesprochen trockenen Humor und einer Nyckelharpa bei zwei Tracks. Singen und komponieren können sie alle drei, Letzteres einzeln oder gemeinsam. Und diese drei eigentlich unterschiedlichen Typen begeben sich auf eine faszinierende musikalische Reise zwischen meditativen Melodien und Liedern sowie ekstatischen, kaskadenhaften Klängen. Sozusagen als Krönchen des Ganzen fungiert bei drei Liedern die irische Sängerin/Pianistin Lisa O’Neill. Live ist das genauso spannend, wenn nicht noch prickelnder. Die Begegnung Yorkston/Khan war purer Zufall (Thorne wurde später eingeladen) und ist der Beweis dafür, dass sich geniale Musik nicht planen lässt. Mike Kamp
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IRLAND
| BEOGA Before We Change Our Mind beogamusic.com (Beogamusic 06/Eigenvertrieb) 11 Tracks , mit engl. Infos
Die fünf Jahre seit der Veröffentlichung ihres letzten Studioalbums How To Tune A Fish haben sich in Beogas Klangsprache bemerkbar gemacht. Längst sind sie in ihrer nunmehr zwölfjährigen Geschichte als „recording band“ abgerückt von dem klassischen Jigs-and-Reels-Modell und haben kontinuierlich einen Sound angestrebt, der die kleinschrittigen Formen der irischen Folkmusik in größer angelegte Arrangements fügt und sich gegen die mitunter einengende Zuschreibung zum Irish Trad querstellt. Niemals gelang ihnen dieses Unterfangen so elegant und in sich abgerundet wie auf diesem, ihrem fünften Album Before We Change Our Mind. Beoga verorten ihre Tunes in einem Genrehybrid, das sich allenfalls als „contemporary“ bezeichnen ließe, sich aber in letzter Instanz bewusst der Zuordnung entzieht. So streifen die instrumentellen Arrangements nicht wie vormals vereinzelt und gimmickhaft Jazz und Pop, sondern sind von vornherein modern und eklektisch angelegt, bewusst gefällig und tanzbar. Als besonders stimmig in dieser Hinsicht sind die Tracks „Eochaid“ und „Aurora“ zu nennen, in denen Tunes mit zwischengeschalteten Soundscapes verbunden und eingeleitet werden. Aus dem harmonischen und melodischen Material entwickelt die Band musikalische Bewusstseinsströme mit flirrenden Akkordeons, vollbauchiger Percussion durch Eamon Murray am Bodhrán und vor allem Liam Bradleys groovenden Klavierarrangements, die sich besser denn je in den Gesamtklang einfügen. Wie üblich zeichnen Damian McKee (Akkordeon) und Sean Óg Graham (Akkordeon, Gitarre) für die Komposition der Airs, Jigs und Reels verantwortlich. Ihr untrügliches Gespür für knackige Tanznummern und empfindsame Melodien erhebt die Band endgültig zu ihrem primären Charakteristikum. Neben der stringenten zeitgenössischen Interpretation, die dem Album eine klare konzeptuelle Linie verleiht und den Reel „On The Run“ sogar programmatisch werden lässt, wirken die eingestreuten traditionellen Songs trotz Niamh Dunnes (Gesang, Geige) einnehmender Darbietung fast deplatziert. Judith Wiemers
| ITALIEN
| PEPPE BARRA ...E Cammina Cammina peppebarra.altervista.org (Marocco Music ASIN: B01G6QIEAE/iCompany/I World) 13 Tracks, 42:00
Er ist eine musikalische Urgewalt! Der neapolitanische Sänger Peppe Barra ist in seiner Ausdruckskraft kaum zu überbieten. Man hört ihn förmlich mit den Augen rollen, er krächzt und kichert, mit einem Wort, er ist die Inkarnation der emotionalen neapolitanischen Musik, bei der man auch immer die Verbindung zur italienischen Oper spürt. In vielen Liedern lotet er die Spannweite der Dynamik absolut aus. Wenn Barra loslegt, flüstert er, dann schreit er plötzlich schrill, hebt unwillkürlich das Tempo an, sodass man erschrickt. Er erzählt, singt aber auch herzergreifende Balladen, bei denen man sich den Mondschein über der Bucht von Neapel vorstellen könnte. Dann wieder klingt es zum Mitklatschen wie im Zirkus, und so einiges in seiner Musik erinnert an die berühmte Humoreske „Titine“ von Charles Chaplin aus dem Film Moderne Zeiten. Barra singt auf Neapolitanisch, ein Dialekt, der sich merklich vom Italienischen unterscheidet. Dies sollte aber niemand hindern, ihn zu genießen. Selbst wenn er ein Gedicht rezitiert, ist dies ein Erlebnis. Er steht schon fünfzig Jahre auf der Bühne und weiß inzwischen die neapolitanische Musik in andere Stile einzubinden, vom Blues bis zur Sufimusik. Die Überschreitung stilistischer Grenzen ist eines seiner Markenzeichen, wodurch er eine Art Musik des Mittelmeerraums generiert. Auf seinen bisherigen Alben hat er eine unglaubliche Verbindung zwischen der neapolitanischen Musik und der des Orients, des Balkans, aber auch der Tarantella und der Barockmusik geschaffen. Schwelgerische Ohrwürmer wie das unschlagbare „Matina“ aus seinem gleichnamigen Album sollte man ebenso unbedingt gehört haben. Als Film- und Theaterschauspieler ist er zudem eine Ikone der neapolitanischen Komödie. Seine umwerfende Wirkung kann man auf seinem neuen Livealbum … E Cammina Cammina wie auch auf dem früheren In Concerto gut nachvollziehen. Wer wirklich auf Entdeckungen in italienischer Musik aus ist, dem dürfte hier vor Staunen der Mund offenstehen. Hans-Jürgen Lenhart
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