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Ausgabe 3/2016


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 AFRO CELT SOUND SYSTEM: The Source
AFRO CELT SOUND SYSTEM
The Source
afroceltsoundsystem.org.uk
(ECC Records, Promo-Copy)
13 Tracks, 78:13


Sie können’s noch immer! Nach zehn Jahren also endlich wieder ein Studioalbum der vielköpfigen Truppe, die mit Leidenschaft und Kreativität ihrem Bandnamen erneut alle Ehre macht. Die faszinierenden Rhythmuswechsel und die elegante Mixtur unterschiedlichster Instrumente bilden das Fundament der durchweg eingängigen, aber nie ermüdenden oder langweiligen Songs. Für Arrangements und Produktion ist wieder Saitenvirtuose Simon Emmerson verantwortlich. Ihm zur Seite stehen vor allem der guineische Sänger, Kora- und Balafonspieler N’Faly Kouyate und Percussion-Ass Johnny Kalsi (bisweilen mit seiner TDF/The Dhol Foundation), nebst Moussa Sissoko (Djembe, Talking Drum). Für den keltisch-irischen Gegenpol an Uilleann Pipes und Whistles sorgen unter anderem Davy Spillane und Emer Mayock sowie Gälisch-Rapper Griogair und die Sängerin und Flötistin Rioghnach Connolly. Letztere kann sich insbesondere in dem sphärisch-mystischen, dem nigerianischen Dichter Chiua Achebe gewidmeten Song „Beware Soul Brother“ oder aber auch dem Tanzlied „Honey Bee“ (mit Bothy-Band-Zitaten) hervortun. Sehr gelungen auch der von Dhol-Trommeln und irischer Traverse Flute geprägte Parforceritt „The Magnificent Seven“. Phänomenal!
Roland Schmitt
 AMSTERDAM KLEZMER BAND: Oyoyoy
AMSTERDAM KLEZMER BAND
Oyoyoy
amsterdamklezmerband.com
(3S Music Group LC12228/Edel Kultur)
Promo-CD, 13 Tracks, 55:35


Pünktlich zum zwanzigjährigen Bestehen bringt die Amsterdam Klezmer Band ihr vierzehntes Album heraus. Der beeindruckende Backkatalog der Band spricht nicht nur Bände über die Chemie zwischen den Musikern, sondern bezeugt ebenso ein waches, jung gebliebenes Ensemble mit einer ungebrochenen Spielfreude und währenden Neugierde am Material. Wie gewohnt spielen die Holländer modern interpretierten Klezmer, den sie mit Anleihen aus Funk, Reggea, Jazz und Rap anreichern. Besonders der Titeltrack „Oyoyoy“ ist eine discotaugliche Tanznummer mit sprühender Energie, erzeugt durch die unermüdlichen, immerzu vorwärtsstrebenden Offbeats, und auch beim rotzigen „Ringdingdang“ dürfte kein Bein am Boden bleiben. Für das vorliegende Album kehrt das Musikerkollektiv nach absolvierten Projekten mit Balkan Beats DJs zu den schon in ihren frühen Jahren gepflegten akustischen Produktionen zurück, was einmal mehr die virtuosen Fähigkeiten der Musiker dokumentiert, den spezifischen Klang der Instrumente einfängt und dennoch nichts an Diskotauglichkeit einbüßt. Empfehlenswert auch die schwofige Gesangseinlage von Alec Kopyt auf „The Hipster’s Life“.
Judith Wiemers

 BARLUATH: At Dawn Of Day
BARLUATH
At Dawn Of Day
barluath.com
(Eigenverlag BARL001)
11 Tracks, 47:25 , mit engl. Infos


Wir kennen das schottische Luxusproblem: Das instrumentell-technische Niveau des Nachwuchses ist durch spezielle Folkstudiengänge zum Beispiel in Glasgow oder Newcastle immens hoch. Auch die sechs von Barluath haben zuerst im Center for Excellence in Plockton und später am Royal Conservatoire in Glasgow sehr gut aufgepasst. Pipes (zweimal!), Fiddle, Gitarre, Piano, Whistle etc. werden perfekt bedient, die Auswahl der traditionellen und zeitgenössischen Songs und Melodien passt, und die Arrangements sind clever. Die Gefahr besteht, dass bei all dem Können das Gefühl und der Spielwitz auf der Strecke bleiben. Barluath umschiffen diese Klippe bei ihrem zweiten Album erfolgreich. Zum einen haben sie mit Ainsley Hamill eine Sängerin der Extraklasse, deren Altstimme vielleicht nicht jedermanns Sache ist, die jedoch die Bandbreite von gälischen Waulking Songs bis zu Donavans „Catch The Wind“ mit viel Ausdruck und Charakter interpretieren kann. Und zum anderen hat sich Barluath mit Anna Massie eine augenzwinkernde Produzentin an Land gezogen, die von Klängen kalter Perfektion immer schon meilenweit entfernt war. Barluath hat Massies Art verinnerlicht und gilt daher zu Recht als eine der großen jungen Bands in einer an Nachwuchs reichen Folkszene.
Mike Kamp
 XABIER DÍAZ E ADUFEIRAS DE SALITRE: The Tambourine Man
XABIER DÍAZ E ADUFEIRAS DE SALITRE
The Tambourine Man
xabierdiaz.com
(Músicas de Salitre)
12 Tracks, 52:12 , mit galic. u. span. Infos u. galic. Texten


Wer eine Schwäche für iberischen, gar speziell galicischen Folk hat, der wird sich womöglich im Handumdrehen verlieben in dieses Album des Pandeireta und andere Instrumente spielenden, singenden sowie komponierenden Folkloristen aus La Coruña. Die dritte Veröffentlichung unter eigenem Namen (neben etlichen anderer Projekte) realisierte der Enddreißiger mit der betörend zärtlichen Stimme zusammen mit elf traditionell verankerten singenden Adufe-Spielerinnen sowie zwei weiteren Instrumentalisten (an Drehleier, Geige und Akkordeon). Zu den darüber hinaus noch geladenen, durchweg illustren Gästen gehören unter anderem Aleix Tobias, Mastermind der katalanischen Percussiongruppe Coetus, der baskische Trikitixa-Spieler Kepa Junkera sowie der galicische Gaitero Xosé Manuel Budiño. Das Dutzend adaptierter Traditionals diverser Regionen Galiciens ist musikalisch überaus überzeugend und ein Freude machender Beweis, wie sich Traditionsnähe mit moderner, luftdurchlässiger Anmutung klanglich aufs Beste vereinen lässt (Anspieltipp: „Cantiga da Montaña“). Díaz gehört mit seinen vielfältigen Arbeitserfahrungen mit unterschiedlichen Musik- wie auch Tanzensembles zu den kreativsten Protagonisten der galicischen Neofolkszene.
Katrin Wilke

 DIVERSE: The Journey Continues … Fellside At 40
DIVERSE
The Journey Continues … Fellside At 40
fellside.com
(Fellside Recordings FECD272)
3 CDs, 57 Tracks, 233:00 , mit engl. Infos


So was Ähnliches gab’s schon mal, und das hieß angesichts des Dreißigjährigen Landmarks. Nun feiert eines der größten der kleinen britischen Folklabels sein neuerliches Jubiläum, wieder mit Stil und finanziellem Vorteil für die Hörerschaft. Paul und Linda Adams’ bisheriges Lebenswerk umfasst eine solch diverse und attraktive Anzahl von Künstlern aus dem englischen Süden bis zum schottischen Norden (mit Ausflügen in diverse anglophile Gefilde), dass der Platz hier nicht ansatzweise ausreicht, um einen Überblick zu geben. Versuchen wir es mit einem klitzekleinen Ausschnitt: Frankie Armstrong, Sara Grey, Pete Morton, Martin Carthy & Dave Swarbrick, Peter Bellamy, John Kirkpatrick, Greg Russell & Ciaran Algar, Jez Lowe … Die prallen, fast vier Stunden Musik zum Sonderpreis sehen die Labelmacher aus dem malerischen Lake District explizit als Ergänzung zur ersten Jubiläumstrilogie, Überschneidungen ausgeschlossen, exklusive Neueinspielungen allerdings nicht. Man kann es so ausdrücken: Wenn Sie dieses Jahr vorhaben sollten, sich nur eine einzige Folkproduktion aus Großbritannien zuzulegen, dann sollte es definitiv diese sein. Stilistisch breiter geht es einfach nicht.
Mike Kamp
 DJ VADIM: Dubcatcher 2 – Wicked My Yout
DJ VADIM
Dubcatcher 2 – Wicked My Yout
djvadim.com
(Soulbeats Records SBR088/Broken Silence)
Promo-CD, 16 Tracks, 70:31


Dass ein geografisch präzise verortetes Musikidiom von einem Künstler aus einem gänzlich anderen Kulturkreis so verlustfrei getroffen wird wie der jamaikanische Reggae in all seinen Spielarten von DJ Vadim, ist verblüffend. Noch verblüffender scheint es, wenn man bedenkt, dass der in Leningrad geborene und seit dem Alter von sechs Jahren in London aufgewachsene DJ noch nicht einmal auf das Genre fixiert ist, sondern auch in sämtlichen Stilen zwischen Soul und Hip-Hop, Elektro, Jungle und Grime darum herum gleichermaßen zu Hause ist. Es bekommt dem Reggae – homogen synthetisch aus allen möglichen Quellen zusammengesetzt, trifft er den Originalton gleichwohl exakt. Und zwar sowohl den der Rootslegenden wie den der Dancehall-Toaster und den zeitgemäßer Partyska-Modelle dazu. Das ist auch den durch die Bank betörenden Sängern zu verdanken, den durch die Bank halsbrecherisch virtuosen Toastern und Rappern – vom Säulenheiligen Max Romeo über Inja bis Kathrin deBoer, von General Levy über Tippa Irie bis Jman. Aber vor allem ist es das Werk des Russen aus London, seiner Riddims und Grooves – unwiderstehlich, sowohl wenn sie aufputschen, als auch wenn sie das Adrenalin wieder herausschaukeln …
Christian Beck

 THE GLOAMING: 2
THE GLOAMING
2
thegloaming.net
(CDRW212, Real World Records)
12 Tracks; 69:44 , sparsame Infos


Während die erste Produktion des All-Star-Ensembles mich 2013 nicht so richtig gepackt hatte, sprang hier der Funke sofort und massiv über. Bereits die erste Nummer „Pilgrim’s Song“, eine Vertonung eines alten irischen Texts, rhythmisch, akkordisch und melodisch kombiniert mit einem traditionellen Reel, fesselt die Aufmerksamkeit des Zuhörers mühelos! Allein die Kombination von Martin Hayes’ lyrisch-explosiver Fiddle und Caoimhin O’Raghallaighs abweltlich klingender Hardanger d’Amore ist fast überirdisch ergreifend, ergänzt durch das kongeniale Gitarrenspiel von Denis Cahill, Martins langjährigem Duopartner. Bei Vokalist Iarla O’Lionard scheint man für den traditionellen irischen Gesang einen ganz neuen Impetus, fast ein neues Gesicht wahrzunehmen – dies war auch schon bei seiner Mitwirkung im Afro Celt Sound System zu spüren. Thomas Bartlett steuert ein feinfühlig-vielschichtiges Pianoarrangement bei. Virtuosität, Trance, psychedelische Passagen und dynamische Intensivierung zur Steigerung der Dramatik sind die Grundbausteine des Ensembles, welches hier ein wahres Meisterwerk geschaffen hat. Anders als bei vielen Irish-Trad- Produktionen spielt hier nicht die Masse an Tunes eine Rolle, sondern ihr inneres Gefüge, das Herauskitzeln von wichtigen emotionalen Details beim graduellen Aufbau der musikdramatischen Höhepunkte. So viel Schönheit selbst einfacher traditioneller Melodien habe ich selten angetroffen. Und dann noch dieses mysteriöse Cover als I-Tüpfelchen einer grandiosen Gesamtkomposition! Vermutlich mein irisches Album 2016 – meist bleibt es bei einem!
Johannes Schiefner
 LES CERVEAUX LENTS: Heiß und fürchterlich
LES CERVEAUX LENTS
Heiß und fürchterlich
lescerveauxlents.be
(Zephyrus Music ZEP028/Galileo MC)
11 Tracks, 54:12 , mit engl. u. dt. Infos


Die sechs Belgier von Les Cerveaux Lents, zu Deutsch „Die langsamen Gehirne“, gibt es in ihrer heutigen Zusammensetzung zwar schon seit 2002, doch dieser Tage legen die Musiker, die sonst vornehmlich in Cafés, bei Hochzeiten und Trauerfeiern ihre Kunst zum Besten geben, endlich ihr Debütalbum mit eigenen Kompositionen vor. Sie verstehen sich als Klezmertruppe, und das Instrumentarium (Akkordeon, Klarinette, Geige, Kontrabass, Gitarre, Percussion) bezeugt dies. Hörbare Einflüsse beziehen sie jedoch auch von anderen musikalischen Kulturen und vermengen mit sicheren Händen und Ohren jüdische, arabische und sogar äthiopische Sounds. Die arabische Klangwelt wird besonders auf dem Track „Mbala“ evoziert, und der das Album eröffnende „Tanz“ stellt die verschiedenen folkloristischen Traditionen in einer fröhlichen, wahrhaft tanzwütigen Nummer selbstbewusst nebeneinander. Die dabei entstehenden Reibungen eröffnen neue musikalische Räume und betonen nicht etwa die Differenz, sondern das Potenzial für spannendes Zusammenspiel, das Entdecken unbekannten Territoriums und vor allem die ungezwungene Freude an der Musik. Zwischen halsbrecherische Klarinetten- und Geigensoli (Adriaan Verwée und Renauld Gilbert) mischen sich die jazzige Gitarre von Eduardo Vega und die Stimme Michael de Shryvers, der mit einem Kafka-Zitat und einem Ausspruch Sigmund Freuds den konzeptionellen Unterbau des Albums ironisierend rezitiert
Judith Wiemers

 THE PAUL McKENNA BAND: Paths That Wind
THE PAUL McKENNA BAND
Paths That Wind
paulmakennaband.com
(Eigenverlag PBM001CD)
10 Tracks, 36:55


Die Paul McKenna Band aus Glasgow trägt diesen Namen nicht von ungefähr. Der Chef ist die zentrale Figur, er singt (und zwar intensiv), spielt Gitarre und schreibt die meisten Lieder. Der Rest stammt von Jim Read, Alistair Hulett, Peggy Seeger und Mr. Trad, nicht zu vergessen zwei Instrumentalsets von Flötist Seán Gray. Die gemeinschaftlich und abwechslungsreich arrangierten Songs auf dem vierten Album haben einen klaren Nenner: die Gesellschaft so, wie sie ist, aber nicht unbedingt sein muss. Politische Songs wäre eine starke, wenn auch nicht ganz falsche Vereinfachung. Neben den Bandmitgliedern Ewan Baird (Percussion) und Conor Markey (Banjo, Mandoline, Bouzouki) geben Mike Vass, James Lindsay, Rod Paterson und John McCusker Gastspiele, wobei Letzterer zusätzlich als Produzent gewiss einen nicht unbedeutenden Anteil am Gelingen dieses überzeugenden Albums hatte.
Mike Kamp
 DOMINIC MILLER & MANOLITO SIMONET: Hecho En Cuba
DOMINIC MILLER & MANOLITO SIMONET
Hecho En Cuba
dominicmiller.com/manolito-live.de
(Q-Rious Music/Edel)
9 Tracks, 35:09 , mit engl. u. span. Infos


Mitunter klingt ein Album nicht nach dem Ort, wo es – womöglich sogar mit Musikern von dort – entstand. Das ist auf verschiedene Weise bei den beiden Veröffentlichungen der Fall. Der Sting-Gitarrist ging mit Kubas führendem Timba-/Latinpop-Pianisten und Bandleader in dessen Heimstudio in Havanna. Herausgekommen sind, unter Mitwirkung von Simonets Trabuco-Bandmitgliedern, acht solide, smoothe, nicht allzu kreativ „latinisierte“ Miller-Kompositionen zuzüglich einer von Simonet. Die instrumentalen Neuinterpretationen klingen den zum Teil durch Sting bekannten Originalen recht ähnlich. Einziges Vokalstück ist der Opener des mit der emblematischen Kubaflagge auch optisch etwas uninspirierten Albums.
Katrin Wilke

 TOKAME: Eres La Tierra Más Linda
TOKAME
Eres La Tierra Más Linda
tokame.info
(59 music/H’Art)
11 Tracks, 58:30 , mit span. u. engl. Infos


„Berühr mich“ (auch: „Spiel mich“) ist der schon im Bandnamen manifestierte Wunsch der in Europa, vor allem Deutschland und der Schweiz lebenden zehn Musiker. Das Gros sind exzellente kubanische Instrumentalisten und Sänger, angeleitet von einem slowenischstämmigen, offenbar Kuba-affinen Bassisten, der kurioserweise auch mehrheitlich die spanischsprachigen Kompositionen verantwortet. Fast alles ist waschechte Timba, wie der titelgebende Einstiegstrack, der in kubatypischer Manier die – in dem Fall – ferne Heimat mit lobenden Superlativen verhängt.
Katrin Wilke
 LES MUSICIENS DE SAINT-JULIEN & FRANÇOIS LAZAREVITCH: The High Road To Kilkenny
LES MUSICIENS DE SAINT-JULIEN & FRANÇOIS LAZAREVITCH
The High Road To Kilkenny
lesmusiciensdesaintjulien.fr
(Alpha 234/Alpha Classics)
18 Tracks, 69:17 , mehrsprachige ausführliche Infos


Mit überschäumender Spielfreude fasziniert das französische Ensemble um den Flötisten François Lazarevitch. Eine ungewöhnlich starke Darbietung irischer Musik aus dem 17. und 18. Jahrhundert! Werke von O’Carolan, Connellan, Peacock und anderen irischen Komponisten des Barock verbinden sich mit einem offensiven und sehr stilsicheren Herangehend der Solisten. Das Ensemble ist der Spielweise auf barocken Instrumenten (Theorbe, Viola d’Amore und andere) sehr verbunden, wobei klassische Virtuosität auf Augenhöhe neben Stilsicherheit und traditioneller Phrasierung der Solostimmen steht. Findet man O’Carolan sonst auf vielen irischen Produktionen eingepackt in den Charme traditioneller Musik, hört man ihn hier im Ductus des Barock – ein fesselndes, packendes Hörerlebnis. Tenor Robert Getchell rundet das Bild mit seinem wunderbaren Tenor aufs Feinste ab. Eine fantastische Produktion – höchste Empfehlung für Freunde dieses Grenzbereichs zwischen Barock und traditioneller Musik.
Johannes Schiefner

 RACHEL NEWTON: Here’s My Heart Come Take It  BOREAS: Ahoy Hoy
RACHEL NEWTON
Here’s My Heart Come Take It
rachelnewtonmusic.com
(Shadowside Records SHADOW02)
9 Tracks, 34:31, mit engl. u. gäl. Texten


BOREAS
Ahoy Hoy
boreasband.com
(Isle Music Scotland ISLE04CD)
11 Tracks, 46:31 , mit engl. u. gäl. Texten


Newton ist eine der talentiertesten und fleißigsten Musikerinnen Schottlands. Ihr Talent und ihr Selbstbewusstsein werden auf ihrem dritten Soloalbum überdeutlich. Die Harfenistin und Sängerin in Englisch und Gälisch glänzt ebenso als Komponistin ihrer meist dunklen Lieder, ein Gegensatz zu Newtons fröhlichem Wesen. Die Arrangements und der Sound sind dicht, Letzteres sicherlich ein Verdienst ihres Percussionisten und Mitproduzenten Mattie Foulds, der wie Fiddlerin Lauren MacColl Teil des Rachel Newton Trios ist.

Fleißig und offensichtlich gut organisiert ist Newton, weil sie nicht nur eine gefragte Gastmusikerin ist, sondern auch in diversen anderen Bands/Projekten wie The Shee oder im Emily Portman Trio (im Juli in Rudolstadt) mitwirkt. Oder bei Boreas, einem neuen, paritätisch norwegisch-schottisch besetzten Damenquartett. Neben Newton sind Lori Watson (Fiddle), Britt Pernille Froholm (Hardangerfiedel) und Irene Tilling (Akkordeon) an Bord. Diese Gruppe sollte eine fantastische Zukunft haben, denn selten waren die beiden Kulturen gleichberechtigter und dichter zusammen zu hören, ohne die Wurzeln zu verkleistern und neue Einflüsse auszuschließen. Garantiert eines der schönsten Alben des Jahres!
Mike Kamp
 PÄRE: Hausjärvi Beat
PÄRE
Hausjärvi Beat
facebook.com/parepipes
(Zebo Records)
8 Tracks, 55:56


Dudelsäcke (säkkipilli) waren vom Mittelalter bis Anfang des 19. Jahrhunderts in Finnland verbreitet, wo man damals damit zum Tanz aufspielte. In den letzten zweihundert Jahren sind sie aber dort in Vergessenheit geraten. Der finnische Pianist, Gitarrist und Mandolinenspieler Petri Prauda (*1972) studierte an der Sibelius-Akademie ab 1998 den Dudelsack als zweites Instrument. Er spielt als Solist und in diversen Gruppen wie Frigg und Plektronite mit. Da über die Instrumente und das Repertoire der früheren Dudelsackspieler wenig bekannt ist, hat die aus renommierten finnischen Musikern bestehende Gruppe versucht, den Klang des Mittelalters bis ins 19. Jahrhundert nachzuempfinden, eine Tanzmusik mit Polskas, Walzern, Menuetten und Schottischen zu spielen. Die Mischung von Dudelsack, Kantele (Piia Kleemola), Schäferflöten und Maultrommel (Tapani Varis) und Percussion (Oskari Lehtonen) ergibt ein ganz besonderes Klangbild. Weit über das Traditionelle hinaus gehen das zehnminütige „Trepatska“ mit den ständig wiederholten Tonfolgen und einer sehr starken Dynamik sowie das Set „Laulu/Pajatusta/666“. Die gesamte Vielfalt des Albums offenbart sich beim mehrmaligen Hören – nicht nur für Dudelsackspieler.
Bernd Künzer

 REELROAD: Past The Gates
REELROAD
Past The Gates
reelroad.spb.ru
(CPL-Music CPL 009)
12 Tracks, 43:45


Past The Gates fegt mit atemberaubender Geschwindigkeit durch die russische Folklore. Bei Reelroad stimmt nicht nur die Geschwindigkeit, sondern auch die musikalische Qualität. Die Arrangements sind ausgesprochen gewitzt und voller Überraschungen, die Lieder klingen wie aus einem Guss. Der Gang zur Tanzfläche liegt hier genauso nah, wie das andächtige Lauschen vor der High-End-Anlage. Reelroad, das ist sozusagen der Sidekick von Otava Yo, die Musiker sind zum Teil identisch, und wenn die musikalische Ausrichtung auch differiert, kann man getrost behaupten, wer Fan der einen Kapelle ist, wird mit Sicherheit auch Fan der anderen. Trotz aller rockiger Wucht ist Past The Gates ein lupenreines Folkalbum, und das macht dieses Werk so angenehm. Die russischen Folkinstrumente von Kaljuka bis Zhaleika ergänzen sich auf natürliche Weise mit Dudelsack oder Gitarre, ohne als exotisches Ambiente missbraucht zu werden. Past The Gates ist wundervoll abwechslungsreich. Bereits der Opener weckt angenehme Erinnerungen an Baba Yaga oder die Farlanders, und Songs wie „Old Man’s Plot“ können es mit jeder Rockhymne aufnehmen. Wenn Reelroad live genauso überzeugen wie auf Platte – nichts wie hin.
Christian Elstrodt
 SOYKA STIRNER: Tanz  SOYKA STIRNER: Tanz Zwei
SOYKA STIRNER
Tanz
soykastirner.com
(Lotus Records/Non Food Factory nff 2352)
17 Tracks, 79:20


SOYKA STIRNER
Tanz Zwei
soykastirner.com
(Lotus Records/Non Food Factory nff 2352)
17 Tracks, 71:42


Der Wiener Autor und Musiker Ernst Molden hat den beiden Musikanten Walther Soyka und Karl Stirner ins Beiheft geschrieben, dass sie Herren aus Wien seien. Das heißt erst einmal nur, dass sie aus der heutigen Szene des Neuen Wienerlieds nicht mehr wegzudenken sind. Stirner, weil er sich mit seiner Zither ebenso wie Sojka mit seinem Knopfakkordeon sowohl bestens in der Tradition der österreichischen Folklore auskennt, sich aber auch avantgardistischen Neuerungen gegenüber nicht verschließt. Letztere haben auf diesen beiden Alben, die im Zeitraum von sieben Jahren nacheinander entstanden, wenig zu suchen. Stattdessen gibt es Traditionelles, etwa den „Pischinger Marsch“, Neueres vom Meister der „imaginären Folklore“ Louis Sclavis oder gleich Eigenkompositionen im Stil einer Polka. Das Duo spielt sich in einen Spielrausch hinein, beschwört Balkaneskes, Walzer und macht Flamencoanleihen. Die traumwandlerische Zusammenarbeit klingt allerdings selten glatt oder bloß gefällig, sondern in dem Sinne nach Wean, wie es Molden meinte: Beim Hören sollte man, wie wahre Herren, trunken vor Glück nicht vom Bankerl fallen. Höchstens ein kleines Stück hinabgleiten ins Glück.
Harald Justin

 FERHAT TUNÇ: Kobani
FERHAT TUNÇ
Kobani
ferhattunc.net
(Kirkelig Kulturverksted FXCD 417/Indigo)
12 Tracks, 65:66 , mit engl. Texten u. Infos


Das dreiundzwanzigste Werk von Ferhat Tun rüttelt musikalisch und vor allem thematisch auf. Der renommierte kurdische Musiker und Menschenrechtler, der viele Jahre in Deutschland gelebt hat, setzt sich erneut über alle Grenzen hinweg und erzählt in seinen zwölf emotionalen Liedern von den Repressionen des türkischen Staatsapparates oder des IS gegenüber den ethnischen Minderheiten der Aleviten, Kurden, Armenier und Jesiden. Schon der Titel Kobani ist herausfordernd, steht die syrische Stadt an der türkischen Grenze doch als Symbol für den Sieg der Kurden über den IS. Ferhat Tunҫ ist in dieser Zeit in der Stadt gewesen. Erneut erhebt der Zweiundfünfzigjährige daher seine Stimme für das Bewahren kulturellen Reichtums und das Überwinden von Grenzen. Das demonstriert er auch musikalisch. In seinen anspruchsvollen Kompositionen verwebt er türkische sowie kurdische Musiktraditionen mit Singer/Songwriter-Einflüssen und Pop-Rock-Elementen. Herausragend ist etwa das Duett mit Mari Boine, einer Vertreterin des in der Vergangenheit in Skandinavien verfolgten Volkes der Sami. Die Welt braucht mehr solcher furchtlosen Künstler des politischen Liedes.
Erik Prochnow