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Ausgabe 3/2016


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 BECKER: Nackig baden gehen?
BECKER
Nackig baden gehen?
becker-music.com
(Moanin Moa13026-2/Finetunes)
14 Tracks, 53:18 , mit Texten


Wie angenehm. Das ist der erste Impuls beim Hören von Nackig baden gehen?. Die vom Albumtitel geschürte Befürchtung einer drolligen Max-Goldt-Kopie ist unbegründet. Auch kein Hinweis auf Hamburger Alltagsbetroffenheit, keine Spur von schlechtem deutschem Hip-Hop und – hurra! – auch keine Folkpop-Liedermacherei. Stattdessen wundervoll relaxte Reggaeklänge mit zweistimmigem Gesang und entspannten Texten, die wir Peter Fox gewünscht hätten. Becker singt mit seiner ureigenen Klangfarbe, die besagtem Fox ein wenig ähnelt. Und auch hier Skaelemente, die nicht nach Marley klingen müssen, wie angenehm. Becker singt auf Deutsch, wie angenehm. Die Texte sind griffig und unprätentiös. Das macht Becker zur optimalen Sommerpartyempfehlung. Das Album hält den Stil durchgehend. Kritischen Hörern fehlt vielleicht die Abwechslung, dafür ist die Scheibe bei jeder Lautstärke, also auch im Hintergrund gut hörbar. Becker bietet Erleichterung, ein Gefühl das wir heutzutage dringend brauchen. Ein Geschenk für jeden gequälten Musikjournalisten und vermutlich für jeden anderen Menschen ebenfalls. Beckers Skaband war übrigens ebenfalls ein Erlebnis, aber das nur am Rande.
Christian Elstrodt
 DIVERSE: Franken-“Herz“ – Das „Who is who“ der fränkischen Musikszene (2. Teil)
DIVERSE
Franken-“Herz“ – Das „Who is who“ der fränkischen Musikszene (2. Teil)
intraton.de
(Intraton)
CD 1: 18 Tracks, 78:51, CD 2: 20 Tracks, 78:38, CD 3: 17 Tracks, 78:14 , mit dt. Infos


Der Radiomacher Alfred Urban von Radio Afk Max Nürnberg und der Bayreuther Musiker Sandy Wolfrum stellten nach Franken-“Sterne“ zum zweiten Mal eine CD-Box mit Musik aus Franken zusammen. Es ist eine kunterbunte Mischung vieler populärer Musikstile: Rock, Pop, Blues, Soul, Hip-Hop, Jazz und Liedermacherei. Viele Stücke könnten auch sonst woher kommen, vieles klingt amerikanisch oder international, da scheinen die Musiker zwar in Franken zu wohnen, aber fränkische Musik ist das nicht. Und doch ist es gute Musik, die dem stilistisch aufgeschlossenen, an Qualität interessierten Hörer genussreiche Stunden beschert. Ähnliche Kompilationen dieser Musikstile, mit englischen und standarddeutschen Texten oder rein instrumental gespielt, mag man auch in anderen Teilen Deutschlands zusammenstellen können, aber so richtig unverwechselelbar fränkisch wird es freilich bei den Mundarttexten, auch wieder quer durch alle Musikstile. Da kommen die Schönheit regionaler Sprache und zugleich ihre Aktualität so richtig zum Vorschein, wobei die Texte teils ebenso regionale Besonderheiten, teils allgemein Menschliches thematisieren. Diese drei CDs sind somit jedem zu empfehlen, dem gute Musik und/oder Franken am Herzen liegen. Das Beiheft enthält leider keine Texte.
Michael A. Schmiedel

 FRIEDRICH UND WIESENHÜTTER: OSW
FRIEDRICH UND WIESENHÜTTER
OSW
friedrich-wiesenhuetter.de
(Lieschen Müller Entertainment)
13 Tracks, 54:23


Bei Ansicht des Albums stehen zunächst mal alle Zeichen auf Geheimnis. Zwei Namen sind zu sehen: Friedrich und Wiesenhütter. Titel des Albums: OSW. Was ist nun dies? Wenn es Ost, Süd, West heißen soll, wo bleibt der Norden? Oder heißt es „Omas super Waffeleisen“? Ein Bild auf der Innenseite zeigt zwei reifere Männer auf einem Sofa. Doch wer ist wer? Ein Booklet gibt’s nicht. Aber wir Rezensenten haben ja Begleitzettel. Ich weiß, den Inhalt von Waschzetteln soll man immer abstrahieren. Hier steht: Anspruchsvolle Lyrik und virtuose Gitarre aus Köpenick. Oha! Nur keine Halbheiten. Mit gemischten Gefühlen hör ich mal rein. Und – auch wenn der Begriff „anspruchsvoll“ ziemlich nichts sagend ist – die Texte sind super! Gleich der erste trifft mich voll ins Herz: „Das liegt am Alter …“. Mit dem nötigen Augenzwinkern natürlich. Die Stücke sind sparsam arrangiert, aber ausreichend, um einen lockeren Groove zu erzeugen. Und der Kollege Wiesenhütter kann offenbar meisterlich Gitarre spielen. Ich möchte fast sagen „virtuos“. Das zeigt sich auch bei den drei Instrumentalstücken. Ein wirklich hörenswertes Album. Nur wenn diese Berliner uns im Norden was von Juist vorschwärmen – dann haben sie Recht. Ein feines Werk. Nur die Sache mit dem Booklet …
Jörg Ermisch
 KITTY HOFF: Plot Point Sieben
KITTY HOFF
Plot Point Sieben
kittyhoff.de
(Herzog Records/Soulfood/Believe Digital)
Promo-CD, 12 Tracks, 48:09 , Texte


Die Lieder Kitty Hoffs lassen sich nicht so leicht einordnen. So geheimnisvoll oder auch unverständlich der Titel des Albums Plot Point Sieben, so haftet auch den Texten Kryptisches an. Keine Geschichte ist einfach und gradlinig, das Dasein und die Menschen sind uneindeutig und widersprüchlich. Die Zeit fließt und zerrinnt ohne tieferen Sinn dahin, ein Hauch von Beliebigkeit breitet sich aus. So nimmt es nicht Wunder, dass sie selbst es seltsam fände, wenn ihre Musik Mainstream werden würde. Um diesem Blick auf die Konfusionen etwas abzugewinnen, bedarf es der Muße, sich auf die Texte einzulassen. Musikalisch gelingt der Einstieg deutlich einfacher. Hoffs weiche, gar liebliche Stimme wird von ihrer Band mit unterschiedlichen, abwechslungsreichen und gefälligen Sounds begleitet und getragen. Auch hier keine Eindeutigkeiten. Klavier, Bläser oder E-Gitarre, Ausflüge in Soul-, Country- und Swinggefilde, ob Ballade oder tanzbar, sie nehmen leichthin den Hörer mit. Es ist das sechste Album der westfälischen Wahl-Berlinerin, mit dem sie auch diesmal wieder auf eigenen Pfaden durch die Chansonlandschaft wandelt.
Rainer Katlewski

 DAVID STEWART INGLETON: Mary Bell On Cipralex
DAVID STEWART INGLETON
Mary Bell On Cipralex
davidstewartingleton.com
(Timezone/Timezone Distribution)
Promo-CD, 7 Tracks, 24:53


Der Australier David Stewart Ingleton spielt Americana auf Banjo und Gitarre. New South Wales ist seine Heimat, doch schon lange lebt Ingleton in Deutschland. Seine Musik klingt erstaunlich altertümlich, als wären seine Songs in den 1920er-Jahren aufgenommen. Doch nichts da, Ingleton stand für die Aufnahmen auf diesem Album in einem Berliner Tonstudio, und die Songs entstammen seiner Feder. Tatsächlich ist Ingleton schon seit mehr als fünfzehn Jahren in Europa unterwegs, allerdings hauptsächlich in und um München tätig gewesen. Lange Zeit trat er mit dem US-amerikanischen Songschreiber Jason Serious im Duo auf. Ingleton beschreibt sich selbst als tief im Blues und Bluegrass verwurzelt, weshalb er häufig das fünfsaitige Banjo spielt und jahrelang bei einem Banjospieler lernte. Auf Mary Bell On Ciraplex gibt es allerdings mehr folkiges Material. Er begleitet sich auf Mundharmonika und mit der akustischen Gitarre. Seinen Unterhalt bestreitet Ingleton hauptsächlich als Straßenmusiker, nur selten spielt er in Clubs. Seine Songs wird man also eher zufällig an einem anonymen Ort mitten in der Stadt zu hören bekommen. Aber es gibt einen kleinen Tipp: Sein Lieblingsauftrittsort ist die Admiralsbrücke in Berlin!
Michael Freerix
 MARLA: Madawaska Valley
MARLA
Madawaska Valley
marlamusica.com
(Melting Pot Music/Groove Attack)
9 Tracks, 33:19


Ob sie wohl schon in der Schule zu den melancholischen Außenseiterinnen gehörte, die anderen Idealen zustrebten als ihre Altersgleichen? Jedenfalls schrieb der Teenie Marla mit Fünfzehn seine ersten Lieder und entdeckte Songschreiber Robert Francis aus Los Angeles als Vorbild. Mittlerweile hat die nun zwanzigJährige Deutsch-Spanierin aus Heidelberg ihr Debütalbum vorgelegt – eine Sammlung stiller Stücke zur Gitarre, voller Sehnsucht und trauriger Romantik. Das klingt manchmal etwas sehr verträumt und niedlich, wird aber auch wieder konterkariert, etwa im düster anmutenden „Desolación“ oder dem rein lautmalerisch-rätselhaften „Sirenita“. Marla war viel auf Reisen, flicht ihre Eindrücke in die meist englischsprachigen Lieder ein und wirkt nicht wie eine Provinzkünstlerin aus dem Badischen. Entsprechend entstand ihr Album in Kanadas Musikhauptstadt Toronto und wurde aufgenommen von Songschreiber David Celia. Der hervorragende Gitarrist zählt Gordon Lightfoot zu seinen Edelfans und steht Marla mit diversen Instrumenten auf dem Album zur Seite, etwa mit Slidegitarre, Mandoline und Orgel. Über allem aber steht Marlas Stimme, dunkel tönend, leicht brüchig, etwas belegt. Und das alles hat seine Reize.
Volker Dick

 REKK: Sixtytwo
REKK
Sixtytwo
rekkband.bandcamp.com
(Stargazer Records SG03888/Broken Silence)
12 Tracks, 41:32 , mit Texten


Bei hundert Neuerscheinungen enthalten neunzig Künstlerinfos die Formulierung „Folkpop mit Tiefgang“. Folk, zumindest in der Popvariante, ist der Hype, und der Markt wird mit Folkpopkünstlern überschwemmt. Warum sollte man in der Flut der Neuveröffentlichungen also gerade den ersten Longplayer des Dortmunder Quintetts Rekk kaufen? Es sind die Songs, die den Unterschied machen. Auf Sixtytwo plätschern die Stücke nicht nur so daher, sondern bleiben in den Gehörgängen. Spätestens beim zweiten Durchgang summt der Hörer die Lieder unwillkürlich mit, die Künstler haben gewonnen. Die Songs bleiben. Man möchte sie wieder und wieder hören. Vielleicht entscheidet in einer Zeit, in der technisch versierte Instrumentalisten engagierte Veröffentlichungen in unüberschaubarer Zahl auf den Markt werfen, die ursprünglichste aller musikalischen Fragen über den Erfolg einer Band: Erinnert man sich an den Song? Ein klares Ja für den Dortmunder Fünfer. Ob Opener „Turn & Sing“ oder der Americana-lastige Walzer „Colour The Moon“, jeder Song will mitgesungen werden. Die witzige Coverversion von „Wicked Game“ rundet das Album ab.
Christian Elstrodt
 ANNE WYLIE: Songs From The Seas
ANNE WYLIE
Songs From The Seas
annewylie.com
(Eigenverlag)
11 Tracks, 59:25 , mit Texten


Die seit Jahrzehnten in Deutschland lebende Irin arbeitet sich auf ihrem neuen Album weiter heran an die Perfektionierung ihres meist mystisch-sphärisch klingenden keltischen Folkjazz, der aber auch schon einmal fröhlich-verspielte Elemente aufweisen kann. Dazu hat sie sich auf Songs From The Seas wieder eine exzellente Band ins Studio geholt, die der Sängerin mit Bass, Piano, Cello, E-Gitarre, vor allem aber traditionell irischen Instrumenten wie Uilleann Pipes, Low Whistle oder Bouzouki einen Klangteppich webt, auf dem ihre markante und variable Stimme bedenkenlos mäandern kann. Die Lieder behandeln dem Titel entsprechend vor allem Themen rund um Meer und Wasser, sind teils traditioneller Herkunft oder stammen von renommierten Kollegen wie Stan Rogers oder Mickey MacConnell, manche sind aber auch aus der Feder der Künstlerin selbst. Überraschend anders, aber gelungen ist ihre englischsprachige Version des siebenbürgischen Volksliedes „Es saß ein wild klein Vögelein“. Wer wissen will, wie sehr Anne Wylies Musik über die Jahrzehnte gereift ist, vergleiche ihre neue, an Loreena McKennitt angelehnte, aber doch auf starke eigene Weise interpretierte Version von „The Bonny Swans“ mit der von 1994 auf ihrem Album Tír Na NÓg.
Stefan Backes