Rezensionen der Ausgabe 3/2016
Auswahl nach Heft-Nr:
Besondere Deutschland Europa Welt Kurzrezensionen Weitere Rezensionen Online-Rezensionen Gelistet
Plattenprojekt
Bücher DVDs
Cinesounds
|
|
|
---|
ITALIEN
| MASSIMO DONNO Partenze massimodonno.it (Eigenverlag) 12 Tracks, 52:58 , mit Texten
„Ich komme aus einem Land, wo ein Mensch nicht mehr wert ist als ein Niesen“, singt der Liedermacher aus Apulien in „Vento E Polvere“ („Wind und Staub“), dem Auftakt seines neuen Albums. Es ist ein Lied über das Schicksal der Menschen Süditaliens und Afrikas, deren Leben in der Heimat durch Hunger, Krieg und Misswirtschaft bedroht ist. Partenze („Abreisen“) ist ein Album des Abschieds, des äußeren und inneren Aufbruchs in eine ungewisse Zukunft. Massimo Donnos Sprache ist reich an ungewöhnlichen Bildern. Seine Texte sind neorealistische Kurzfilme. In zwei Liedern thematisiert er denn auch den Spielfilm Das große Fressen von Marco Ferreri. Donno ist ein Geschichtenerzähler. Akteure sind die kleinen Leute und die Schönredner von Wirtschaft und Klerus. Im Titelsong etwa beschreibt er den Großvater, dessen Kino die vorbeifahrenden Züge waren: „Er litt Hunger, während ich unter meiner Diät leide.“ Ganz anders der vom Löwen zum Vögelchen mutierte Emporkömmling am Rande des Abgrunds. Er beklagt sich bei seinem Therapeuten, dass er keine Kunden mehr hat, die er über den Tisch ziehen kann. Und da ist die Musik – Massimo Donno singt alles mit einer unglaublichen Intensität und erinnert an den späten Fabrizio De André. Auf Anime Salve, dessen letztem Album, spielte Riccardo Tesi Organetto, das diatonische Akkordeon. Für Massimo Donno produzierte der Toskaner Partenze und schrieb drei Lieder gemeinsam mit ihm. Tesi bringt die großartige Poesie des Apuliers zur Geltung. Nachdenkliche, karg instrumentierte Passagen wechseln sich mit satten, mehrstimmigen Refrains und den einfühlenden Organettoeinlagen ab. Partenze ist die Summe von Donnos Liedkunst und der Vielseitigkeit von Tesis Banditaliana ˗ Einflüsse aus Nordafrika, des Balkans und Süditaliens inbegriffen. Kaum zu glauben, dass ein solches Meisterwerk, eingespielt mit den Cracks der italienischen Folk- und Weltmusikszene, ausschließlich mit Crowdfunding finanziert wurde. Martin Steiner
| INTERNATIONAL
| DAGO SCHELIN & BAND Rosas Heft dagoschelin.com (O-tone music/Edel Kultur) Promo-CD, 11 Tracks, 39:12
Folgt man den Eindrücken Dago Schelins, einem Nachfahren deutscher Auswanderer in Brasilien, wird dort das deutsche Volkslied „Kommt ein Vogel Geflogen“ öfter gesungen als bei uns. Er kann vergleichen, denn nachdem er in Brasilien aufwuchs, lebt er inzwischen in Deutschland. Gehört hat er bei uns derartige Volkslieder nie, aber er fand welche in den Aufzeichnungen seiner deutschstämmigen Urgroßmutter Rosa in Brasilien. Dies verleitete ihn, die Volksweisen neu einzuspielen und sie mit angejazztem Bossa-Nova-Swing zu versetzen. Selbst wer keinen Bezug zum Volkslied hat, dem dürften sie in diesen Arrangements annehmbarer klingen, weil sie weniger steif wirken. Schon vor Jahren war Manfred Krug mit dem fast gleichen Konzept bei deutschen Weihnachtsliedern erfolgreich. Die Synkopierung und harmonische Veränderung lässt die Melodien unberührt. Dies macht fast vergessen, dass uns an den Texten deren Überdosis romantischer Verklärung auch unabhängig von der Vereinnahmung durch Deutschtümelei und Altherrengesangsvereine oft auf Abstand gehen lässt. Wenn Schelin zwischendurch mal ins Portugiesische wechselt, fällt zudem auf, mit wie wenig Worten diese Lieder auskommen. Brasilianische Klassiker wirken fast eloquent dagegen. Am besten wirkt die Mixtur, wenn den Stücken mehr Tempo gegeben wird. Hans-Jürgen Lenhart
|
|
---|
INTERNATIONAL
| NORDIC CHORO Nordic Choro II facebook.com/nordicchoro (Zebo Records ZBR02/Playground Music Oy) 12 Tracks, 38:51
Ein ähnliches Empfinden wie bei Schelin dürften Finnen beim Hören der Gruppe Nordic Choro haben. Die finnisch-brasilianische Gruppe spielt skandinavisches Liedgut in der Besetzung brasilianischer Choro-Gruppen, also mit Bandolim-Mandoline, Pandeiro, Gitarre und Bass. Das Tempo ist etwas langsamer als im normalen Choro, und wenn die Band ab und an ein Saxofon dazunimmt, klingt es eher nach Bossa Nova. Einmal ist sogar eine Rumba dabei. Das wirkt auch wegen der schönen nordischen Melodien sehr angenehm und erinnert manchmal an den Sound Quadro Nuevos. Ein ungewöhnliches Projekt, aber es kommt bekanntlich öfter vor, dass lateinamerikanische Musik in Skandinavien auf großes Interesse stößt. Hans-Jürgen Lenhart
|
hö
|