Rezensionen der Ausgabe 2/2016
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GALICIEN
| DAVIDE SALVADO Lobos galileomusic.de (Fol Música 100FOL1070/Galileo MC) 10 Tracks, 36:58 , mit galicischen Infos u. Texten
Wie schon das Vorgängeralbum des Folkvisionärs, die Kooperation mit seiner Landsfrau Cristina Pato (siehe Folker 5/2015), verdient auch diese dritte Arbeit des Galiciers eine „besondere“ Würdigung. Jeder Ton der adaptierten, von seinen Mitstreitern sorgsam arrangierten, teils mit neuen Texten ausgestatteten Traditionals lässt Salvados große Liebe für die Heimat, das Wissen um deren reichhaltige Kultur, Tradition und Landschaft spüren. Autodidaktisch erwarb er sich seine Fähigkeiten als Sänger und Spieler der Pandeireta und anderer Kleinpercussion. Von früh an graste der Feldforscher Galicien nach dessen alten Rhythmen, Stilen und Tänzen ab, um diese vor dem möglichen Vergessen in die Gegenwart und Zukunft hinüberzuretten. Darin wie auch in vielen musikästhetischen Aspekten, etwa seinem nuancierten, zärtlich-liebevollen Gesangsduktus, erinnert er an seinen Musikerfreund Eliseo Parra. Nicht von ungefähr, produzierte der Neofolker doch Árnica Pura, das 2011 veröffentlichte Solodebüt des jungen Kollegen. Zu dem Zeitpunkt hatte der 1981 geborene Salvado durch die Zusammenarbeit mit renommierten Landsleuten wie zum Beispiel dem Gaitero Budiño, genügend Erfahrung gesammelt, um fortan seinen Weg unter eigener Federführung fortzusetzen. Doch stets im Verbund mit vielen musikalischen Seelenverwandten – wie auch auf Lobos („Wölfe“), wo wir etlichen geradezu handverlesenen Spitzenmusikern Galiciens und anderer Ecken Spaniens wiederbegegnen, darunter einigen aus der nicht mehr bestehenden Band Berrogüetto, dem extravaganten Multiinstrumentalisten Xavi Lozano vom katalanischen Percussionkollektiv Coetus. Ein überaus sorgsam und einfallsreich eingesetztes Instrumentarium, von Harfe über Saxofon und E-Gitarre bis Bansuri, lässt es dem Sänger an nichts fehlen. Entsprechend farben- und lebensfroh gestalten sich seine intonierten Liebeserklärungen ans Leben, die Natur, die Bräuche und deren Übermittler, Salvados Vorfahren – und die Wölfe als Metapher des ursprünglichen, ungebändigten Galiciens. Katrin Wilke
| BRASILIEN
| MAKELY KA Cavalo Motor (CD), Makely Ka Ao Vivo Em Belo Horizonte (DVD) makelyka.com.br (Eigenverlag) Promo-CD, 15 Tracks, 52:00, Promo-DVD, 10 Tracks, 37:20 , mit engl. u. brasil. Texten, mit engl. u. brasil. Infos
Aus dem trockenen brasilianischen Hinterland Sertão kommt kaum mal eine Produktion zu uns, umso überraschender nun das Projekt Cavalo Motor, welches Musik, Technik, Ökologie, Geschichte, Literatur und Radfahren miteinander verbindet. Die Band besteht aus mehreren Sängerinnen und Sängern, akustischen Gitarristen und Percussionistinnen. Die Musik erinnert einerseits an die lyrischen Kompositionen von Milton Nascimento, wobei Hauptsänger Makely Ka stimmlich wesentlich tiefer, ähnlich wie Seu Jorge anzusetzen ist. Andererseits gibt es etliche Baiãos, manchmal mit gleitendem Übergang zum Rap. Insgesamt hat die Musik etwas Hypnotisches, ja, vielleicht sogar Rituelles. Das Besondere an dem Projekt aber ist das Konzept. Die Texte beziehen sich auf den Roman Grande Sertão von João Guimarães Rosa, welcher als brasilianisches Nationalepos gilt, vergleichbar mit James Joyces Ulysses. Die Gruppe folgte nun den Stationen des Romans um einen Räuber, der es zum Großgrundbesitzer schaffte und das äußerst abenteuerliche Leben im Sertão schildert. Das Ganze geschah 2012 mittels einer 1.680 Kilometer langen Radtour. Dabei legte man eine (dem Album beigelegte) Landkarte zum Verlauf des Romans an, dokumentierte die Reise auf Film und per Foto, sammelte sogar Essen, Gerüche, Klänge, Dialekte, um sie in ein noch größeres offenes Projekt einzubetten. Einen Eindruck vermittelt die oben angegebene Website. Musik ist dabei das bindende Glied. Auf der Konzert-DVD kann man im Hintergrund einige der Filme wahrnehmen. Das ambitionierte Projekt mag sich ohne Sprachkenntnisse zwar nur teilweise erschließen, zeigt aber, dass mehr Kultur im Sertão steckt, als man vermuten könnte. Allein die Fotos räumen mit dem Vorurteil auf, der Sertão sei eine ausgetrocknete Einöde. Die außergewöhnliche Herangehensweise ist mal wieder ein Beweis für die ungeheure kreative Kraft brasilianischer Künstler. Und das macht neugierig. Hans-Jürgen Lenhart
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