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Ausgabe 6/2015


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DEUTSCHLAND

SHANTEL
Viva Diaspora
bucovina.de
(Essay Recordings AY D 37/ Indigo)
Promo-CD, 17 Tracks, 58:37


Kosmopolit Shantel pendelt seit einiger Zeit zwischen Frankfurt und Athen. Sein Ruf „Viva Diaspora“ will zeigen, dass gerade dort, wo die Krise ist, am ehesten ein kreativer Umbruch stattfindet. Der Gruß aus Athen geht aber nicht Richtung Brüssel, sondern in den Orient. Die Reise beginnt daher mit der griechischen Sängerin Areti Ketime und einem gepimpten Rembetiko. Ab dem vierten Titel wird es erst deutlicher mit dem Dancebeat und vor allem den auf Eingängigkeit getrimmten Melodien. Es ist eine Reise vom Land in die Stadt, von Athen nach Frankfurt, Brooklyn und Istanbul, von Folk zu Pop und Dancefloor mit Ausflügen in den Orient und den Reggae. Und mit dem schunkeligen Reggae „The Whip“ ist ihm  SHANTEL: Viva Diaspora sogar die hitverdächtigste Nummer gelungen. Manches auf dieser Reise tritt aber zu lange auf der Stelle durch endlose Refrainwiederholungen, anderes wie „Acid Greek“ ringt dagegen seinem Ost-West-Konzept eine neue Variante ab, wenn Shantel seine E-Gitarre hier solistisch wie eine Bouzouki klingen lässt. Hier arbeitete er übrigens mit dem Greek-Electronica-Pionier Imam Baildi zusammen. Shantel lässt die Elektrosounds und Bläser diesmal lange außen vor und favorisiert teilweise eher die Saiteninstrumente. Ud, traditionelle Streichinstrumente und orientalische Zithern sind zu hören, Orientalisches vermischt sich mit Dubrhythmen, sogar ein gemütlicher Walzer ist dabei. Erst gegen Ende kommt der gewohnte Paprika-Sound zum Zug mit seinen ratternden Trompeten, der beseelten Sängerin, dem schnellem Tempo, den stampfenden Beats und den wabernden Electronikaklängen. Shantel fordert also immer wieder zu neuen Erfahrungen heraus, bleibt aber der Fahnenhalter eines Global Pop, in dem Südosteuropa und Orient mit auf der Landkarte sind. Er überzeugt dann, wenn er die akustischen und traditionellen Elemente Südosteuropas subtil urbanisiert. Geht es zu sehr Richtung Party, muss man befürchten, dass er demnächst gefragt wird, wen auch immer beim Eurovision Song Contest er vertreten will.
Hans-Jürgen Lenhart

ENGLAND

BROOM BEZZUMS
No Smaller Than The World
broombezzums.com
(Steeplejack Music SJCD017)
15 Tracks, 61:38 , mit engl. Texten


Es gibt diverse Sorten Musiker. Die Hoffnungslosen, aus denen beim besten Willen nie etwas wird. Die harten Arbeiter, die das Niveau halten und erfolgreich touren. Die Genies, die ein Meisterwerk nach dem anderen raushauen. Und dann gibt es die Musiker, die fangen nicht schlecht an und werden danach besser und besser. Zu dieser Kategorie gehören Broom Bezzums. Fünf Jahre haben Mark Bloomer und Andrew Cadie an dem Album gearbeitet, im Musikgeschäft ein unglaublich langer Zeitraum. Aber die beiden wissen genau, was sie tun und was sie musikalisch wollen, und das verträgt keine falsche Eile. Zwölf ausgereifte Songs mit politischen Aussagen und drei mitreißende Tunesets, meist selbst geschrieben, aber auch ein wenig „trad. arr.“  BROOM BEZZUMS: No Smaller Than The World sowie einmal Jez Lowe und einmal Guthrie/Bragg. Lieder, bei denen jede Note, jedes Arrangement, jede kleine Klangidee in sich stimmig ist, solche Lieder bricht man nicht übers Knie. Dazu brauchen die beiden multiinstrumentalen „Ginsterbesen“ auch passende Partner wie den Mann mit den ganz besonderen Ohren, Produzent und Mixer Jürgen Treyz, und eine ganze Reihe großartiger musikalischer Gäste. Ausgesprochen erfreulich ist, dass sich die Zusammenarbeit mit der wunderbaren Sängerin Katie Doherty nicht auf das Broom-Bezzums-Weihnachstprogramm beschränkt. Ihren Gesang können wir hier häufiger genießen, sie hat auch einen eigenen Song beigesteuert und wird im Booklet als (vielleicht zeitweises) Mitglied der Band gelistet. Das Album weist keinen schwachen Track auf, die sorgfältige Arbeit hält die ganze generöse Stunde an, die die Lieder in der Summe dauern. Und dass einige Songs, allen voran das moderne Shanty „Keep Hauling“, tagelang die Gehörgänge blockiert, kommt strafverschärfend hinzu. Anlässlich des dritten Albums des Duos stand in einem Artikel in diesem Magazin zu lesen: „Broom Bezzums eilen innerhalb von vier Jahren in die erste Division der Folkmusik.“ Bleiben wir doch bei dem fußballerischen Bild: Mit No Smaller Than The World qualifizieren sich Broom Bezzums für die Champions League!
Mike Kamp

ISRAEL

IRIT DEKEL & ELDAD ZITRIN
Last Of Songs
lastofsongs.com
(Pinorrekk Records/Edel Kultur)
Promo-CD, 12 Tracks, 58:49 , mit engl. Infos


Für Fans wahrlich origineller, in ihrer Andersartigkeit überraschender Coverversionen. Schöner ausgedrückt: Neulektüren bekannter Songs wird beim Hören dieses Plattendebüts vom Tel Aviver Duo aller Wahrscheinlichkeit nach das Herz aufgehen. Die exzellente Vokalistin und der weitschweifig aktive, gelegentlich auch singende Multiinstrumentalist, für ihre Musik zu Hause längst gefeiert und in höchsten Tönen gelobt, meinen mit gesundem, hierbei durchaus angemessenem Selbstbewusstsein, gar besser als das Original zu sein. Und man möchte ihnen von der ersten Note ihres Lieddutzend an recht geben. Einen total entschleunigten Anfang – entgegen dem Brauch, mit dem Opener eines Albums erst mal Gas zu geben – genehmigt sich das Duo  IRIT DEKEL & ELDAD ZITRIN: Last Of Songs mit seiner betörenden Version von „Bye Bye Love“, die Lichtjahre entfernt vom ursprünglichen Everly-Brothers-Klassiker dahinzusegeln scheint. Man wandelt, mitgenommen von feinen Streichern, im Fahrwasser dezent gestalteter Orientalismen, von Tangoflair und anderen Stilistiken und Atmosphären, die in ihrer einander befruchtenden und bereichernden Koexistenz so wohl auch im israelischen, vor allem Tel Aviver Melting Pot köcheln. Bisweilen vermag man gar nicht die musikalische Vorlage zu erkennen; schließlich sind viele der bis zu hundert Jahre alten Originale Jazz- oder Bluessongs, die da von den zwei Israelis überaus kunstvoll und kreativ in ein ganz anderes, eher poppiges Genre überführt wurden. Angesichts des hörbaren Einfallsreichtums scheint es nur eine Frage der Zeit zu sein, dass die beiden ein Album mit wirklich eigenen Songs nachlegen. Und auch dann können sie sicher wieder auf so gute Geister zählen wie etwa den begnadeten Percussionisten Itamar Doari, der in zwei der jeweils von vielen Musikern gestalteten Liedern mitwirkt. Hinsichtlich einer etwaigen politischen Dimension ihrer Arbeit verweisen die ukrainisch verwurzelte Dekel und der griechisch-polnischstämmige Zitrin auf das von ihnen zelebrierte Miteinander von Kulturkreisen, das genauso doch auch anderen Menschen verschiedener Herkunft gelingen sollte.
Katrin Wilke