Rezensionen der Ausgabe 4/2015
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BUKAHARA Strange Delight www.bukahara.com (Capital Music) 11 Tracks, 48:00
„Man wird niemanden finden, der einem sagt, wo es lang geht im Leben.“ So lautet nur eine Liedzeile von Bukahara. Wenige Bands schaffen es, aus dem engen Korsett der Balkan Beats auszubrechen und einen kongenialen eigenen Sound zu finden. Schon darum sind die vier Männer eine Entdeckung. Hier wird kollektiv gewerkelt und das Ergebnis klingt höchst individuell, verrät multiple Einflüsse und eine breite musikalische Bildung. Strange Delight ist mit Sorgfalt produziert. Unverwechselbar der raue Gesang von Soufian Zoghlami, der gut gezupfte Bass von Ahmed Eid, das Sinti Swing erprobte Geigenspiel von Daniel Avi Schneider. Und die Posaune von Max von Einem rundet das Bild ab, mit gezielt eingesetzten Bläserlinien. Kraftvolle und zuweilen verrätselte Songs bringt Bukahara, Lieder, die in die Beine fahren, schon beim ersten Hören. „Macht den Fernseher und das Handy aus“ und schaut was passiert, wenn man die Augen offenhält und die Ohren für den Balkan Orient Folk Mix dieser Band aus dem tiefen Westen der Republik, zu hören Mitte Juli auf der Funkhaus Europa Odyssee. Grit Friedrich
| CATALEYA FAY Journey www.cataleyafay.com (Electromantica EM1001) 12 Tracks, 52:00 , mit dt. u. engl. Texten u. Infos
Cataleya Fay nennt ihr neu erschienenes Album selbst „Spiegel meines Lebens“, weil sie all ihre Lebenserfahrungen in ihren Songs verarbeitet und den Hörer so an ihrem Gefühlen und Erlebnissen teilhaben lässt. Die Sängerin ist vor allem für ihre Liveperfomances bekannt, bei denen sie meist nur Gitarren- und Klavierklänge begleiten. Dennoch hat sie sich nach ihrem Debütalbum Trace für eine weitere Studioplatte entschieden. Zu hören sind auf Journey neben der einprägsamen Stimme der Singer/Songwriterin in erster Linie Gitarrenklänge, Cello- und Klavierarrangements, aber auch exotische Instrumente wie Sitar oder Lap-Steel-Gitarre. Die Songs zeugen von Unbeschwertheit und sorgen für Unbeschwertheit beim Hören. Trotz Studioarbeit bleibt die für Fay typische Fragilität erhalten, die dem Folkpopsound einen Schuss Soul verleiht. Zwar hat die Künstlerin all ihre Songs selbst geschrieben und komponiert, aber auf musikalische Unterstützung wollte sie nicht verzichten. Die Platte wird mit Einflüssen der Gastmusiker Sitara und Henning Schmitz bereichert. Besonderes Highlight ist der letzte Track, der als einzige Ausnahme in deutscher Sprache gesungen wird. Claudia Niedermeier
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JAMARAM & ACOUSTIC NIGHT ALLSTARS Heavy Heavy www.jamaram.de (Turban Records/Soulfire Artists SF 045) 16 Tracks, 64:19 , mit simb., engl. u. dt. Texten u. engl. Infos
Ursprünglich vor allem auf Reggaekurs, haben Jamaram aus München schon von jeher und zunehmend verstärkt Ausflüge in darüber hinausgehende Gebiete gepflegt – Hauptsache afrikanisch grundiert. Heavy Heavy führt sie auf diesem Weg schon deshalb auf eine neue Stufe, weil es sich dabei um eine gleichberechtigte Kollaboration mit den Acoustic Night Allstars, sechs Sängern und Musikern aus Harare, Simbabwe, handelt. Nach dem ersten Zusammentreffen beider Ensembles beim Harare International Festival of the Arts 2012 nahmen die multinationalen Bayern ihre afrikanischen Kollegen mit auf eine Deutschlandtour, bei der sich das gemeinsame Programm zu entwickeln begann, das auf Heavy Heavy nun veröffentlicht wurde. Die vergleichsweise schwerblütigen jamaikanischen Blue Beats rücken für Jamaram-Verhältnisse dabei in den Hintergrund, stattdessen dominieren über weite Strecken ansteckend leichtfüßig-afrikanische, oft besonders von Mbira und Kora geprägte Klänge und Melodien. Jetzt bitte nur noch auf seichten Konsenspop wie „Why“ und „Miles Away“ verzichten. Dass es in den Texten nahezu ausschließlich um private Befindlichkeiten geht, macht alles leicht, um nicht zu sagen leichtgewichtig genug. Christian Beck
| MANFRED MAURENBRECHER Rotes Tuch www.maurenbrecher.com (Reptiphon/Broken Silence) 15 Tracks, 63:18 , Texte u. Infos
Seit vielen Jahren eine verlässliche Liedermacheradresse, und doch staunt man immer wieder, wie genau sich Maurenbrecher Land, Leute und seine Zeit anschaut und wie trefflich er dies stets zu Liedern formt. Obwohl das Cover ihn als modischen Che-Guevara-Verschnitt präsentiert, belehrt oder bekehrt er nicht, sondern beschreibt. Er erzählt Geschichten, reflektiert, fantasiert, sinniert, träumt, spottet, karikiert, beißt. Das Album ist bunt gemischt und die Lieder sind recht unterschiedlich entstanden. Sein Lied vom „Staubsauger“, mit dem erst der Dreck und später alles weggesaugt wird, was stört, ist für ein Berliner Lesebühnenprogramm geschrieben. Das Titelstück „Rotes Tuch“ hat er bereits 1988 verfasst, die „Romanze“, ein Text über eine äußerst unwahrscheinliche Liebe, ist erst im Studio entstanden. Bei zwei Titeln („Wer hat, der kriegt“ und „Schuldunfähig“) stand Franz Josef Degenhardt Pate, dessen Methode, Typen zu beschreiben, an deren Zynismus sich Missstände offenbaren, er hier übernimmt. Zudem macht er Anleihen bei Dylan, Cohen und anderen und bleibt doch immer unverkennbar Maurenbrecher: kratzige Stimme, Realismus, Poesie, Blues, Klavier und einige Begleitmusiker. Rainer Katlewski
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MR. HURLEY & DIE PULVERAFFEN Voodoo www.pulveraffen.de (Timezone/Timezone Distribution) 19 Tracks, 69:51 , mit Fotos u. dt. Infos u. Texten
Piraten sind in, seitdem Jack Sparrow auf der Leinwand die Karibik unsicher macht. Während bei ihm aber nur ein Affe eine Hauptrolle spielt, sind es hier gleich vier Pulveraffen, die mit Mr. Hurley auf Kaperfahrt gehen. Diese feuern denn auch eine volle musikalische Breitseite auf den nichts Böses ahnenden Hörer ab, der mitgerissen von treibenden und wiegenden Rhythmen verschiedener musikkultureller Provenienz vom Shanty über Irish Punk Folk und deutschem Volkslied bis zum Rock ’n’ Roll nicht anders kann, als sich zu ergeben und entern zu lassen. Wer schon über die Seefahrerpersiflage von Santiano lachen kann, wird hier damit gar nicht wieder aufhören, so sehr wird das Piratenklischee kreuz und quer durch den Kakao gezogen. Unterbrochen werden die vom Schrumpfkopf im Rumtopf, von Männern mit Haaren im Gesicht und vom Haken an dem Haken an der Hand handelnden Lieder, die auch Blut-Svente und Messer-Jocke mitgrölen würden, von einer vierepisodigen Geschichte von Captain Blakes Konsultation der Heilkünste eine Voodoozauberin, deren Nebenwirkungen immer weitere Behandlungen erfordern. Diese fünfte Scheibe der Osnabrücker Seeräuber ist der perfekte Gute-Laune-Soundtrack für Segeltouren und Kindergeburtstage gleichermaßen! Michael A. Schmiedel
| STRÖMKARLEN Edda Sånger www.stroemkarlen.de (Eigenverlag) Do-CD, 14 Tracks, 76:13 , Buch mit isländ. Lyriktexten, engl. u. dt. Übers. u. Erl.
Das Trio Strömkarlen benennt sich nach einem schwedischen Wassergeist. Ihr dreistimmiger Gesang mit der klaren Sopranstimme, einem Bariton und einem Bass ist ein besonderes Merkmal der Gruppe. Dieses, ihr fünftes, Album zum zehnjährigen Bestehen ist nun in jeder Hinsicht etwas ganz Besonderes. Die beiden CDs sind in ein in blaues Leinen gebundenes, 70-seitiges Buch eingelegt, das alle Texte und umfangreiche Erläuterungen enthält. Teile der Edda-Dichtungen sind weit früher entstanden, aber erst im 13. Jahrhundert im Codex Regius festgehalten worden. Überlieferte Melodien gibt es nicht. Die Musiker haben daher aus ihrer Kenntnis skandinavischer und keltischer Musik eigene Kompositionen für die Edda-Gedichte geschrieben. Das ist natürlich nicht authentisch, aber der Musik des frühen Mittelalters einfühlsam nachempfunden. Dramatisch-schöne Gesänge sind dabei, wie zum Beispiel „Die Namen Odins“, was etwas an das mittelalterliche gotländische Musikdrama Volund (1993) erinnert. Es gibt aber auch einige etwas „leichtere“ Stücke wie „Loddfafnirs Lied“, mit Slidegitarre, etwas poppig. Gesungen wird auf Schwedisch, Isländisch oder Nynorsk. Das ganze Projekt ist eine wunderbare Möglichkeit, sich mit der Edda zu befassen. Die Musik ist die Brücke dazu. Bernd Künzer
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JÜRGEN THELEN Wir ziehen nach Amerika – Lieder der Auswanderungen des 19. Jahrhunderts www.dilldapp.de (Eigenverlag CD-TD-042015) 16 Tracks, 46:50
Der Multiinstrumentalist Jürgen Thelen ist auch als Spielmann Thelonius Dilldapp bekannt, der mit Dudelsack und Drehleier über die Mittelaltermärkte dieser Republik zieht. Nun spürt er mit zeitgenössischen Liedern der deutschen Auswanderungswelle im 18. und 19. Jahrhundert nach, mit Liedern, die die Strapazen der vielfach abenteuerlichen Reisen aufzeigen und die Erwartungshaltung der Auswanderer, die oftmals mit der realen Situation in der neuen Heimat nicht viel zu tun hatte. Das ein oder andere Lied kennt man von anderen Interpreten, doch selten klangen sie als Gesamtkonzept so stimmig wie in den sehr gelungenen Arrangements und der einfühlsamen Interpretation Thelens. Er schafft eine authentische Atmosphäre, die den Hörer förmlich in die Zeit der Emigranten zurückversetzt. Zu seinem Gesang hat der Musiker fast sämtliche Instrumente selbst eingespielt: Gitarre, Waldzither, Akkordeon, Schlüsselfidel, Dudelsack, Klarinette, Flöten, Brummtopf und Drehleier – und zwar äußerst gekonnt. Nur zwei Gastmusiker unterstützten ihn im Studio: Andreas Krall an Klavier, Organetto, Trommel und mit Gesang sowie Daniela Osietzki an der Harfe. Das Album ist als Dokumentation der historischen Auswandererlieder und als äußerst gelungenes Deutschfolkalbum rundweg zu empfehlen. Ulrich Joosten
| TROVACI Aprililili www.trovaci.de (GMO – The Label GMO 053-2/Rough Trade) 11 Tracks, 45:13 , mit serb., engl. u. dt. Texten u. engl. Infos
Aprililili steht im Titelstück für Sprüche, es gäbe keine Faschisten, Nationalisten, Radikale, arme und kranke Menschen mehr – bestenfalls als Aprilscherze abzutun. Als Klassifizierung für Trovacis viertes Album taugt der Albumtitel dagegen kein Stück – diese Musik, die Themen, Ton und Haltung sind keine Aprilscherze. Kein Wunder, wenn es schon damit beginnt, dass man sich im Exil trifft, weil es in der Heimat zugeht wie auf dem Balkan bei Krieg! Betrachtungen der Weltpolitik im Allgemeinen – „Che“ – und im Besonderen – „Is It Okay?“, ein Stück über die NSA, das schon alleine deshalb auf Englisch gesungen wird, damit dessen Mitarbeiter auch alles verstehen. Aufgelockert von allgemein menschlichen Themen, vor allem der Liebe. Die vier Wahlkölner aus dem ehemaligen Jugoslawien und ihre beiden deutschen Mitstreiter gießen sie auf Serbisch, Deutsch und Englisch in schweren Reggae, kräftigen, rauen Rock, aber auch die gelegentliche melancholisch schwebende Meditation und einen locker luftigen Schlager zwischen Latin und Reggae, der zwar behauptet „Multikulti ist gescheitert“, aber schon im Titel „Nix Vorbei“ und dann vor allem auch durch sein eigenes Beispiel das Gegenteil beweist. Christian Beck
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U.T.A. Endless Summer www.uta-holst-ziegeler.de (Eigenverlag) 16 Tracks, 47:43
Wozu braucht die Welt ein Magazin wie den Folker, wenn es doch Spotify und Last FM gibt, wodurch der Hörer Neuheiten in unbegrenzter Zahl aus seinem Lieblingsgenre hören kann? Die Antwort ist einfach: Damit Alben wie Endless Summer nicht untergehen. Die Künstlerin U.T.A. hat ein großartiges Debüt hingelegt, welches komplett handgemacht und ohne Werbebudget die musikalische Welt bereichert. Eine Liedermacherin mit Gitarre und selbst geschriebenen Songs, das klingt nach einer CD von Tausenden. Aber bereits bei den ersten Tönen zieht die Künstlerin den Hörer in ihren Bann. Die bluesige Stimme der Sängerin klingt noch lange nach dem Ende der Albumlaufzeit im Ohr. Die begleitende Gitarre ist, wie übrigens die gesamte Produktion, auf höchstem Niveau. U.T.A. schreibt ihre Songs auf Englisch und legt vorsichtshalber keine Texte ins Booklet, auch die Homepage ist mehr als spartanisch. Selbst hören ist also angesagt, um den Worten der Dortmunderin zu folgen. U.T.A. hat ihren Stil gefunden und drückt ihn perfekt aus. Das Cover im Bauwagenstil harmoniert mit dem Inhalt. Das Einfache wird zur bewusst gewählten Kunstform, und Endless Summer damit in jedem Wortsinn schlicht großartig. Christian Elstrodt
| KONSTANTIN WECKER Ohne Warum www.wecker.de (Sturm & Klang) Promo-CD, 16 Tracks, 64:29
Immer wieder gelingt es Konstantin Wecker, Poesie und Musik auf das Schönste miteinander in Einklang zu bringen. Zarte, innerliche, suchende, auch mystische Texte aus eigener und fremder Feder (z. B. von Angelus Silesius, Meister Eckhart, Novalis, Hugo von Hofmannsthal) stehen gleichberechtigt neben fordernden, aufrüttelnden, anklagenden Liedern, die auf Missstände verweisen und zum eigenen Handeln ermuntern. „An Meine Kinder“ ist ein sehr privates Lied, wohingegen „Die Mordnacht von Kundus“ auf eine völlig andere, aber ebenfalls existente Wirklichkeit verweist. Weckers Neubearbeitung des alten, schon immer hochpolitischen Volkslieds „Die Gedanken sind frei“ transportiert die Liedaussage in die Jetztzeit. „Willi 2015“ veranschaulicht, dass Dummheit und Ignoranz leider noch immer fester Bestandteil des öffentlichen Lebens sind. Lieder, geprägt von Wut und Zärtlichkeit, Mystik und Widerstand. Der Poet und Musiker Konstantin Wecker ist ein Künstler, dem seine Verantwortung als Person von öffentlichem Interesse schon immer bewusst gewesen ist. Dabei stellt sich die Verbindung von Ernsthaftigkeit und bestem Entertainment als ein weiteres Markenzeichen des Münchner Liedermachers dar. Kai Engelke
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