Rezensionen der Ausgabe 1/2015
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EUROPA
| CATCH-POP STRING-STRONG II www.catchpopstringstrong.com (Col Legno WWE 1CD 30009/Harmonia Mundi) 14 Tracks, 52:12
Ihre Musik überfällt mit subversiver Kraft. Man muss sie live erlebt haben, die beiden klassisch ausgebildeten Streicherinnen von Catch-Pop String-Strong, jede geboren in einem anderen Teil Jugoslawiens. Rina Kaçinari verbrachte ihre Kindheit in der Kosovohauptstadt Pristina, Jelena Popržan stammt aus Novi Sad, der Kapitale der Wojwodina. Zusammen sind sie Catch-Pop String-Strong. Anders als Jelena Popržan an der Bratsche ist die Cellistin Rina Kaçinari mit traditioneller Musik aufgewachsen, hat sie auf Familienfesten gehört und nie vergessen. Immer wieder funkeln Fragmente dieser Melodien durch die eigenen Kompositionen. Diese Frauen haben nicht nur eine große Lust am Melodienerfinden, sie singen in vielen Sprachen – Albanisch, Türkisch, Italienisch, Englisch und Deutsch. II bringt auch vertonte Literatur wie einen Ausspruch von Johann Nestroy über all „die guten Menschen“. Es gibt noch weitere Wiener Aphorismen auf dem neuen Album von Catch-Pop String-Strong, mit denen sich die beiden Künstlerinnen die Kultur ihrer Wahlheimat Österreich aneignen. Doch mehr noch als von gelebter Vergangenheit ist der Klang von Catch-Pop String-Strong durchs Unterwegssein geprägt. Und vom Alltag zwischen den Reisen. Jelena Popržan singt über die Gehirnwäsche, die man erlebt, wenn man einen Popsong so oft hört, bis man ihn nicht mehr ertragen kann. Beide Künstlerinnen zupfen die Saiten mit atemberaubender Virtuosität und trommeln immer wieder auf die hölzernen Körper ihrer Instrumente. Ein Miniorchester auf insgesamt vier Beinen, wo Präzision und Freiheit im Spiel einander bedingen. Dabei weben sie einen dichten Klang aus Naturtönen. Das Album Catch-Pop String-Strongs ist ein Manifest der Vielfalt. Es gibt nostalgisches Schwelgen, feine Ironie und derben Humor. Anarchistisch klingt diese Musik, ausgelassen, aber auch elegisch. Wie bei einem albanisch-türkischen Lied über die Morgendämmerung, dem bewegenden Schlusspunkt auf dem Album von Rina Kaçinari und Jelena Popržan. Grit Friedrich
| EUROPA
| MIGUEL RIVERA Paseo De Ensueño www.miguelrivera.es (Karonte/Nuba Records/Galileo MC) 11 Tracks, 56:00 , mit span. Texten u. Infos
„Der Tod suchte mich an einem Frühlingsmorgen; und als er vor mir stand, sagte ich ihm ins Gesicht, dass er Geduld haben soll. Eines Morgens im Mai kam ich aus einem Traum ins Leben zurück – dank Soleá und Taranta, an der Hand meiner Negra, meiner Eva und meiner Sonanta“ [Soleá und Taranta sind Flamencogenres, die Sonanta ist eine Flamencogitarre, Übersetzung aus „La Corrala“; Anm. d. Verf.]. Miguel Rivera bereiste mit seiner Flamencogitarre lange Jahre die halbe Welt. Pro Jahrzehnt spielte er ein neues Album ein, mehr nicht. Paseo De Ensueño entstand zwischen Chemotherapiesitzungen im Kampf gegen den Krebs. Der Wille, dieses Album fertigzustellen, die Liebe zu seiner Frau (Mi Negra), seiner Tochter Eva, zur Gitarre und nicht zuletzt dem Flamenco haben ihn am Leben erhalten. So jedenfalls singt der Cantaor Saúl Quirós im Stück „La Corrala“. Paseo De Ensueño ist ein reifes Werk geworden. Schon bei den ersten zwei Stücken, zwei Eigenkompositionen, beweist Miguel Rivera Mut. So gelassen und ruhig hat noch kaum ein Flamencogitarrist ein Album eröffnet. Rivera ist ein Meister der Zwischenräume. Jeder einzelne Ton hat seine Bedeutung. Ein weiterer Höhepunkt des Albums ist das von Rafael Riqueni geschriebene Titelstück. Der dichte gitarristische Dialog zwischen Miguel Rivera und Rafael Morales ist eine Mischung aus Flamenco und E-Musik. In der zweiten Hälfte nimmt das Werk zuweilen Tempo auf – mit einer Bulería, einer Rumba, die er für seine Tochter schrieb, Gastspielen diverser Flamencosänger sowie einer Flöteneinlage von Jorge Pardo. „Pasajeros En El Tiempo“, ein leicht angejazztes Stück mit Klavier, Palmas, Percussion und dem Cante von Argentina, einer jungen andalusischen Cantaora, ist der Ausklang eines der poetischsten Flamencoalben der letzten Zeit. Der Gewinn aus den Verkäufen des Albums fließt in die Fundación uno entre cien mil, ein Hilfswerk für Kinder mit Leukämie. Dem Mann gebührt Respekt. Martin Steiner
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