Rezensionen der Ausgabe 5/2014
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HELMUT KÖNIG [Hrsg.] Pitters Lieder : die Lieder von Peter Rohland / i. Auftr. d. Peter Rohland Stiftung hrsg. von Helmut König. www.spurbuch.de (– Baunach : Spurbuchverl., 2014. – 246 S. : Noten + Texte, mit Abb. + DVD) ISBN 978-3-88778-407-2 , 29,80 Euro
Peter Rohland (1933-1966) war der vielleicht wichtigste Impulsgeber, Anreger, Initiator der bundesrepublikanischen Folkbewegung der Sechziger- und Siebzigerjahre. Im Begleittext seiner allerersten Liedveröffentlichung (EP Vertäut am Abendstern) schrieb er schon 1962: „Vergessen wir nicht, dass auch bei uns in Deutschland Anknüpfungspunkte für eine eigenständige Chansonkunst bestehen. Sie liegen irgendwo zwischen Volkslied, bündisch-vaganteskem Song und unserer heimischen, mittlerweile etwas schmalbrüstigen Chansonkunst. Ihr Barden, schafft Texte, die weithin wirken! Sucht sie! Singt sie!“ Der Höhepunkt seines Wirkens als Pionier für eine neue Liedkultur in Deutschland lag sicherlich in der Mitbegründung (gemeinsam mit Diethart Kerbs, Rolf Gekeler und Jürgen Kahle) der Festivals Chansons, Folklore, International auf Burg Waldeck. Leider konnte Peter Rohland nur an den ersten beiden Festivals 1964 und 1965 teilnehmen, da er im Frühjahr 1966 schwer erkrankte und verstarb. Das opulent ausgestattete Liederbuch enthält neben sämtlichen von Peter Rohland veröffentlichten Liedern die Lebensdaten des früh verstorbenen Künstlers, eine vollständige Diskografie sowie eine DVD, auf der alle im Buch vorgestellten Lieder zu hören sind. Die einzelnen Kapitel richten sich im Wesentlichen nach den Titeln der LPs Rohlands – „Landstreicherballaden“, „Lieder des François Villon“, „Un as der Rebbe singt – jiddische Lieder“, „Lieder deutscher Demokraten“ – und enthalten die frühen Lieder, die durch Tonbandaufnahmen dokumentiert sind. Hilfreich und weiterführend sind die kenntnisreichen Einführungen der jeweiligen Kapitel von König beziehungsweise Peter Rohland selbst, der sich zur Märzrevolution von 1848 äußerte. Alle Lieder sind mit vollständigem Text, der Notation sowie Gitarrenharmonien dargestellt. Die sorgfältige, nahezu bibliophile Gestaltung dieses Buches (Leineneinband, Schutzumschlag, Grafik, Lesebändchen, Format, Papier- und Druckqualität) geht erheblich über die Machart vieler vergleichbarer Liederwerke hinaus. Ein Buch, das sich nicht nur für den eigenen Gebrauch, sondern auch zum Verschenken eignet. Kai Engelke
| ULLI BÖGERSHAUSEN Chocolate and Wine : aus d. Leben e. Musikers. www.acoustic-music-books.de (– Wilhelmshaven : Acoustic Music Books, 2013. – 160 S.) ISBN 978-3-86947-319-2 , 9,90 Euro
Nach fünfzig Jahren als Gitarrist und sechzig Jahren Leben, nach zweiundzwanzig Veröffentlichungen auf Schallplatte und CD, sechsundzwanzig Notenausgaben und DVD-Tutorials, nach etlichen Aufnahmen, die er als Produzent auf dem selbst gegründeten Label (Laika Records) begleitet hat, nun eine Art Autobiografie von Ulli Bögershausen. Ein sehr junger Mann sitzt auf der Heckstoßstange eines VW Käfers, eine Flasche Bier in der Hand, einen ganzen Kasten zu seinen Füßen: „Aus dem Leben eines Musikers.“ Und doch geht es eher um Schokolade und Wein, denn das Leben des Gitarristen aus dem verschlafenen ostwestfälischen Wiedenbrück ist keine Aneinanderreihung von Sex-, Drogen- und Rock-’n’-Roll-Geschichten, auch wenn der Beatles-infizierte Jugendliche lange Zeit den großen Rockstars nacheiferte. Erzählt wird in bescheidenem, warmem Tonfall, mit stillem Humor und großer Aufrichtigkeit. Von einem jungen Mann, der wusste, dass er Musiker werden möchte, auch wenn er oft nicht wusste wie, der seinen Traum aber mit hohem Einsatz und erstaunlicher Beharrlichkeit verfolgt hat. Von Reisen, Träumen, Begegnungen mit Musikern in aller Welt. Und von dem, was ihm am allerwichtigsten ist: der Liebe zur Musik. Man kommt ihm sehr nahe, dem Akustikgitarristen, der heute oberhalb der Mosel lebt und arbeitet. Und man muss ihn einfach mögen. Rolf Beydemüller
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RIK PAUL ULLRICH Eine Riesin trug mich übers Meer : Autobiografie. www.ploettner-verlag.de (– Leipzig : Plöttner, 2013. – 349 S.) ISBN 978-3-95537-124-1 , 17,90 Euro
Rik Paul Ullrich, Jahrgang 1963, ist ein Bluesmusiker und Singer/Songwriter aus Usedom beziehungsweise Leipzig, der seine Lebenserinnerungen in Form von Anekdoten, Geschichten und Geschichtchen sowie mehr oder weniger alltäglichen Begebenheiten wortreich zu Papier gebracht hat. Kindheit, Schule, Nationale Volksarmee (NVA), Trennung der Eltern, bubenhafte Streiche, erste Liebeleien, erste Annäherungen an die Musik, Lehre, verschiedene Jobs, Kumpaneien und Freundschaften – alles wird unter Verzicht auf eine Unterteilung in Kapitel chronologisch dargestellt, wobei die einzelnen Erzählstränge immer wieder übergangslos durch abrupt eingeschobene Episoden unterbrochen werden. Etwas seltsam mutet der Sprachduktus an, der sich ständig zwischen gedrechselt-altmodischen Wendungen und derb-vulgärer Ausdrucksweise bewegt. Ullrichs Biografie besteht aus zwei Teilen: Kindheit und Jugend sowie das Leben als erwachsener Mensch. Es geht eine eigenartige Tristesse, eine nahezu düstere Melancholie von diesem Buch aus, zumal der Autor auch die zahlreichen negativen Ereignisse seines Lebens ausführlich und mit viel wörtlicher Rede schildert: Jobverlust, zerbrochene Lieben, Arbeits- und Wohnungssuche, Zerfall der Band, Krankheit, Auseinandersetzungen mit der Obrigkeit, Alkohol, Verlust der Fahrerlaubnis etc. Weshalb schreibt jemand so ein Buch? Um wesentliche Ereignisse festzuhalten, sie nicht ins Vergessen sinken zu lassen? Um über das eigene Leben zu reflektieren? Aber ist das auch für Außenstehende von Interesse? „Liebe dein Leben und gib dir Mühe bei dem, was du in Angriff nimmst … Leben ist immer noch das, was du daraus machst“, rät der Musiker seinen Lesern. Na ja, wer’s noch nicht wusste … Rik Paul Ullrich bezeichnet sich jedenfalls als einen glücklichen Menschen – das, immerhin, kann nicht jeder von sich sagen. Sein Glück sei ihm von Herzen gegönnt, auch wenn er in der Tat „kein Literat im eigentlichen Sinne“ ist, wie es im Klappentext heißt. Kai Engelke
| GARY WEST Voicing Scotland : Folk, Culture, Nation . – 1. Aufl., Nachdr. www.luath.co.uk (– Edinburgh : Luath Press., 2014. – 186 S. : mit s/w-Fotos) ISBN 978-1-908373-28-1 , 12,99 schott. Pfund
Im September werden die Schotten demokratisch entscheiden, ob sie zukünftig (wieder) als eigener Staat agieren wollen. Für Pro ebenso wie für Kontra finden sich gute Gründe. Der Piper, Wissenschaftler und Radiomoderator Gary West gibt diesbezüglich keine Empfehlung, beweist aber, dass Schottland unabhängig vom Wahlausgang (musik-)kulturell gesehen schon immer eigenständig war. Er definiert schottische Kultur nicht im Gegensatz zu England, sondern je nach Standpunkt in nationalem oder regionalem Zusammenhang. Wer hat Schottlands Lieder und Melodien gesammelt? Wer hat nach der Wiederentdeckung (unter anderem durch Hamish Henderson) der traditionellen Musik besondere Impulse gegeben? In welchem Zusammenhang stehen Landstrich und kultureller Ausdruck, zum Beispiel der Unterschied zwischen Highlands und Lowlands? Und wie kontert man den durchaus vorhandenen schottischen Kitsch? Das sind nur einige der Fragen, die West ohne akademische Attitüde behandelt. Die Antworten führen nicht zu grundlegend neuen Erkenntnissen. Sie liefern allerdings eine willkommene Zusammenfassung von Vergangenheit und Gegenwart schottischer Folkmusik, wobei die gälische Kultur zugegebenermaßen nur gestreift wird. Dennoch empfehlenswert. Mike Kamp
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JERRY WILLARD 50 Easy Irish Favorites for Classical Guitar / arr. and comp. by Jerry Willard. www.musicsales.com (– New York, NY : Amsco Publ., 2014. – 80 S. : nur Noten u. Tab + Downloadcard. –) ISBN 978-1-78305-439-8 , 26,50 Euro
Eine sehr fein arrangierte Sammlung irischer Folkklassiker legt der amerikanische Konzertgitarrist Jerry Willard in diesem recht umfangreichen Band mit fünfzig Songs vor. Auf eine CD wurde verzichtet, dafür stehen auf der Verlagsseite alle Tracks der Ausgabe zum Download bereit, in mustergültiger Einspielung durch den Autoren. Die Stücke sind entweder in Standardstimmung oder Dropped-D Tuning notiert. Das zweistimmige Spiel (Bass und Melodie) sollte man gut beherrschen um von diesem Band profitieren zu können. Hier sind eine Menge sehr schön klingender Stücke, Traditionals und Kompositionen von O’Carolan, versammelt, die auch bestens im Unterricht eingesetzt werden können. Rolf Beydemüller
| CIARÁN COLLINS Tausend Worte : Roman / Aus d. Engl. von Gabriele Haefs. www.berlinverlag.de (– Berlin : Berlin Verl., 2014. – 444 S.) ISBN 978-3-8270-1190-9 , 22,99 Euro
Eine Therapie ist meist qualvoll. Diese ist es insbesondere. Auch für den Leser. Denn der Erzähler des ersten Romans von Ciarán Collins ist „Der Gamal“ (so auch der irische Originaltitel), der verhaltensgestörte Dorftrottel des kleinen Ortes Ballyronan. Sein Psychiater hat angeordnet, dass Charlie jeden Tag wie ein Schriftsteller tausend Wörter schreiben muss, um ein schlimmes Erlebnis zu verarbeiten. Charlie wehrt sich gegen diese Therapie und bringt zunächst alles mögliche zu Papier, nur, um die geforderte Wortanzahl zusammenzubekommen. Das macht den Einstieg in dieses vielschichtige Buch nicht wirklich leicht. Doch es entwickelt sich schon nach wenigen Seiten, auf denen sich amateurhafte Zeichnungen, Fotokopien, Auszüge aus Lexika und Leserbeschimpfungen zu einem Kaleidoskop schräger, skurriler Einfälle scheinbar ohne Zusammenhang aneinanderreihen, ein Sog, der den Leser so schnell nicht wieder loslässt. Der Roman erzählt eine moderne Romeo-und-Julia-Variante, ist gleichzeitig Kriminalroman und Reflexion der (irischen) Gesellschaft aus der Sicht eines Außenseiters. Das Drama entfaltet sich in der oft brüsken und schnodderigen, manchmal enervierenden, aber immer faszinierenden Erzählweise nur ganz allmählich und hält die Spannung bis zum Schluss. Die Geschichte ist melancholisch und komisch zugleich. In ihrem Verlauf entfaltet sich das Psychogramm eines ganzen Dorfes, und nach und nach werden die unterschwelligen Konflikte spürbar, die schließlich dazu führen, dass der Held des Romans in der Psychiatrie landet und seine Erlebnisse aufschreiben muss. Und so erzählt der Gamal dann seine Sicht der Geschichte, seiner unverbrüchlichen Freundschaft zu der begnadeten jungen Sängerin Sinéad und ihrem Liebsten, dem Musiker James, die bereits in der Grundschule begonnen hat. Über den Ausgang der Geschichte, in der nebenbei bemerkt sehr viel (auch irische) Musik vorkommt, sei nicht zu viel verraten. Ciarán Collins, Jahrgang 1977, aufgewachsen in einem irischen Dorf, hat englische und irische Literatur studiert und unterrichtet als Lehrer an seiner ehemaligen Schule in Kinsale. Sein Erstling gilt in England als Debüt des Jahres. Ein sehr empfehlenswertes Buch. Ulrich Joosten
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