PLATTENPROJEKTEs gibt im Musikbereich immer wieder Veröffentlichungen, die den Rahmen herkömmlicher Produktionen inhaltlich wie vom Umfang her sprengen und deshalb einer ausführlicheren
Betrachtung bedürfen, als dies in Form einer üblichen Rezension geleistet werden kann. Die Folker-„Plattenprojekte“ widmen sich in loser Folge
solchen außergewöhnlichen Serien, Boxen, Sammlungen, Sondereditionen bis hin zu vergleichbaren Unternehmungen wie etwa Internetprojekten, die auf physische Tonträger inzwischen zunehmend verzichten.
In diesem Heft schreibt Wolfgang König über
Highlife On The Move
Selected Nigerian & Ghanaian Recordings From London & Lagos, 1954-1966Obwohl Highlife als erste Form von Afropop in den Fünfziger- und Sechzigerjahren grenzüberschreitende Popularität erlangte – vor allem in Ghana und Nigeria, aber zum Beispiel auch in Liberia und Sierra Leone –, ist heute über diese Musik bei uns viel zu wenig bekannt, steht sie immer noch im Schatten der Konkurrenz aus Ländern wie Senegal, Mali und Südafrika, aber auch des Afrobeat. Soundway Records aus dem englischen Brighton hat sich schon vor Jahren um die Wiederveröffentlichung von Perlen der ghanaischen
DIVERSE Highlife On The Move – Selected Nigerian & Ghanaian Recordings From London & Lagos, 1954-1966 (Soundway Records, 2015)
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| Highlifegeschichte verdient gemacht. Jetzt hat das Label von DJ Miles Cleret in Zusammenarbeit mit dem Musikethnologen Markus Coester von der Universität Bayreuth erneut eine interessante Kompilation als Doppel-CD und Dreifach-LP (mit Downloadcode) auf den Markt gebracht. Highlife On The Move spürt den Wanderungen von Künstlern und den daraus resultierenden Entwicklungsschüben dieser Musik nach.
Fixpunkte dieser Wanderungsbewegungen waren Accra, Lagos und London. Ghanaische und nigerianische Musiker spielten nicht nur im jeweils anderen – fast benachbarten – Land, sondern trafen auch in London aufeinander. Zu den Pionieren dieser Migration, die das umfangreiche Begleitheft der Kompilation vorstellt, gehörte Rans Boi aus Accra. Er hatte in der britischen Armee gegen die Nazis gekämpft, war in die Hände der Deutschen geraten und hatte seine Mitgefangenen im Lager musikalisch aufgemuntert. Als gefeierter Held kehrte er in die britische Kolonie Goldküste, das heutige Ghana zurück und eröffnete in Accra den Club Rans’ Red Spot, der zu den Geburtsorten des Highlife werden sollte.
Ende der Vierzigerjahre ging Rans Boi mit vielen Musikerkollegen nach England Dort waren sie intensiven Einflüssen aus der Karibik ausgesetzt, schließlich war die britische Hauptstadt auch Wahlheimat tausender Immigranten aus Jamaika, Trinidad und Tobago oder Barbados. Auf diese Weise erhielt der Highlife eine starke Calypsokomponente. Kubanische Musik war ohnehin schon seit den Dreißigerjahren in ganz Westafrika vor allem über das Radio populär geworden, und so findet sich auf der zweiten CD unter anderem der „Niger Mambo“ von Bobby Benson aus Nigeria. Eine weitere Inspiration kam von südafrikanischen Kollegen, die vor der Apartheid nach London geflohen waren. Auch die englische Jazzszene hinterließ ihre Spuren. Eines der vielen historischen Fotos im Booklet zeigt den ghanaischen Trompeter und Highlifepionier E. T. Mensah mit dem damals noch blutjungen Posaunisten Chris Barber, der sich eben nicht nur für Jazz und Blues, sondern auch für afrikanische Musik interessierte.
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