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Ausgabe 1/2013


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DEUTSCHLAND

FRANZ JOSEF DEGENHARDT
Freunde feiern sein Werk
www.universal-music.de
(Polydor/Koch Universal Music 0602537147397)
Promo-Do-CD, 31 Tracks, 154:36 , mit Infos


Es war als großes Geburtstagskonzert zu Ehren des wohl bedeutendsten deutschen Liedermachers geplant: Franz Josef Degenhardt hätte am 3. Dezember 2011 sein achtzigstes Lebensjahr vollendet – wäre ihm nicht kurz zuvor der Tod in die Quere gekommen. So wurde aus der Geburtstagsgala am 19. Dezember 2011 im Berliner Ensemble ein würdiges Abschiedsfest. Viele namhafte Kolleginnen und Freunde, darunter Joana, Wiglaf Droste, Barbara Thalheim, Frank Viehweg und Gisela May, waren gekommen, um „Väterchen Franz“ posthum singend zu feiern. Konstantin Wecker führte, unterstützt von Prinz Chaos II als Zeremonienmeister durch das Programm. Dota Kehr, Max Prosa, Prinz Chaos und Goetz Steeger, der gemeinsam mit Sohn Kai  FRANZ JOSEF DEGENHARDT: Freunde feiern sein Werk Degenhardt die letzten Alben Degenhardts produziert hatte, standen quasi stellvertretend für eine junge, stimmgewaltige Liedermachergeneration voller Kraft, die sich trotz mancherlei Zugeständnissen an den Zeitgeist hörbar auf einer Traditionslinie mit ihrem Wegbereiter Franz Josef Degenhardt sieht. Der intimste Moment des Gedächtniskonzerts kam vom ältesten Sohn Jan Degenhardt, der zwischen zwei Liedern erzählte, wie er am Bett des sterbenden Vaters wachte und dieser plötzlich in die Stille hineinposaunte: „Schluss mit der Scharade! Wir hauen ab!“ Darauf der Sohn: „Papa, du liegst im Sterben!“ Der alte Barde richtete sich auf und sagte tadelnd: „Sterben? Mehr fällt dir dazu nicht ein?“ Sehr berührend auch, wie der US-Bürger Daniel Kahn Degenhardts Komposition „Die alten Lieder“ interpretierte. Indem er Teile des Liedes in Jiddisch sang, gab er ihm eine neue Perspektive: „Wo sind eure Lieder, eure alten Lieder? Fragen die aus anderen Ländern … „ – in Jiddisch eine überraschend, ja beklemmend andere Dimension. Indem jeder Künstler jeweils ein Degenhardt-Lied und ein eigenes präsentierte, richtete sich der Blick nicht nur in die Vergangenheit der Liedermacherei, sondern gleichzeitig in eine durchaus verheißungsvolle Zukunft einer oft totgesagten Zunft.
Kai Engelke

ENGLAND

ALLAN TAYLOR
Down The Years I Travelled...
www.allantaylor.com
(Stockfisch Records SFR 357.9013.2/In-akustik)
Do-CD, 21 Tracks, 91:04 , mit engl. Texten u. Infos im Buchformat


Es führt kein Weg an der Tatsache vorbei, dass sich Allan Taylor in der zweiten Hälfte seiner Sechziger befindet. In diesem Alter widmet sich der übergroße Teil der Bevölkerung erfüllenden Rentnertätigkeiten wie der Gartenpflege oder der Beaufsichtigung der Enkel. Nicht so Allan Taylor! Ob er es muss oder will, ist schwer zu sagen. Sicher aber ist, er kann es noch, das, was er all die Jahre gemacht hat: Konzerte geben, von Ort zu Ort reisen auf jenem magischen und für Taylor zentralen Objekt der Begierde – on the road. Aber auch ein Allan Taylor wird im Alter reflektiv, und er kann sich glücklich schätzen, für solche Aktivitäten mit Günter  ALLAN TAYLOR: Down The Years I Travelled... Pauler und seinem Stockfisch-Label die passenden Partner zu haben. Lange Jahre fand Taylor seine musikalischen und technischen Qualitätsansprüche bei keiner Plattenfirma erfüllt und veröffentlichte konsequenterweise von Mitte der Achtziger- bis Mitte der Neunzigerjahre auf seinem eigenen Label T Records. Ein Best-of dieser Alben gibt es nun sorgfältig remastert in edel reflektierender Verpackung: einem 57-seitigen Buch mit Texten, Bemerkungen, Anekdoten und Credits. Exzellente Musiker begleiteten Allan Taylor damals: Rick Kemp (Steeleye Span), Maartin Allcock (Fairport Convention/Jethro Tull) oder der Singer/Songwriter Mike Silver. Neben dem Titelsong als einzigem neuen Stück hören wir viele alte, die heute noch in Taylors Repertoire zu finden sind – „Banjo Man“, „Chimes At Midnight“ oder „Let’s Go To Paris“ sind nur Beispiele. Aber es sind ausnahmsweise auch drei Fremdkompositionen zu hören, und gerade der Bob-Dylan-Song „Don't Think Twice, It's All Right“ beweist, dass es einen definitiven Allan-Taylor-Stil gibt — der Dylan-Klassiker klingt hier wie von Taylor geschrieben. Steht zu hoffen, dass Meister Zimmermann das zu schätzen weiß.
Mike Kamp

NORDAMERIKA

PETE SEEGER & LORRE WYATT
A More Perfect Union
www.peteseegermusic.com
www.octobernight.com
(Appleseed Recordings APR CD 1130/In-akustik)
16 Tracks, 69:50


Schon seine Entstehungsgeschichte macht diese Album zu einer besonderen Veröffentlichung. Pete Seeger tritt zwar gelegentlich noch öffentlich auf, aber weitere Aufnahmen als At 89 von 2008 und Tomorrow’s Children, im hohen Alter von 89 beziehungsweise 91 eingespielt und prompt beide mit einem Grammy ausgezeichnet wurden, hatten wohl eher nicht auf seiner Agenda gestanden. Wäre da nicht sein alter Freund, der Singer/Songwriter Lorre Wyatt, den man hierzulande durch seinen Song „Somos El Barco“ („We are The Boat“) kennt. Ein schwerer Schlaganfall im Jahr 1996 hatte die Karriere des beliebten Liedermachers abrupt beendet. Die Songs, an denen er vorher zusammen mit seinem Freund Seeger gearbeitet  PETE SEEGER & LORRE WYATT: A More Perfect Union hatte, mussten auf Eis gelegt werden. Wyatt brauchte mehr als 15 Jahre, um die Folgen des Schlags zu überwinden, doch er kämpfte sich zurück und bat Pete, die Arbeit an den Songs wieder aufzunehmen. Sobald ein, zwei Lieder fertig waren, nahmen die beiden sie in einem lokalen Tonstudio auf. Dann zog Wyatt sich als Folge einer Kehlkopfentzündung Knoten auf den Stimmbändern zu, und erneut stand das Projekt auf der Kippe. Daher kam Jim Musselman, Chef des Appleseed-Labels, auf die Idee, ein paar Gastmusiker zu bitten, mit Gesang auszuhelfen. Weder Bruce Springsteen noch Emmylou Harris oder Dar Williams ließen sich lange bitten, ebenso wenig Tom Morello und Steve Earle, von einer ganzen Reihe illustrer Gastmusiker, die Saxofon, Klarinette, Bass, Geige, Cello und Percussion beisteuerten ganz abgesehen. Und so entstand das wohl erste Album, auf dem Pete Seeger und Lorre Wyatt fast ausschließlich neues Originalmaterial veröffentlichen: Lieder voller Lebensweisheit und Humor – „Old Apples“ – die dennoch höchst politisch sind, wie etwa das unter die Haut gehende, von Wyatt solo gesungene und lediglich von afrikanischen Rhythmen unterlegte „These Days In Zimbabwe“. Ob Pete Seeger mit diesem Album der Grammy-Hattrick gelingt? Verdient hätten es die beiden Freunde.
Ulrich Joosten