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 CSÍK JÁNOS & MEZZO: Szép A Tavasz, Szép A Nyár
CSÍK JÁNOS & MEZZO
Szép A Tavasz, Szép A Nyár
(Fonó), mit ungar. Texten u. Infos


Hier geht die Sonne auf. Genau wie sein Titel „Schön ist der Frühling, schön ist der Sommer“ erhoffen lässt, ist das Album des wohl berühmtesten ungarischen Folkmusikers János Csík wirklich eine Offenbarung. Gemeinsam mit der ebenfalls aus seiner Heimatstadt Kecskemét stammenden Mezzo-Band verbreitet der 55-jährige Sänger und Violinist unglaublich gute Laune. Die sechs exzellenten Musiker versprühen eine Lebensfreude, die vielleicht nur jemand authentisch leben kann, der schon einmal vor dem völligen Aus stand. 2002 erlitt Csík einen schweren Autounfall und musste zweimal wiederbelebt werden. Was ursprünglich nur für ein Wohltätigkeitskonzert gedacht war, entpuppt sich auf dem ersten gemeinsamen Album als geniale Verbindung. Die neun vor allem aus der Feder von Csík stammenden Kompositionen sind eine unwiderstehliche Mischung aus ungarischer Folklore, Jazz, Chanson, Caféhausmusik, Bluegrass und Boogie. Über allem schwebt Csíks sanfter Bariton, der sich federleicht mit der Virtuosität von Mezzo verbindet und dem Hörer zugleich Tränen und ein Lachen ins Gesicht spielt. Außerdem will der Körper das Tanzbein schwingen, und der Kopf hält nach dem nächsten Ungarisch-Sprachkurs Ausschau.
Erik Prochnow
 IBRAHIMA CISSOKHO & MANDINGUE FOLY: Liberté Mom Sa Bop
IBRAHIMA CISSOKHO & MANDINGUE FOLY
Liberté Mom Sa Bop
(NarRator)


Sein offizielles Alter hat der senegalesische Koravirtuose und Sänger noch nicht preisgegeben. Er entstammt einer Griotfamilie aus der Casamance, wurde vermutlich um 1980 dort geboren. Verwirrung kam auf, da bisweilen unter gleichem Vornamen der Koraspieler Solo Cissokho (1963-2019) auftrat. In seiner Heimat mit traditioneller Mandingemusik und modernem Mbalax aufgewachsen, dabei schon mit Rockmusik infiziert, siedelte Ibrahima 2008 nach Frankreich über. Dank seines Talents als Koramusiker fand er bald Kollegen, um eine Backing Band zu formieren: Mandingue Foly. Es dauerte allerdings noch Jahre, bis sie 2016 mit Yanfu das Debütalbum vorlegten. Trotz Besetzungswechseln waren Ibrahima & Co. permanent on tour, nahmen schließlich 2019 die zweite CD auf, mit einem komplett neuen Line-up. Ibrahima stellt sein Koraspiel nicht in den Mittelpunkt. Seinen exzellenten Mitmusikern begegnet er auf Augenhöhe. Olivier Granger brilliert auf dem Saxofon mit jazzigen Soli, den dominanten Rocksound besorgt Drummer Pham Trong-Hieu, die Talking Drum lässt Percussionist Ousmane Seydi „sprechen“, unterlegt von den kongenialen Bassläufen Abdourakhman Falls. Inhaltlich geht es meist um die Wertschätzung der Familie und der Ahnen.
Roland Schmitt

 BLAIR DOUGLAS: The Flyer
BLAIR DOUGLAS
The Flyer
(Macmeanmna)


Das achte Soloalbum des Runrig-Mitbegründers, Akkordeonisten und lebenslangen Bewohners der Isle of Skye. Solo heißt bei Douglas eigentlich immer, alle Tasteninstrumente werden von ihm gespielt und hinzu kommen Freunde wie Calum Matheson (Small Pipes), Gordon Gunn (Fiddle, Mandoline), Iain Smith (Mandoline) und Ben Bachle (Drums, Gitarre). Und solo heißt auch unbedingt, das komplette Instrumentalalbum wird von ihm komponiert, denn seine Melodien sind seine große Stärke. Die Kompositionen haben ein unverwechselbares Flair. Man hört deutlich heraus, was Blair Douglas jeweils inspiriert hat. Ob das nun Orte wie Cape Breton (im Titelstück), Louisiana oder Orkney sind, ob es das Gedenken an die jungen Toten des 2017er-Selbstmordanschlags auf ein Konzert in der Manchester Arena ist oder der Fiddler, der sich von seinem Bogen verabschiedet (und das ist nur das halbe Album!), die Gefühle sind allgemein spürbar. Manchmal schwungvoll und oft melancholisch, hat Blair Douglas erneut ein kleines Meisterwerk vorgelegt.
Mike Kamp
 ANN-TURI FORD: Samuels Sanger
ANN-TURI FORD
Samuels Sanger
(Heilo), mit norw. Texten sowie norw. u. engl. Infos


Samuel Hansen Hellen (1813-1892) stammte von der norwegischen Insel Nøtterøy, war Wanderarbeiter, Landstreicher, vor allem aber Gewährsmann für den Volksliedsammler L. M. Lindeman, also eine Art norwegischer Egbert Gerrits. Sein Nachlass, also Lindemans Sammlung, ist noch längst nicht aufgearbeitet, und eine Dreifach-CD führt in seinen Liedschatz ein. Die drei Scheiben sind thematisch aufgeteilt. Die erste enthält religiöse Lieder des dichtenden Pastors Petter Dass (1646-1707), die teilweise überraschend lebhaft und witzig sind. Auf der zweiten finden sich lange Heldenballaden (und es sind auch Heldinnen dabei), die zuletzt Ende des 16. Jahrhunderts in Dänemark gedruckt wurden. Woher Samuel Hansen sie hatte – noch dazu in ihrer altertümlichen Sprachform – ist noch nicht erforscht. Auf der dritten gibt es allerlei andere Lieder aus Lindemans Sammlung, die sich thematisch nicht so leicht zusammenfassen lassen. Dazu gibt es ein umfangreiches Buch mit vielen Abbildungen, über Samuel Hellen, sein Leben, seine Zeit und Lindemans Sammlungen. Ein grandioses Unternehmen, gestaltet von vielseitigen Musikerinnen und Musikerin, lebendig gemacht durch die ausdrucksstarke Stimme von Ann-Turi Ford.
Gabriele Haefs

 THERESA KAVANAGH: An Choill Uaigneach – The Lonesome Forest
THERESA KAVANAGH
An Choill Uaigneach – The Lonesome Forest
(Eigenverlag)


Als Merkmale der Fiddlemusik Donegals können gelten: sehr schnelle Tempi, häufiger Bogenwechsel, statt „Lift“ eher vorwärtstreibender Gestus im Spiel, so wie man es von historischen Ikonen wie zum Beispiel John Doherty, Con Cassidy oder James Byrne kennt – oder moderner und zeitgenössisch von Mairéad Ní Mhaonaigh. Theresa Kavanagh jedoch gehört zu einer neuen Generation, hat neben ihren lokalen Einflüssen eine eher „globalisierte“ Fiddleausbildung aufzuweisen und versammelt auf ihrem neuen Album in sehr gemessener, ausgefeilter Stilistik mit viel Ausdruck und Verve vor allem Eigenkompositionen im irischen Genre. Darunter finden sich sowohl einige echte „gems“ wie „Abandoned Meadow“ als auch einige ziemlich verkopft wirkende, nicht so einfach zugängliche Tunes. Dazu kommen Stücke historischer Tuneschreiber wie Ed Reavy sowie eine Verneigung vor Tommy Peoples mit zwei wunderbaren Jigs aus dessen Repertoire. Begleitmusik machen Manus Lunny und Kollegen von Capercaillie – ein sehr moderner Gesamtkontext also. Ein rundes, intellektuelles, schön am Ohr klingendes Werk. Für Fiddlegourmets und Liebhaber guter irischer Musik gleichermaßen geeignet.
Johannes Schiefner
 MATTHEWS SOUTHERN COMFORT: The New Mine
MATTHEWS SOUTHERN COMFORT
The New Mine
(MIG Music)


Unglaublich, wie gut der 74-jährige britische Singer/Songwriter mit der unverwechselbaren Stimme gesanglich drauf ist. Mehrstimmige, fließende Vokalharmonien waren schon immer sein Markenzeichen, ob bei Plainsong oder in seiner 1969 gegründeten ersten Southern-Comfort-Besetzung. 2017 kam es zur Neugründung mit komplett neuen, aus Matthews’ heutiger Wahlheimat Niederlande stammenden Musikern. Auf dem zweiten Album greift Matthews nun, gut fünfzig Jahre nachdem er mit der MSC-Urbesetzung einen weltweiten Nummer-eins-Hit mit Joni Mitchells „Woodstock“ hatte, einen weiteren Song der Kanadierin auf. Mit „Ethiopia“ eröffnet er gefühlvoll einen Longplayer der Sonderklasse, auf dem neben ihm der Gitarrist, Songwriter und Produzent Bart Jan Baartmans, der Keyboarder Bart de Win und der Singer/Songwriter und Gitarrist Eric Devries mitwirken sowie die Studiogäste Sjoerd van Bommel (Schlagzeug) und Sängerin Elly Kellner. Zwölf Songs und 55 Minuten exquisites Songwriting mit traumhaft sicheren Vokalharmonien und folkrockigen Arrangements, die eher im zupackenden Americana-Rock als im britischen Folkrock zu verorten sind und mit überschäumender Spielfreude höchsten Qualitätsansprüchen gerecht werden.
Ulrich Joosten

 MUZSIKÁS & AMADINDA : Párhuzamok És Kontrasztok
MUZSIKÁS & AMADINDA
Párhuzamok És Kontrasztok
(Fonó), mit engl. u. ungar. Infos


Eine außergewöhnliche Begegnung der Weltmusik. Am 28. Dezember 2017 vereinten sich die beiden legendären ungarischen Ensembles zu einem mitreißenden Konzert und einer kulturellen Reise durch verschiedene Musikstile. Muzsikás gilt als das international renommierteste ungarische Folkmusikensemble. Die vier Musiker beeindrucken seit 47 Jahren auf den Bühnen der Welt – wie der New Yorker Carnegie Hall – mit ihrer dynamischen Performance ungarischer Folkmusik. 2008 gewannen sie dafür den prestigeträchtigen WOMEX Award. Die vier Percussionisten von Amadinda können seit ihrer Gründung 1984 ebenfalls auf zahlreiche Preise zurückblicken. Auf Párhuzamok És Kontrasztok („Parallelen und Kontraste“) zelebrieren sie unter anderem mit afrikanischen Xylofonen, polynesischen Trommeln, der Mbira oder Flöten atemberaubende Interpretationen traditioneller Folklore aus Malawi, Gabun, Zimbabwe und Tahiti. Im Wechsel führt Muzsikás die virtuose Energie mit rasanten Tänzen, Hochzeitsmusik und heilender Improvisation aus verschiedenen Regionen Transsylvaniens fort. Auftakt und Abschluss bilden zudem zwei traditionelle Stücke der Hirten der südlichen Donauregion, in denen beide Ensembles gemeinsam die Harmonie mit der Natur beschwören.
Erik Prochnow
 BRIAN Ó HEADHRA & FIONA MACKENZIE: Tuath – Songs Of The Northlands
BRIAN Ó HEADHRA & FIONA MACKENZIE
Tuath – Songs Of The Northlands
(Naxos World)


„Never change a winning team“, sagt man im Sport – und warum sollte das in der Musik anders sein? Die siegreiche schottische Mannschaft: Das Ehepaar Brian Ó hEadrha (Gesang, Bodhrán) und Fiona Mackenzie (Gesang) sowie der Multiinstrumentalist, Sounddesigner und Produzent Mike Vass. Letzterer ist (neben seiner Mitgliedschaft in der Band Malinky) die moderne Ausgabe eines anderen Mikes, des Oldfields nämlich. Beide türmen größere und kleinere Soundgebirge auf, hier jedoch nie als Selbstzweck, immer im spannenden und fantasievollen Dienst der mit zwei Ausnahmen gälischen Songs, die Ó hEadhra und Mackenzie ausgesucht oder selbst geschrieben haben (in fünf Fällen). Zu diesem Team stoßen noch Innes White (Saiteninstrumente), Tom Gibbs (Tasteninstrumente) sowie die Künstlertöchter Órla und Róise (Backing Vocals). Die Lieder folgen wie das Vorgängeralbum Tir – Highland Life And Lore (siehe Folker 1/2019, S. 70) locker einer Titelthematik, meist sind es nördliche Songs aus Schottland, Irland, Dänemark und Norwegen, aber auch ein Ausreißer aus Galicien ist dabei. So sollte Folkmusik dieser Tage klingen, modern, innovativ, unerschrocken, aber immer hörbar den Wurzeln verpflichtet. Die CD steckt leider in einem Jewel-Case – so viel Plastik ist heute unanständig.
Mike Kamp

 MATILDE POLITI: Viva Santa Liberata – Sicilian Women Folksongs
MATILDE POLITI
Viva Santa Liberata – Sicilian Women Folksongs
(Felmay)


Das neue Album der Palermerin ist höchst ungewöhnlich in verschiedenen Aspekten. Da ist zuerst einmal die Stimme, oft allein a cappella gesungen, manchmal zusammen mit Simona de Grigorio. Bei den weiteren Stücken kommen Politis akustische Gitarre, ein Tamburin oder eine Geige hinzu. So archaisch und sparsam instrumentiert tönten traditionelle Folkalben in den letzten Jahren kaum mehr. Speziell ist auch das Repertoire der Sizilianerin. Alle Lieder sind aus Frauensicht geschrieben. Sie singt Traditionals über die ausgebeuteten Arbeiter, die in den Schwefelminen und bei den Großgrundbesitzern kaum ein Auskommen finden. Den Schwerpunkt des Albums bildet die Geschichte der Heiligen Genoveva, der Schutzpatronin der sizilianischen Bevölkerung. Die Sängerin beleuchtet den Mythos in eigener Weise. Genoveva findet keine Erlösung unter der hell leuchtenden Sonne des Landes. Vielmehr findet sie Schutz im Schatten, in verlassenen Höhlen, wo sie vor der Verfolgung und Gewalt der Männer geschützt ist. Matilde Politi bleibt auf ihrer aktuellen CD der oralen Gesangstradition ihrer Insel treu. Dies sorgt für ein intensives Klangerlebnis, das sich einem bei mehrmaligem Hören erschließt.
Martin Steiner
 VICKI SWAN & JONNY DYER: Sleep Deprivation
VICKI SWAN & JONNY DYER
Sleep Deprivation
(Wet Foot Music)


Eine gute Stunde Non-Stop-Kontratänze in der Tradition eines John Playfords, das setzt vor der Bühne eine gewisse Fitness voraus. Das englische Duo Vicki Swan (Nyckelharpa, Kontrabass, Flöte) und Jonny Dyer (Piano, Bouzouki, Mandoline, Leier, Citole, Percussion) gestattet sich auf seinem neuen Album nur einen Song, und der („Jiggle The Old Bones“) hätte auch gut und gerne Titelstück werden können. Stattdessen widmen sie die CD im plastikfreien Schuber all den Kollegen, die zu nachtschlafender Zeit vom Gig nach Hause fahren. Swan und Dyer interpretieren ihr im Grunde traditionell strukturiertes, aber ausnahmslos von Dyer geschriebenes Material, wie bei diesem Duo üblich, mit großem Können und Einfühlungsvermögen, aber ohne musikalische Mätzchen, genauso wie man es live von ihnen gewohnt ist. Mit der CD im Gepäck planen sie, im Oktober wieder auf Deutschlandtour zu gehen. Es ist zu hoffen, dass die Clubs dann wieder aktiv sein können. Übrigens, wer konditionelle Probleme hat: Die 61 Minuten der CD sind in zehn Tracks unterteilt, eine Pause ist also ohne Weiteres möglich.
Mike Kamp