Tonträger, Bücher, DVDs, Filme, Plattenprojekte und besondere Empfehlungen der Folker-Redaktion.
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Partymusik mit Niveau
| VOLXTANZ Live (DMG Records), mit spärlichen engl. Infos
Wer wie die Rezensentin gerne im Sommer ins serbische Guča zum Trompetenfestival fährt, weiß, was gute Blasmusiker leisten können. Man muss nur einmal das kompakte, abwechslungsreiche Ederlezi-Arrangement hören, das Saša Kristić in diesem Jahr dort vortrug, dann hat man eine Ahnung, was geht. Offensichtlich geht aber noch einiges mehr. Das beweisen Volxtanz auf ihrem fünften Longplayer, der live eingespielt wurde. Endlich, möchte man sagen, denn wie ein Amazon-Käufer einmal zu einem von ihm mit fünf Sternen bewerteten Volxtanz-Album schrieb: „Live sind sie noch viel besser.“ In der Tat kombiniert der Mitschnitt aus dem Forum Mannheim die Soundqualität und Präzision einer Studioproduktion mit dem Druck und der Spielfreude, die die sieben Musiker bei Auftritten aufbauen. Dass es sich überhaupt um eine Liveproduktion handelt, bekommt man selten mit, denn das Klatschen des Publikums wurde weitgehend eliminiert. Umso mehr bleibt Raum, die Eigenkompositionen zu bewundern, die gleichzeitig hoch abwechslungsreich und extrem partytauglich sind. Empfindet man andere Blaskapellen irgendwann als limitiert in ihrem Instrumentarium, kommt dieser Verdacht bei Volxtanz nie auf. Das liegt zum einen daran, dass im Rahmen der Arrangements jeder Musiker immer noch die Möglichkeit wahrt, er selbst zu sein und nicht nur eine Rolle auszufüllen. Es hängt aber auch damit zusammen, dass die Stuttgarter Musiker um die Saxofonisten Steffen Dick und Heiko Giering Anleihen bei verschiedensten Traditionen wie Afrobeat, Balkan Brass und Jazz machen – sie selbst bezeichnen ihre Melange übrigens als „International World Beat“. Zurecht hat das Septett 2013 den Creole-Wettbewerb Südwest gewonnen und ist 2014 als Bundessieger aus dem Creole-Wettbewerb für Globale Musik hervorgegangen. Groove, Können, Stimmung – auf diesem Album passt absolut alles zusammen. Ines Körver
| Eine Ahnung von Unendlichkeit
| DHAFER YOUSSEF Sounds Of Mirrors (Ante Prima Productions)
Wie so manche Dinge im Leben ist auch das Hören von Musik häufig eine Sache von Kopf und Bauch. Mal lauschen wir dem musikalischen Geschehen analytisch und relativ emotionslos, mal wirft uns das Gehörte gefühlsmäßig so in die Ecke, dass für klare Gedanken herzlich wenig Platz zu sein scheint. Ich muss gestehen, dass ich auch nach mehrmaligem Hören der neuen Platte des tunesischen Sängers und Oud-Virtuosen Dhafer Youssef eher der Analytikfraktion angehöre. Dabei sind Musik und Besetzung vom Feinsten. Der türkische Klarinettist Hüsnü Şenlendirici ist ein Gigant auf seinem Instrument, Zakir Hussain brennt wie gewohnt ein perkussives Feuerwerk auf seinen Tablatrommeln ab, und der Norweger Eivind Aarset macht mit seinen Gitarren, Effektgeräten und Synthies das, was ihn auch im Molvær-Umfeld oder mit seiner eigenen Band auszeichnet: gepflegt ambientes Geräusch. Youssef selbst spielt eine brillante Oud und jagt seine Stimme vom tiefen Brummen ins extreme Falsett. Und doch bleib’ ich kühl – kein Gefühl. Nebenbei irritiert mich der Titel des Albums. Welche Klänge erzeugen Spiegel außer dem Klirren, wenn man sie zerdeppert? Möglicherweise hilft hier ein kleiner Abstecher in den Zen-Buddhismus, und man muss den Titel als Koan, als Rätsel sehen, vergleichbar mit Michael Endes „Was spiegelt sich in einem Spiegel, der sich in einem Spiegel spiegelt?“. In den Siebzigern hing in jedem zweiten deutschen Badezimmer ein Schränkchen mit einem Spiegeltryptichon, das uns nach Aufklappen der Seitenteile beim Hineinschauen eine kleine Ahnung von Unendlichkeit vermittelte. Ich werde mir Sounds Of Mirrors also von Zeit zu Zeit immer mal wieder auflegen, und wer weiß, vielleicht erwischt mich die Musik irgendwann einmal in einer Situation, in der sie mich völlig umhaut. Nachsatz: Dhafer Youssefs neues Werk hat die Hervorhebung als besondere CD mehr als verdient, auch und gerade, weil der Rezensent an ihm gescheitert ist. Walter Bast
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Freude am Leben
| WOLFGANG MICHELS Erntezeit (Glitterhouse), mit dt. Texten u. engl. Infos
Zwölf Lieder versammeln sich auf dem letzten Album, das Wolfgang Michels selbst gestalten konnte. Alle haben Tiefgang, enthalten Lebensweisheiten oder drücken die Freude am Leben aus. Lässig und selbstverständlich vorgetragen, ohne Pathos, ohne moralische Besserwisserei, sondern beiläufig treffsicher. „Genialer Tag“ oder „Eiskalt“ – jedes Stück hat Ohrwurmpotenzial. Michels, der am 14. September 2017, genau ein Jahr vor der Veröffentlichung starb, hat hiermit sein Vermächtnis geschaffen. Dass die „Erntezeit“ seines Lebens nahte, wusste er, seit er mit dem tödlichen Verlauf seiner unheilbaren Lungenkrankheit, die ihm die Stimme nahm, rechnen musste. Das Ende kam schneller als erwartet. Er konnte die Fertigstellung nicht mehr begleiten, hatte aber genau übermittelt, wie das Album werden sollte und verfügt, dass es beim Independent-Label Glitterhouse herauskommt. Diese Entscheidung basierte darauf, dass er zum Schluss noch einmal so klingen wollte, wie es sich für ihn authentisch anfühlte. Das richtige Händchen für diese pure Anmutung versprach er sich vom Label, das auch seine eigenen Idole wie Neal Casal und Butch Hancock herausgebracht hat. So geschah es. Der Delmenhorster, der schon mit sechzehn Jahren bei einem Soloauftritt von Alexis Korner, dem „Vater des britischen/weißen Blues“ entdeckt wurde, war ein unbekannter Star. Er hat eine hauptsächlich von Musikern und Kritikern hochangesehene Laufbahn als Solokünstler, viele Male Bandleader und sogar Label-Gründer (der ersten Virgin-Records) hinter sich. Er hatte Erfolg in Großbritannien, arbeitete eng mit Rio Reiser zusammen, tourte mit Neil Young. Michels spielt hier vor allem Gitarre und singt, versammelt viele Künstler, darunter fast in jedem Stück Bernt Köhler-Adams oder Jörn Heilbut, einst Mitglied der Jeremy Days. „Bald zu Hause“ hat er zusammen mit Rio Reiser geschrieben. Freude und Erkenntnis ziehen sich durch die Lieder. „Wenn ich mich so fühl wie heute, möcht ich gerne zweimal leben …“ singt Michels in „Wenn ich mich so fühl“. Imke Staats
| Extravaganter Nerd
| GECKO TURNER Soniquete – The Sensational Sound Of Gecko Turner (Lovemonk)
Spaniens Populärmusik birgt einige extravagante, sympathisch aus der Norm fallende und gerade dadurch beliebte Nerds. Einer dieser Musikerschelme ist der 1966 in Badajoz, der Hauptstadt der nahe der portugiesischen Grenze gelegenen Extremadura, einer der ärmsten Regionen Spaniens, geborene Gecko Turner. Der Singer/Songwriter mit dem spleenigen Künstlernamen ist eine eigenwillige Allianz aus modernem Troubadour und von kubanischen (unter anderem) Latin-Traditionen, Funk, Blues, Jazz und Rock und vielem mehr gespeistem (Afro-)Beatnik. Der Autodidakt begeisterte sich schon als Teenager für Beatles, Stones und Dylan, ließ dann zusammen mit Bands wie Perroflauta oder The Reverendoes schon seine eklektizistische Herangehensweise erkennen. Kurzzeitig versuchte der Sänger und Gitarrist in den Achtzigern auch mal sein Glück auf den Straßen Londons. Fernando Gabriel Echave Pelaez, so sein bürgerlicher Name, ist nach wie vor ein hipper wie gut gehüteter Geheimtipp und nun mit diesem Best-of-Album verdientermaßen auch bei uns endlich ausführlicher kennenzulernen. Seine auf Spanisch und Englisch intonierten, quasi panamerikanisch-iberischen Songs versprühen ungeheuer viel Funkiness. Der „Afromeño“, wie er in den spanischen Medien genannt wurde, ist von seinem musikalischen Esprit her fürwahr der womöglich „schwärzeste“ Musiker der iberischen Halbinsel, der sich von jeher spielend leicht mit Musikern diverser Afrokulturen zusammentat. Die Kompilation versammelt vierzehn seiner markantesten und populärsten, mit verschmitzter Sozialkritik gespickten Songs aus seinen seit 2003 veröffentlichten Alben unter eigenem Namen. Zum Beispiel den lässig-zurückgelehnten Afrobeat „$45.000 (Guapa Pasea)“, die Samba „Un Limón En La Cabeza“ oder das afrokubanisch-verschmitzte, gut tanzbare „Toda Mojaíta“ (an dessen drolligem Videoclip Hundefreunde ihren Spaß haben werden). Der einzige neue Track („Cortando Bajito“) fällt in seinem funkigen Retrocharme eigentlich nicht groß auf, schon gar nicht als Novum. Gecko Turner zieht einfach entspannt weiter auf seinem guten Weg. Katrin Wilke
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