Tonträger, Bücher, DVDs, Filme, Plattenprojekte und besondere Empfehlungen der Folker-Redaktion.
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BROADWAY LAFAYETTE Subway Zydeco houndgawd.com (Hound Gawd! Records HGR-019/Broken Silence) 11 Tracks, 32:32
Es kommen zusammen: ein Sänger aus Detroit mit Garagenrockvergangenheit, ein musikalisches Paar aus New York und ein Cajuntrio aus Genf. Gemeinsam schaffen sie ihre eigene Soundwelt, die zwar immer irgendwie nach Zydeco klingt, aber auf eine rauere, rockigere, hingerotzte Art. Die sechs musizieren oft unbeschwert drauflos wie weiland Camper van Beethoven, gestatten sich einen Schuss Naivität, der an Jonathan Richman erinnert, und setzen Energie frei nach Art von The Clash. Liegt es an Sänger Mick Collins, der mit seiner Band The Dirtbombs aus der schrammeligen Ecke kommt, oder an den New Yorker Großstadtpflanzen Matt Verta-Ray (g) und seiner Frau Rocio (keys)? Vielleicht sind es aber auch die Groove-Alligatoren von Mama Rosin aus den Schweizer Sümpfen. Müßig. Die Songs bieten gespürten Sixties-Soul in „Precious“, fernöstliche Melodielinien mit Rumpelschlagzeug in „Girl De Hong Kong“ und Karibikflair in „Limpiar“. Doch selbst wenn das Sextett mit „Ou Es-Tu?“ beim Punk ankommt, scheint trotzdem noch das louisianische Vorbild durch. Dies alles lässt sich mit Begeisterung vom Wohnzimmersessel aus verfolgen, weckt aber vor allem eins: den Wunsch, diese Band live zu erleben. Volker Dick
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TIM EASTON Paco & The Melodic Polaroids timeaston.com (Campfire Propaganda Records CPLP005) 10 Tracks, 32:32
Warum sollten Gitarren keine Namen tragen? Man muss ja nicht B. B. King heißen, um sein Instrument taufen zu dürfen. Die Bezeichnung Gibson J-45 klingt jedenfalls ziemlich nüchtern, „Paco“ dagegen nach einem Kumpel, mit dem man durch dick und dünn geht. So nennt der Singer/Songwriter Tim Easton aus Nashville seine schwarze Sechssaitige, die ihn rund um die Welt begleitet und ihre Robustheit in so mancher Fußgängerzone bewiesen hat. Zum Dank bleibt Paco nun im Titel des Albums verewigt, das Easton mit museumsreifer Technik in Mono aufgenommen hat, nur ein RCA-Mikrofon von 1940 zur Abnahme des Signals, das dann live auf Lackfolie mitgeschnitten wurde. Keine Korrekturen möglich. Der Künstler meistert das mit der ganzen Routine des Straßenmusikers. Seine Songs leben von Blues, Bluegrass, Folk und traditionsreichem Country. Ob er eine Hommage an Elmore James singt, Jimmie Rodgers covert oder Eigenes vorträgt – er bleibt authentisch, mit prägnanter Stimme, erdiger Gitarrenbegleitung und ausdrucksstarkem Mundharmonikaspiel. Tim Easton kündet von schmerzlichen Erfahrungen. Dennoch scheint er jemand zu sein, der eher nach vorn schaut: „I left my home in 92 / And I never cross a river twice.“ Volker Dick
| BUFFY SAINTE-MARIE Medicine Songs buffysainte-marie.com (True North Records TND681/Alive) 13 Tracks, 49:15 , mit engl. Texten
In ihrer fünfzig Jahre langen Karriere hat Buffy Sainte-Marie unzählige Lieder geschrieben, die Krieg, Unterdrückung, Klimawandel, Ungleichheit und das Schicksal der nordamerikanischen Ureinwohner zum Thema haben. Einige von ihnen, darunter Klassiker wie „My Country ʼTis Of Thy People Youʼre Dying“, „Universal Soldier“ und „Soldier Blue“ hat Sainte-Marie hier mit zeitgemäßer Instrumentierung eingespielt, um ihnen aus heutiger Perspektive ein neues Leben zu geben. Hinzu kommen zwei neue Songs. Der Titel Medicine Songs beschreibt das Motto des Albums sowie von sieben Downloadextras. Die Kanadierin will nicht nur protestieren, sondern Ermutigung gegenüber dem Zynismus unserer Zeit bieten. „You Get To Run (Spirit of the Wind)“, eine Gemeinschaftskomposition mit der Inuitsängerin Tanya Tagaq, ist einer der beiden neuen Songs. Es geht um die Überwindung von Widerständen, allen Widrigkeiten zum Trotz. Das Lied wird von treibenden indianischen Trommelschlägen und Hintergrundgesängen sowie von Sainte-Maries und Tagaqs Gesang getragen. Der zweite neue Titel ist die Vertonung des Gedichts „The War Racket“ – eine beißende Kritik an den Bushs, den Saddams und den Bin Ladens, die aus Konflikten Profit schlagen, im Namen des Patriotismus oder der Religion. Michael Kleff
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JOHNNY TUCKER Seven Day Blues blindraccon.com (High John Records Highjohn 007/Blindraccoon) Promo-CD, 15 Tracks, 57:03
Als Schlagzeuger ist Johnny Tucker bereits seit den Sechzigern unterwegs – und begleitete als solcher Größen der schwarzen Musikszene wie Phillip Walker, Johnny Otis, Floyd Dixon oder Robert Cray. Sein Talent als Sänger kam dabei eher selten zum Tragen, und umso mehr ist nun diese Aufnahme zu feiern. Auf den fünfzehn selbst komponierten Stücken zeigt sich Tucker als Bluesshouter der alten Schule. Vergleiche mit Howlin’ Wolf sind durchaus angebracht. Produzent und gleichzeitig Gitarrist der in Form von mehreren Sessions abgehaltenen musikalischen Treffen war Big John Atkinson. In einem alten Aufnahmestudio kamen die Musiker zusammen, spielten gemeinsam in einem großen Raum, wodurch eine Liveatmosphäre entstand. Aufgenommen auf historischem, analogem Equipment und aufgrund der Räumlichkeiten mit natürlichem Raumklang versehen, klingen die Aufnahmen dann auch spontan, direkt, authentisch. Sicher bewegt sich Johnny Tucker dabei auf der Grenze zwischen Blues, RnB, Gospel und frühem Soul. Eigentlich ist es kaum möglich, sich dem Vintagecharme dieses Albums zu entziehen – und das gilt nicht nur für Bluesliebhaber. Achim Hennes
| RUPERT WATES The Lights Of Paris rupertwatesmusic.com (Bite Music Ltd, BR12113) 11 Tracks, 37:49 , mit Texten
Was für eine Stimme! Wer den aus England stammenden und mittlerweile in Amerika ansässigen Künstler mit dem samtigen Bariton noch nicht kennt, hat eine echte Entdeckung vor sich. Wates ist seit den späten Neunzigern als Singer/Songwriter unterwegs, zog 2001 nach Paris und 2006 in die USA, lebt heute in New York City und in Colorado. Seit seinem Umzug nach Amerika hat er dort inzwischen über vierzig Auszeichnungen eingeheimst. Seine Songs, die nachdenklich-melancholische Texten kunstvoll mit eingängigen Melodien verweben, wurden mit denen Gordon Lightfoots verglichen. Watesʼ neuntes Album enthält elf lyrische Kunstwerke, die Geschichten erzählen von „Gefahren, Desillusionen und Grausamkeiten der heutigen Welt, in der die Lichter von Paris ein Symbol der Liebe, Schönheit und Hoffnung anbieten“. Die Lieder – wie etwa „Fields Of America“ – sind dabei durchaus politisch. Das aktuelle Album ist sparsam instrumentiert und wurde in nur zwei Tagen im Studio live eingespielt. Watesʼ treibendes Rhythmusgitarrenspiel oder (je nach Songerfordernis) subtiles Fingerpicking wird von Adrianna Mateo an der Violine und Brian Sanders am Cello veredelt, in Arrangements des für einen Grammy nominierten John Guari. Ulrich Joosten
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Camarão The Imaginary Soundtrack To A Brazilian Western Movie, 1964-1974 (Analog Africa No. 25 AACD 085) 16 Tracks, 37:14
Von den großen Meistern des nordostbrasilianischen Forró ist außer Luiz Gonzaga hierzulande kaum jemand bekannt. Den Akkordeonspieler Camarão sollte man jedoch dazu zählen. Seine weitgehend instrumental vorgetragene Musik ist sehr treibend und repetitiv. Hätte der Mann Anfang der Sechziger schon einen Sequenzer gehabt, er hätte vielleicht Techno erfunden. Punktgenauer Beat mit der Basstrommel, flirrender Rhythmus mit dem Triangel, ein wildes Akkordeon und einfache Melodien genügten ihm dazu. Tanzbar war das sowieso. Ende der Sechziger riet man ihm, den Forró zu erneuern, da nahm er Bläser dazu, ersetzte die Trommel durch eine E-Gitarre, die Band legte die folkloristischen Kostüme ab und warf sich in poppige Showanzüge. Das klang dann allerdings nicht mehr ganz so aufregend. Als die Militärdiktatur dafür sorgte, dass der brasilianische Musikmarkt mit ausländischer Musik überschwemmt wurde, war die Forrówelle dann Mitte der Siebziger vorbei. Die Kompilation hat ein ausführliches Booklet mit einem Foto der geköpften Häupter der Bande des Räuberhauptmannes und Musikers Lampião, dessen Uniform von den meisten Forróspielern gerne übernommen wurde, weil er als Robin Hood des brasilianischen Hinterlandes galt. Hans-Jürgen Lenhart
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DIVERSE Une Anthologie Du Khöömii Mongol routesnomades.fr (Routes Nomades/Buda Musique 4790383/Universal) Do-CD, 43 Tracks,153:52 , 48-seitiges Hochformatbooklet mit franz., engl. u. mongol. Infos
Seit es Tonträger und Tonaufzeichnungsgeräte gibt, ist es vorbei mit der Musik als „flüchtiger Kunst“. Musikalische Tätigkeit kann seitdem lückenlos dokumentiert und für alle Ewigkeiten konserviert werden. Doch was den einen Verdruss bereitet – Celibidache lehnte zu Lebzeiten Tonträger vehement ab, und Keith Jarrett beklagte vor Jahren in einem Interview, sein Köln Concert von 1975 verkaufe sich immer noch mehr als seine aktuellen Werke – feiern die anderen als einzige Chance, aussterbende Kultur vor dem Vergessen zu bewahren. Auch Khöömii, der obertonreiche Kehlgesang der Mongolen, steht wohl auf dieser „Roten Liste“. Zwar gibt es zahlreiche junge Bands aus Tuva, doch ihre Sänger setzen den Khöömii oft als bloße Klangfarbe in eher konventionellem Rockkontext ein. Traditionelle Instrumente wie die Pferdekopfgeige und spezifische Lauten kommen eher selten vor. So war es sicher keine schlechte Idee von Johanni Curtet, Khöömii-Sänger im französisch-persischen Trio Meïkhâneh, bei seinen Reisen durch Tuva mobiles Aufnahmegerät mitzunehmen und konsequent alles aufzunehmen, was ihm vor die Ohren kam. So entstand diese einmalige Kompilation mit vielen wundersamen Gesängen und Klängen. Magisch. Walter Bast
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