Tonträger, Bücher, DVDs, Filme, Plattenprojekte und besondere Empfehlungen der Folker-Redaktion.
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PAUL ANDERSON The High Summit paulandersonscottishfiddler.com (Fingal Records FINCD506) 18 Tracks, 50:51
Er ist nicht einfach einer der vielen talentierten Geigenspieler Schottlands. Er gehört gemeinsam mit Künstlern wie Duncan Chisholm oder Bruce MacGregor zur absoluten Spitze der dortigen Fiddleszene – und Paul Anderson war Teil des „Kist-o-Riches“-Projekts beim 2017er-Rudolstadt-Festival. Wer Andersons brandaktuelles, achtes Soloalbum auflegt, wird nicht umhinkommen festzustellen: So selbstbewusst und überzeugend kann nur ein absoluter und erfahrener Meister seines Instruments spielen. Die Kompositionen, egal ob mitreißend oder elegisch, sind ausschließlich seine eigenen, aber sie klingen authentisch wie Melodien aus vergangenen Jahrhunderten. Begleitet wird er auf dem Album von Größen wie Tony McManus oder Malcolm Jones an der Gitarre, Ali Napier an den Keyboards und als Produzent und einmal von seiner Frau, der renommierten Sängerin Shona Donaldson, die auch in Rudolstadt zu hören war. Wenn es um schottische Fiddlemusik geht, kann sie nicht viel besser klingen als bei Paul Anderson. Mike Kamp
| GIGI BIOLCATI Da Spunda gigibiolcati.it (Vis-Age Music VM 3011) 11 Tracks, 36:40
Der Percussionist von Riccardo Tesis Banditaliana glänzt bei seinen Auftritten mit den Toskanern durch Können und Humor. Mit jedem Gegenstand, inklusive dem menschlichen Körper, trommelt der Mann die vertracktesten Rhythmen. Da Spunda zeigt den aus Santhià, Piemont, stammenden Musiker noch in anderen Farben. Da ist der sensible Liedermacher, der, wie im Eröffnungsstück „Al Santé“, über das Leben sinniert oder in „Gina“ ein Liebeslied für seine verstorbene Mutter schreibt. Die Mehrheit der Lieder singt er im Santhiateser Dialekt. Da ist auch der Multiinstrumentalist, der experimentelle Töne erzeugt, knackige Popmusik macht und auf eigenwillige Art einen italienischen Schlager aus dem Jahre 1936 neu belebt. Schon eher erwarten durfte man den witzigen Call-and-Response-Gesang im kurzen „Gossip Immobiliare“ oder die afrikanischen Polyrhythmen im piemontesischen Traditional „Giobi Di Capusin“. Gigi Biolcati ist Chorsänger, Beatboxer, Pianist, Bassist und Gitarrist, und alle diese Instrumente sind für ihn selbstredend Rhythmusinstrumente. Der Ausdruck da spunda (beim Billard über die Banden spielen) erschließt sich nach dem Anhören des Albums. Ein lohnender Blick um die Ecke. Martin Steiner
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COMMONERS CHOIR Commoners Choir commonerschoir.com (No Masters NMCD49) 21 Tracks, 54:38 , mit engl. Texten u. Infos
Im Norden Englands, speziell in Yorkshire, gibt es jede Menge sture Typen, die der Obrigkeit widerstehen und sich den Mund nicht verbieten lassen. Viele davon vertreten sympathische Meinungen, und fünfzig von diesen Menschen sind singenderweise auf diesem Album versammelt. Commoners Choir sind Frauen und Männer, britisch zwar, aber aus allen Ecken der Welt stammend, die mindestens zwei Dinge gemein haben: Freude am Singen und eine gesunde Portion Wut im Bauch. Das ergibt seit 2015 dann zwar keine filigrane Chormusik, doch treffende Songs über lokale, nationale und internationale Gegebenheiten, die eines Kommentars bedürfen – und wenn es nur ein Satz ist. Die Flüchtlingsfrage ist so ein Thema. Der Chor ist basisdemokratisch organisiert, mit all den teils nervigen Diskussionen, die sich ergeben. Man höre als Erklärung einfach nur „Woody’s Song“. Aber hinter all dem steckt der engagierte Kopf des Ex-Chumbawamba-Mannes Boff Whalley, der die Lieder schrieb und arrangierte. Das ist nicht nur Chor pur, wir hören auch gesprochene Passagen, Comedy und ungewöhnliche Klangkombinationen, aber immer gilt: Commoners Choir sind politisch, wütend, laut, voller Hoffnung und verlieren nie ihren Humor. Großartig! Mike Kamp
| DOBRANOTCH Makhorka dobranotch.ru (CPL-Music CPL019/Broken Silence) 10 Tracks, 39:35
Es war die Wanderlust, die eine Handvoll Russen in der Diaspora, genauer 1998 in Paris ein Brassorchester gründen ließ. An Makhorka, eigentlich ein rustikales Kraut, das in Russland als Tabakersatz verwendet wird, wirkten gleich acht Musiker mit. Vorneweg natürlich Milia Khramtsov (v, voc), der einzige, der durchgehend seit der Gründung vor rund zwanzig Jahren immer dabei war und auch auf der Bühne nach wie vor deutlich das Zepter in den Händen zu halten scheint, ergänzt hier durch Ilia Gindin (cl), Maxim Karpychev (sax), Evgeny Lizin (dr), Roman Shinder (bj), Grigory Spiridonov (tb) und Alexey Stepanov (tuba). Sicherlich separat erwähnenswert ist schließlich der in Deutschland sesshafte Ilya Shneyveys (acc), der geschätzt in etwa einem Dutzend weiteren Formationen fast gleichzeitig zu spielen scheint. Merkwürdigerweise dauerte es neunzehn Jahre für die Band, um auch bei uns ein Album zu veröffentlichen; die vorausgegangenen sechs sind auf dem deutschen Markt nicht zu finden. Aber aufgepasst, hier handelt es sich um Derwische der Volksmusik, die selbst das lahmste Tanzbein bedingungslos zum Schwingen bringen, etwa in „Krakowiak“, einer fantastischen Mischung aus Balkanfolk, Klezmer, Brass und russischer Folklore. Matti Goldschmidt
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KRIS DREVER If Wishes Were Horses krisdrever.com (Reveal Records REVEAL058CDX) 11 Tracks, 47:01 , mit engl. Texten
Das singende Drittel der schottischen Gruppe Lau zeigt erneut, dass er unbedingt ein weiteres Medium für sein überbordendes kreatives Output braucht, und das ist dann eben, neben diversen anderen Kooperationen, auch mal ein Soloalbum. Und so ganz nebenbei produziert Kris Drever seine Musik auch selbst, wohlwissend, wie er zu klingen hat. In erster Linie arbeitet er solo mit dem nordenglischen Ausnahmegitarristen Ian Carr zusammen, mit dem er auch im September auf diversen deutschen Bühnen zu erleben war. So kann er sich voll und ganz auf seine Lieder konzentrieren, zusätzlich begleitet von Euan Burton an Bass und Piano, Louis Abbott an Drums und Percussion sowie Yolanda Quartey, die ihn gesanglich unterstützt. Das Album startet mit „I Didn’t Try Hard Enough“, seinem nachhaltigsten Song über die bedauernswerten Klagen eines Arbeitslosen, dem auch noch seine Beziehung in die Binsen geht. Ein weiterer Höhepunkt stammt ausnahmsweise nicht von Drever selbst, nämlich der Spence/Miller-Song „Capernaum“ über seine Heimatstadt Edinburgh. Der Rest sind neun weitere hochklassige Lieder, die Kris Drevers Status als einer der zeitgenössischen Top-Songwriter Schottlands bestätigen. Mike Kamp
| HASA-MAZZOTTA Novilunio de-de.facebook.com/HasaMazzotta (ponderosamusic&art CD 140) 10 Tracks, 37:49 , mit Texten
Was macht die Magie eines Albums aus? In Novilunio ist es das Zusammentreffen zweier harmonierender Musikerpersönlichkeiten. Maria Mazzotta aus Salento besitzt eine Stimme wie geschaffen für die Tarantella – aber auch für französische Chansons und jazzige Einlagen. Ihr musikalischer Partner, der Albanier Redi Hasa, verwendet sein Cello häufig als perkussives Zupfinstrument. Er kann aber auch anders. „Woodroom“ etwa ist ein getragenes, minimales Solostück, das einen wohlig warmen Kontrast bildet. Ein Cello, eine Stimme, mehr braucht es nicht. Handverlesene Gäste sorgen für wohldosierte zusätzliche Akzente, allen voran die Bläser im stimmungsvollen „Aux Souvenirs“. Das arabisch-italienische Gesangsduett der Salentinerin mit dem marokkanischen Gnawamusiker Mehdi Nassouli in „Capufrisca“ ist ein weiteres Schmankerl. Und der iranische Percussionist Bijan Chemirani sorgt in vier Stücken für eine orientalische Note. Neben einem albanischen Traditional und einem Lied von Rosa Balistreri hat das Duo alle Stücke selbst geschrieben. Salento, der Stiefelabsatz Italiens, ist ein kultureller Schmelztiegel und bringt immer wieder herausragende Musiker verschiedener Länder zusammen. Martin Steiner
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LONEY DEAR Loney Dear loneydear.com (Real World/Pias) Promo-CD, 10 Tracks, 36:27
Ein Plattenvertrag bei Peter Gabriels Real World Label ist für jeden Weltmusiker immer noch ein Ritterschlag. So könnte er auch dem wundervoll verschrobenen Loney Dear zum Durchbruch verhelfen. Der Schwede mit dem bürgerlichen Namen Emil Svanängen veröffentlicht mit seinem Self-Title-Album nämlich keineswegs sein Debüt, sondern bereits sein siebtes Album in immerhin fünfzehn Jahren. Und versprochen, die Gefahr, dass man sich nach dem Hören dieser CD die anderen sechs Alben nachkauft, ist gigantisch. Loney Dear klingt so abwechslungsreich, dass die Neugier, welche Ideen der Künstler noch in der Tasche hat, fast unbezwingbar ist. Zu Beginn klingt das Album noch unspektakulär modern, nach Folkpop in bester Bon-Iver-Tradition, entwickelt dann aber immer neue Wendungen und Kurven, ohne einen schlüssigen Gesamteindruck vermissen zu lassen. Die elektronischen Tracks würden auch Depeche Mode vor Neid erblassen lassen. Simulierte klassische Musik bis hin zu schlagerverwandter Kompositionstechnik à la Hurt, leicht düstere Balladen, Glass‘scher Minimalismus, der Quell der Ideen scheint unerschöpflich. Vielleicht ist Loney Dear nach The Divine Comedy das größte unbekannte Talent dieser Tage. Chris Elstrodt
| NATAŠA MIRKOVIC, MICHEL GODARD, JARROD CAGWIN En El Amor natasa-mirkovic.com michel-godard.fr jarrodcagwin.net (Carpe Diem Records, CD-16313) 14 Tracks, 60:37 , mit engl. u. dt. Texten u. Infos
Eine Zeitreise in eine unbekannte Klangwelt. Die klassisch ausgebildete bosnische Sängerin und Musikethnologin Nataša Mirkovic taucht mit ihrem aktuellen Projekt in die vielfältige Musikwelt der Sepharden ein. Nach ihrer Vertreibung von der iberischen Halbinsel im 16. Jahrhundert ließ sich ein Großteil dieser jüdischen Gemeinde auf dem Balkan nieder. Die in Wien lebende Opernsängerin Mirkovic präsentiert eigene Arrangements der reichen sephardischen Tradition aus Spanien, Bulgarien, Griechenland, der Türkei und Bosnien-Herzegowina. Mit klarer und ausdrucksstarker Stimme unterstreicht sie die schöne Schlichtheit der Lieder und ihre tiefgehende Poesie. Die Balladen, Hochzeitslieder und Romanzen erzählen von den alltäglichen Herausforderungen der Sepharden. Begleitet wird Mirkovic bei den Aufnahmen in der alten Synagoge im österreichischen St. Pölten von zwei exzellenten Kollegen. Der französische Jazz- und Barockmusiker Michel Godard unterstreicht mit seinem feinen Improvisationsspiel auf dem historischen Serpent und der Tuba die Stimmung der einzelnen Klanggeschichten. Jarrod Cagwin aus den USA beeindruckt dagegen mit seiner hervorragenden Percussionkunst. Sein ausgeprägtes Wissen über die indischen und orientalischen Rhythmen verleiht den Liedern einen märchenhaften Zauber. Erik Prochnow
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MATTHEW ROBB Spirit In The Form matthewrobb.com (WabiSabi Music, LC 09316) 9 Tracks, 36:49 , mit engl. Texten
Manche Alben müssen lange reifen. Fast dreißig Jahre macht der in Köln lebende englische Singer/Songwriter bereits Musik. Doch erst jetzt, mit 48, veröffentlicht er seine erste Platte. Aber das Warten hat sich gelohnt. Selbst Bob Dylan könnte sich von den neun Songperlen noch das eine oder andere abschauen. Aufgewachsen mit dem klassischen Blues, besticht Matthew Robb durch musikalische Arrangements, die durch ihre Schlichtheit mitreißen. Aus Gesang, akustischen Gitarren und Harp erklingt die große Folktradition des amerikanischen Westens. Doch es sind vor allem Robbs Texte mit großem Tiefgang, die seine Kompositionen so brandaktuell machen. Wie ein roter Faden zieht sich durch seine Lieder die Desillusion der Menschen der Wohlstandsgesellschaft. Da singt der Songpoet vom Alkoholtod eines engen Freundes, von moderner Sklaverei, von immer wieder aufgeschobenen guten Vorsätzen zur Veränderung, von zunehmender Gier und Hass. Trotz aller Melancholie strahlen Robbs Songs, wie etwa in „River“, jedoch auch eine große Hoffnung aus, dass den Menschen eine Kraft innewohnt, die innere Last abzulegen: „There is a river that runs through you.“ Erik Prochnow
| TWELFTH DAY Cracks In The Room twelfthdaymusic.com (Beste! Unterhaltung BU077/Broken Silence) 11 Tracks, 36:48
Normal waren die beiden Damen aus Edinburgh noch nie. Normal im Sinne von „schön die Geige streichen, die Harfe zupfen und nette Lieder trällern“. Catriona Price (Fiddle, Gesang) und Ester Swift (Pedal Harp, Gesang) haben auch nicht vor, auf ihrem dritten Album Normalität einkehren zu lassen, im Gegenteil. Wer einen Folk-Maverick wie Chris Wood zum Produzenten beruft und Oz Fritz, den Soundmann von Tom Waits, mixen lässt, der führt spannende Abenteuer im Schilde. Die selbstgebastelten Lieder und Melodien von Twelfth Day sind mehr denn je gewagt, persönlich, philosophisch und in den Harmonien immer wieder überraschend. Sicherlich sind die Wurzeln dieser Klänge auch in der Tradition zu finden, aber die Musik des Duos weist weit über diese engen Grenzen hinaus. Sie klingt manchmal vielleicht sogar eine Spur zu abstrakt, so zum Beispiel das Instrumentalstück „Another Phase In History“, laut Waschzettel eine eindringliche Klage über den Krieg in Syrien, was sich zumindest diesem Rezensenten nicht unmittelbar erschließt. Sollte das anderen ähnlich gehen, keine Sorge. Das wird live mit einer überaus eindrucksvollen Bühnenpräsenz relativiert. Mike Kamp
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