Tonträger, Bücher, DVDs, Filme, Plattenprojekte und besondere Empfehlungen der Folker-Redaktion.
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ANNWN Enaid annwn-music.de (Eigenverlag) 13 Tracks, 66:22 , dt. u. engl. Infos, Texte in div. Sprachen
Dieses erst dritte eigene Album der achtköpfigen Band aus Altendiez an der Lahn seit 2007 ist eine Reise durch Europas Musikkulturen, vom maurisch beeinflussten sephardischen Spanien zum keltischen Irland und zur Bretagne, weiter nach Schweden, um nur einige Stationen zu nennen. Dabei führt Sabine Hornungs Gesang in diversen Sprachen die vielen Instrumente wie Harfe, Flöten, Schlagwerke, Nyckelharpa, Drehleier, Uilleann Pipes und viele andere an und gibt der Vielfalt eine gemeinsame Seele. Enaid ist denn auch das kymrische Wort für „Seele“, und Annwn der kymrische Name für das Land der Toten. Sie nennen ihre Musik „Mystic Folk“, legen Wert auf Bezüge zu Religionen und Mythen, doch auch ohne diese spirituellen Dimensionen ist dieses zusammen mit weiteren acht Gästen – darunter Johannes Schiefner an den Pipes – eingespielte Werk ein Hörgenuss. Es ist eine sehr feine, gerade in den leisen Partien sehr eindringliche Musik, mit einem komplexen Ensemblespiel und zuletzt mehrstimmigem Chorgesang. Wer also europäische Musiktraditionen, Mittelaltermusik oder eben auch mystisch-spirituelle Höhen und Tiefen liebt, der findet in dieser Scheibe eine wunderbare Symbiose, in die er oder sie sich fallen lassen kann. Michael A. Schmiedel
| ROLF BEYDEMÜLLER On A Tree Top beydemueller.de (Newhearland, nhl 003) 17 Tracks, 71:51
Diese Scheibe muss man lieben, allein wegen des erfreulich anziehenden Openers „Brothers“. So entspannt kam schon lange keiner mehr daher. Es ist eine Rarität, wenn ein exzellenter Gitarrist darauf verzichtet zu zeigen, was er an Technik zu bieten hat. Rolf Beydemüller gleitet in die tiefen Schichten seiner Verbundenheit mit dem, was sein Herz berührt. On A Tree Top ist Programmmusik vom Feinsten. Beydemüller widmet dieses Album dem Siebengebirge, dem „achten Weltwunder“, wie Humboldt schwärmte. Man glaubt sie zu hören, die vielen kleinen Wasserläufe, die ins Tal hinab zum Rhein züngeln. Er ist ein Weltreisender, der seine Heimat kennt. Getragen von seelenverwandten musikalischen Wegbegleitern pendelt er in jazzigem Flow und südamerikanischem Flair mit bezaubernder Gelassenheit zwischen klassischer Gitarre, feenhaft wundervollem New Age und Weltmusik. „Landscape Five“ mit hinreißend treibender Bassrhythmik wird zum Klangteppich, auf dem Beydemüller fliegend seine hörschöne Gewandtheit auf der Sologitarre entfaltet, gefolgt von einem begehrlichen Tremolo südlicher Sonne in „The Secret Garden“. Er landet formvollendet in der dritten Variation seiner Komposition „Home“. Traumhaft und absolut hörenswert. Stefan Sell
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KAI DEUTSCH Fern.Weh.Mut stadtstreicher-records.de (Stadtstreicher Records CD 003) 11 Tracks, 36:47 , mit Texten, Akkorden u. Infos
Gäbe es einen Sonderpreis für liebevolle Alben, Kai Deutsch wäre Preisträger. So herrlich altmodisch, enthusiastisch, verschroben und unperfekt müssen Liederjan geklungen haben, als sie sich das erste Mal im Proberaum getroffen haben. Ein Freundeskreis aus dem bündischen Umfeld spielt deutsche Texte in bester Liedermachertradition ein. Es gibt keine Künstlerwebsite, dafür stehen die Akkorde im Booklet. Viele liebevolle Begleittexte unterstreichen das Herzensfeuer eines Amateurs. Jemand, der die Musik noch aus Leidenschaft spielt und nicht, um Massen von schlecht bezahlten Promotern zu beeindrucken. „Ich hab Liebe verschluckt“ lautet der Gruß, der einem direkt aus dem Booklet entgegenstrahlt, und dieses Strahlen durchzieht das Album. Jedes einzelne Stück, jedes einzelne Instrument überschwemmt den Hörer mit Liebe. Dieses Werk wird keinen Schallplattenpreis gewinnen und kein Majorlabel wird an die Tür klopfen, es gibt nicht einmal eine Tour. Aber können wir diese wunderschönen Songs und die Menschen, die dieses Feuer erzeugen, nicht wenigstens einmal irgendwo live sehen? Im Wohnzimmer oder in Rudolstadt? Bitte! Die Welt braucht Musiker wie Kai Deutsch. Chris Elstrodt
| FRAUNHOFER SAITENMUSIK Aufwind fraunhofersaitenmusik.de (Trikont US-0483/Indigo) 14 Tracks, 47:24
Der ein oder andere wird nicht mehr mit einem neuen Album der bayerischen Musikinstitution gerechnet haben, nachdem die Gruppe im Jahr 2013 nach über drei Jahrzehnten des Bestehens den plötzlichen Tod ihrer Hackbrettspielerin Heidi Zink hinnehmen musste. Mit der Blockflötistin und Cellistin Michaela Schmidt als neuem Gruppenmitglied nahmen Richard Kurländer (Harfe, Salzburger Hackbrett, Streichpsalter, ungarische Hirtenzither), Michael Klein (Gitarre) und Gerhard Zink (Kontrabass) nach drei Jahren ihr elftes Album auf. Es ist ein heiter-melancholisches Album geworden mit typischer Fraunhofermusik. Volksmusik in schwierigen Zeiten lautete der Titel ihrer ersten Langspielplatte, mit der die Gruppe authentische alpenländische Volksmusik neu definierte. Die Band verschmilzt Musiken aus ganz Europa zu einer einzigartigen Klangfarbe, so auch auf dem neuen Album. Da erklingt ein schwedisches Liebeslied neben einer Polka aus dem Tessin, eine höfische französische Branle neben einem Instrumentalstück der Gruppe Liederjan und eine Mozart-Komposition trifft auf eine dänische Fynsk Polka. Man lauscht der Musik und fühlt den Wind unter den Flügeln. Gut, dass es euch gibt, Fraunhofer Saitenmusik. Ulrich Joosten
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KLAUS HOFFMANN Leise Zeichen klaus-hoffmann.com (Stille-Music 039-2/Indigo) 16 Tracks, 52:15 , mit Texten
Vor über vierzig Jahren erschien seine erste LP, seit diesem Jahr kann er Rente beziehen, und so beginnt das neue Album von Klaus Hoffmann mit einem flotten Rückblick in die Siebzigerjahre – „So lang her“. Das sind die Jahre, die ihn geprägt haben, und von diesen Prägungen und Erinnerungen zehrt er noch heute. Ohne dass es eine nostalgische Produktion wäre, fließen viele dieser Empfindungen, Erinnerungen, Haltungen und Erfahrungen in seine Lieder und Geschichten ein. Wenn er „Die Geschichte meiner Lieder“ besingt, werden die Kleinigkeiten aus seinem Leben erahn- und erkennbar, die seine Lieder oft initiierten. Liebesverhältnisse werden besungen, Fantasien beschrieben, und seine Heimatstadt Berlin macht ihn verrückt, sie ist „die Mutter seiner Lieder“. Auch die Hoffnung auf eine bessere, solidarische Welt ist bei ihm nicht erloschen, und den syrischen Flüchtlingen gilt seine Sympathie. Es ist eine thematisch und auch musikalisch vielseitige Produktion geworden, beim Berlin-Lied „Du machst mich immer noch verrückt“ trägt Till Brönner das Seine zum Klang bei. Ein sehr schönes Album, mit dem er nächstes Jahr wieder auf große Tournee gehen wird. Rainer Katlewski
| GEORGE LEITENBERGER Autovía georgeleitenberger.com (Nuit Blanche Recordings MRM 1601/Phonector) 11 Tracks, 67:45 , mit dt./engl./fr. Texten, dt. Begleittext u. engl. Infos
15 Minuten und 46 Sekunden „Von wegen“ mit ihrer exzessiven Sprengung des üblichen Formats – die seelenruhige Drift einer Kinogängerin durch ihre Erinnerungen nach einem Film Claude Sautets mit Yves Montand, Michel Piccoli und Serge Reggiani – sind nur die Klimax zum krönenden Abschluss eines auch darüber hinaus außergewöhnlich poetisch flanierenden Singer/Songwriter-Albums. Aber eine, die ihresgleichen sucht. Meisterhaft hat der Wahlschweizer George Leitenberger die Autovía-Fahrt seines fünften Albums zwischen zwei Gegenpole gespannt. Zwei Gegenpole – frei und mit Muse reisen, konkret wie in Gedanken; Theorie und Praxis der sogenannten freien Welt –, die auf den ersten Blick kaum zusammenzugehören scheinen, es auf den zweiten aber tun wie Yin und Yang, Mann und Frau, Gut und Böse. Wer sich beobachtet fühlt, hat seine Freiheit schon halb verloren, wie Edward Snowden im Booklet sinngemäß zitiert wird. Nicht so offenbar George Leitenberger, der, getragen von seiner Band, mit einer ebenso stabilen wie betörenden Leichtigkeit zwischen Bodenhaftung und träumerischer Luftgeisterei schwebt. Ein packendes Plädoyer für die Freiheit in jeder Beziehung – gut, dass wir mal wieder darüber geredet haben. Christian Beck
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JOSEPH MYERS Against The Sea josephmyers.de (Timezone TZ1170) 11 Tracks, 38:22 , mit Texten u. Infos
Folkpop ist schwer angesagt. Künstler wie The Tallest Man On Earth stehen mit zumeist akustischer Gitarre auf der Bühne, begleitet von sparsam eingesetzter Begleitung oder auch ganz alleine. Das Reeperbahnfestival ist voll von Folkpopkünstlern, und jedes große Open Air hat gleich mehrere dieser Acts im Line-up. Wie kann Joseph Myers sich gegenüber dieser überwältigenden Konkurrenz absetzen? Auch er bedient sich der Elemente, die schon Neil Young zum Erfolg geführt haben. Sanfte Gitarrenklänge, ein behutsames Klavierarrangement, und wenn es romantisch wird, auch mal ein Dreivierteltakt. Es sind Songs. Wunderschöne, traditionelle Songs, die Joseph Myers uns präsentiert, mit Strophe und Refrain und sehr persönlichen Texten, die zum Mitsingen einladen. Sein Verhältnis zu den Großeltern wird in elf Liedern zu einer einzigen Liebeserklärung. Myers berührt das Herz, und letztlich kommt es genau darauf an. Die Tränen laufen, weil die Songs so unfassbar nahegehen. Man möchte den geliebten Partner vor die Boxen zerren und die Gefühle mit ihm teilen oder die Gitarre herausholen und in eigenen Erinnerungen versinken. Joseph Myers bewegt und macht glücklich. Chris Elstrodt
| RINGSGWANDL Woanders ringsgwandl.com (Capriola/Blanko Musik/Sony Music Entertainment 88985355802) 11 Tracks, 41:10 , mit dt. Texten u. Infos
Der Einstieg ist Programm: „Sitz de her, sei mein Freind und trink mit mir aus oan Kruag, und erzähl’ und erzähl’, wo du scho warst auf der Welt.“ Intimer ist kaum vorstellbar – ihr enorm einfühlsames, vor Spielfreude sprühendes federleichtes Musizieren, das schon Untersendling und Mehr Glanz! auszeichnete, bringen Ringsgwandl und Band mit Woanders noch einmal auf einen zusätzlichen Höhepunkt. Weitgehend reduziert auf rein akustische Instrumente – mit ein paar elektrischen Gitarren – kommen sowohl Ringsgwandls sagenhaft zarte und anrührende Texte als auch die offensichtliche tiefe Hingabe aller Beteiligten an ihre Musik, kaleidoskopisch changierende Americana mit einem kräftigen Schuss Afrika, noch einmal einen Zacken schärfer zur Geltung als im normalen elektrischen Gewand. Die Liebe, große Lust auf die Welt und was man – „Host deine Fiaß scho moi in Ganges neighängt“ – in ihr alles so finden kann, wenn man will. Bekloppte bayrisch-chauvinistische Befindlichkeiten. Und keinerlei Scheuklappen vor nichts: „Sie müsste längst woanders sein, doch ihr fällt nichts Gutes ein. / So wie es ist, ist es furchtbar, doch anders darf’s nicht sein“. Schluck; es wird einem kalt – und warm. Christian Beck
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STOPPOK Operation 17 stoppok.de (Grundsound GS0036/Indigo) 11 Tracks, 43:55 , mit dt. Texten u. Infos
Kein brüllendes „Wenn du weggehst“ mehr auf Album Nummer 17, kein „Schwafel nicht“ mitten vore Omme, nicht einmal mehr ein kleines „Ich arbeitete“ mit seinen schnippisch-freundlichen Watschen. Stefan Stoppok, die Pottschnauze unter den Liedermachern, ist – „Man weiß es nicht“, „Das Leben verläuft“, „Planlos durch das All“ – bei einer geradezu entrückten Akzeptanz jeglicher Realität angekommen. Überwindet, indem er auch noch den letzten Widerstand aufgibt – „Friss den Fisch“. Notfalls höchstens flüchtet – aus Orten und Situationen wie in „Rausch ab“ und „Weg hier raus“; oder gleich in „Märchen“ und „2 wunderschöne Augen“. Deutlich tritt beim gerade sechzig Gewordenen zunehmend ein anderer Ton zutage als in jüngeren Tagen. Leiser? Gelassener? Kraftloser? Resignierter? Jedenfalls mit weniger Druck auf dem Topf als früher mitunter, sowohl thematisch als auch musikalisch oder zumindest, was Produktion und Darbietung betrifft. Karrieren verlaufen in Phasen, Lebensbögen und -bilder runden sich, zum Abschluss der Operation steht Stoppok in Danny Dziuks „Regen“ – und fühlt sich dort offensichtlich gar nicht unwohl. Nicht mehr weit hin, und er wird sich in reiner Weisheit auflösen. Und Wohlgefallen … Christian Beck
| MATYAS WOLTER & SANJIB PAL Five Ragas & Four Talas matyasitar.de sanjib-tabla.com (T3records T3 1032-2 /Galileo MC) 7 Tracks, 74:21 , mit engl. Infos
Alben mit Indischer Klassik sind rar geworden. Die jungen indischen Musiker bevorzugen Crossoverprojekte oder Filmmusiken, und die alten haben sich aus Altersgründen zurückgezogen oder diesen Planeten bereits verlassen. Also halten in Indien ausgebildete „Westler“ wie der Potsdamer Sitarvirtuose Matyas Wolter die Tradition hoch. Korrekterweise muss man allerdings hinzufügen, dass auch Wolters primäre Musikaktivität nicht der indischen Klassik gilt, sondern dem zu Recht hochgelobten Pulsar Trio. Dennoch, seine Leidenschaft für die Musik des Subkontinents mündet immer wieder in viel beachtete Konzerte und Tonträger. So enthält auch sein zweites Album fünf virtuos dargebotene Ragas, die ihn als Sitarspieler auf Augenhöhe mit den Großen des Genres präsentieren. Im Gegensatz zu den „alten Meistern“ wie Ravi Shankar oder Vilayat Khan strukturiert Wolter die Ragas allerdings recht kompakt, was zu Gesamtspielzeiten führt, in denen die erstgenannten allenfalls die „Alap“ genannte Einführung in einen Raga eingespielt hätten. Doch bevor jetzt jemand „Häppchenklassik, indisch“ ruft: Das Album Wolters und seines Duopartners Sanjib Pal (Tabla, Pakhawaj) ist ein tadelloses Stück indischer Tradition. Walter Bast
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