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Nachspiel

oder Beinahe das Letzte

 

DIE KRONE DER ERSCHÖPFUNG

Wir sind nicht mehr, was wir ein paar tausend Jahrhunderte lang waren, nämlich als homo sapiense halbwegs autarke Geschöpfe. Es war eine schöne Zeit – aber nun will der Fortschritt, dass damit Schluss ist. Moderne Vielzeller mutieren zu Erfüllungsgehilfen und Bedieneinheiten diverser Geräte und subtiler KI-Ausgeburten. Der offene Kühlschrank fiept, wenn ihm zu warm wird und will geschlossen werden (keine Ahnung, warum er es nicht selber tut). Im Bandbus quäkt die Gurtkontrolle, selbst wenn man nur zum Getränkestützpunkt um die Ecke will und alle Raten bezahlt sind.
Ein Typ sitzt inmitten eines Zimmers voller Instrumente in einem Baby-Laufgitter und hält sich die Ohren zu.


Dass das alles nur der Anfang ist, offenbart eine neue Generation von Musikinstrumenten, die urplötzlich losfiepen, wenn der Spieler zwei Tage nicht drauf geübt hat. Seelig die alten Zeiten, da der Bratscher sein Etui aufklappte und verlegen mümmelte: „Scheiße, verschimmelt!“ Die intelligente Bratsche fordert ihre Übzeiten ein. Der implantierte Fiepton demmelt ohn Erbarmen, bis es der arme Fiddler in seinem Fernsehsessel nicht mehr aushält und – mitten im Tatort – ein paar Arpeggien sägt. Nun mag es Mugger geben, denen es ganz lieb ist, wenn ihr Musizierwerkzeug mitdenkt. Nach drei durchsoffenen Nächten mal an die Berufsehre erinnert zu werden, kann durchaus sinnreich sein. Wäre da nicht die – unter Folkies häufig anzutreffende – Innung der Multiinstrumentalisten! Man stelle sich vor: Der Virtuos übt ein kniffliges Trompetensolo in Es, plötzlich quengelt die Dobro an der Wand los, weil sie jetzt dran ist. In D! Kaum hat er, weil’s anders kein Entrinnen gibt, das hohle Blech befriedet, da läuft die Frist des Banjos ab, das nun in Bb plärrt, während daneben bereits die Bassklarinette in As nervt. Wilhelm Buschs Bonmot, Musik werde störend oft empfunden, weil sie mit Geräusch verbunden, bringt die erbarmungslosen Entwickler solcher „Zivilisationshilfen“ mitnichten aus der Ruhe. Was machbar ist, wird gemacht. Fredo Frohberg, ein szenebekannter Tastensassa, bekam nun letzte Woche die Quittung in Form der Kündigung. Begründung: Das atonale Gedöns an seinen Wänden sei unaushaltbar. Was tun? Rausschrauben oder breitklopfen lassen sich die trickreich verbauten Peiniger nicht. Was einzig hilft, ist ein ausgetüftelter Übplan, der die spielsüchtigen Geräte fristgemäß ruhigstellt. Seitdem meidet Fredo vergorene Getränke und jede Art Zerstreuung und übt wie ein Volkskünstler. Was sich tatsächlich auszahlt, denn er gewann haushoch den Wittenberger Luther-Jam. Erster Preis: eine Knickhalslaute, die alle zwölf Stunden in Fis winselt. Seine Freundin verkündete, sie ziehe sich morgen aus – oh, sorry, liebe #MeToo-Gemeinde –, sie ziehe morgen aus.