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Backkatalog   Ausgabe Nr. 1/2020   Internetartikel
»Wir müssen Orte für die kleinen zarten Dinge schützen.«
Daniel Kahn (re.) & Vanya Zhuk * Foto: Promo

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Aktuelles Album:

Bulat Blues – Songs of Bulat Okudzhava
(Oriente Musik, 2019)


Cover Bulat Blues – Songs of Bulat Okudzhava


Daniel Kahn

Ein wertvoller Schatz

Als Daniel Kahn vor Jahren die Musik des russischen Sängers Bulat Okudschawa kennenlernte, wusste er gleich, er würde dessen Lieder eines Tages aufnehmen. Jetzt fühlt er sich reif dafür. Sein neues Album Bulat Blues wirkt gleichzeitig aus der Zeit gefallen und gegenwärtig.

Text: Guido Diesing

Der Name Bulat Okudschawa ist so etwas wie ein Lackmustest, mit dem man Herkunft und Sozialisation eines Musikhörers feststellen kann. Während Menschen aus dem früheren Ostblock wissend bis schwärmerisch reagieren, wenn der Name fällt, stößt man in der westlichen Welt mehrheitlich auf Schulterzucken. Daniel Kahn war da keine Ausnahme, bis ihn sein Freund und Kollege Psoy Korolenko auf den 1997 gestorbenen Sänger aufmerksam machte, der das Genre des russischen Autorenlieds mitbegründet hat und als „Georges Brassens der Sowjetunion“ gilt. „Ich spürte sofort eine spirituelle Verbindung, obwohl ich die Texte nicht verstand“, erinnert sich Kahn an das erste Hörerlebnis. „Ich habe ihn wiedererkannt, ohne ihn vorher gekannt zu haben.“
Der in Detroit geborene Wahlberliner, der für die Arbeit mit seiner Band The Painted Bird zwischen Klezmer, Folk, Rock, Punk und Lyrik bekannt ist, begann, sich näher mit Okudschawa zu befassen. Mit der Hilfe russischsprechender Freunde übertrug er erste Songtexte ins Englische. „Die postsowjetischen Communitys, mit denen ich eng verbunden bin, bestehen wesentlich aus Menschen, die im Rahmen der großen jüdischen Auswanderung aus der Sowjetunion in den Westen gekommen sind. Okudschawas Lieder sind für sie ein wertvoller Schatz, den sie mitgebracht haben. Sie sprechen über ihn wie über einen engen Freund. Die Intimität, die darin zu spüren ist, bewegt mich.“ Mit Blick auf Okudschawas Bedeutung für den Osten geht Kahn so weit, ihn mit Bob Dylans Rolle im Westen zu vergleichen. „Seine einzigartige Stimme und sein leiser Humor stehen in der Tradition europäischer Songpoeten“, fasst er zusammen. „Sein musikalischer und lyrischer Gestus erinnert mich aber ebenso an seinen amerikanischen Zeitgenossen Leonard Cohen.“
Für die Aufgabe, Okudschawa mit englischen Übertragungen einen Weg ins Bewusstsein westlicher Musikhörer zu ebnen, hätte es keine bessere Wahl als Daniel Kahn geben können. Schon von seinen ersten Alben und Bühnenprogrammen an besticht sein Talent, mit enormem Einfühlungsvermögen zwischen verschiedenen sprachlichen Welten zu vermitteln. Ganz gleich, ob er englische Versionen von jiddischen Liedern, Texten Tucholskys und Brechts erstellt oder Degenhardt und „Lili Marleen“ ins Jiddische überträgt.

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