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Backkatalog   Ausgabe Nr. 6/2018   Internetartikel
»Wir erzählen zusammen eine Geschichte, aber jeder darf seine eigene Klangfarbe haben.«
Jodelfisch * Foto: Michael Hohm

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Aktuelles Album:

Neue Gezeiten
(Beste! Unterhaltung, 2018)


Cover  Neue Gezeiten


Jodelfisch

Immer anders

Die Musiker von Jodelfisch möchten vor allem eins: Geschichten erzählen. Und dabei Spaß haben. Auf ihrem neuen Album nehmen sie sich dazu alle Freiheiten.

Text: Guido Diesing

Eine Gruppe aus München und Umgebung, die Hackbrett, Harfe, Akkordeon, Klarinette und Tuba spielt – na klar, schnell die Schublade „Alpen-Folk“ aufgemacht und rein damit. Doch so eindeutig ist es keineswegs mit dem Quartett Jodelfisch und seinem zweiten Album Neue Gezeiten. Das fängt schon beim Eröffnungsstück an. Eine Glockenspiel-Melodie zur Ukulele, eine Frauenstimme, die das Volkslied „Hoch auf jenem Berg“ anstimmt, später steigen Harfe, Kornett und Akkordeon ein. Alles im Rahmen, doch bald merkt man: Irgendwas ist anders. Der im Takt mitwippende Fuß tritt immer mal wieder ins Leere, und man erkennt einen interessanten unregelmäßigen Wechsel zwischen Fünfer- und Dreiertakten, der nicht gerade tanzkompatibel ist. Es ist eine der Qualitäten dieser Band: Sie vermag, ihren Stücken mit gar nicht so exotischen Mitteln eine eigene Note zu geben, und belohnt aufmerksames Zuhören mit lohnenden Entdeckungen. Da treffen Volkslieder auf instrumentale Stimmungsbilder und Balkanrhythmen auf Kammermusik. Und selbst, wenn einmal ein Stück typisch alpenländisch klingt, führt der Eindruck in die Irre – die „Säkkijärven Polka“ hat wenig mit Bayern und viel mit Finnland zu tun, wo sie als heimliche Nationalhymne gilt und auch schon von den Leningrad Cowboys bearbeitet wurde. Die Wurzeln von Jodelfisch reichen bis ins Jahr 2011 zurück, als sich Sandra Hollstein (Akkordeon und Gesang), Sabrina Walter (Harfe, Hackbrett und Gesang) und Gurdan Thomas (Tuba, Kornett, Ukulele und Gesang) bei einer Session trafen. Seit dreieinhalb Jahren komplettiert Vreni Hieber (Klarinette, Hackbrett, Gesang) die aktuelle Besetzung der Band, die von Beginn an undogmatisch eigene Wege ging. „Stilistisch sind wir uns von Anfang an ziemlich treu geblieben“, blickt Sandra Hollstein zurück. „Wir haben zwar alle einen unterschiedlichen Hintergrund, aber ähneln uns im Geschmack. Wir treffen uns, bringen Stücke mit, machen Vorschläge, und wenn es allen gefällt, kommt ein Stück ins Repertoire.“

Viele Wege führen zum Fisch

Die Musik profitiert von den verschiedenen Werdegängen der vier Jodelfische, die unterschiedlich tief in die Volksmusik eingetaucht sind. Auf der einen Seite stehen zwei Bayerinnen. „Ich bin der alpenländischen Volksmusik schon früh auf Seminaren und Workshops begegnet“, sagt Vreni Hieber. „Da gab es immer auch Dozenten, die anderes ausprobiert und den Horizont der Teilnehmer erweitert haben.“ Sabrina Walter ergänzt: „Vreni und ich haben uns schon als Achtjährige kennengelernt. Ich bin über die Volksmusikschiene zur Folklore und zum Folk gekommen und dort hängen geblieben.“ Auf der anderen Seite stehen zwei Zugereiste. Sandra Hollstein stammt aus Kassel und hat nach Erfahrungen mit Scottish Folk und Klezmer vor allem Jazz gesungen. Erst in München mit seiner großen Volksmusikszene hat sie sich auf Kindheitserinnerungen besonnen: „Meine Mutter und mein Großvater haben mir Volkslieder vorgesungen. Ich mochte das schon immer gerne, aber es war halt sehr uncool. Das hat sich inzwischen geändert. Und wir haben mitgeholfen, dass es wieder cooler geworden ist“, fügt sie hinzu und muss selbst lachen. Gurdan Thomas schließlich kommt aus dem Black Country, dem Kohle- und Industriegebiet bei Birmingham, und sagt, er sei nie wirklich Teil einer wie auch immer gearteten Volksmusikszene gewesen: „In meiner Gegend gab es Brass Bands. Ich bin erst in Bayern mit Volksmusik in Kontakt gekommen.“
Auch wenn sie aus verschiedenen Richtungen kommen, treffen sich die Interessen der Bandmitglieder auf fast schon kuriose Art etwa in der Vorliebe für ungerade, krumme Taktarten. „Die mögen wir alle“, bestätigt Sandra. „Vreni und Sabrina wegen der Zwiefachen aus Bayern, Gurdan und ich wegen ihrer Verwendung in der Musik vom Balkan.“ So ist mit „Kurz vor Zwölf“ auch ein Stück auf der CD gelandet, das auf einer traditionellen Balkanmelodie basiert, die allerdings in der Jodelfisch-Version nicht mehr rau und wild nach Dorfplatz klingt, sondern recht kultiviert nach Kammermusiksaal. Kein Wunder, findet Sabrina: „Was will man erwarten, wenn eine Harfe Balkanmusik spielt? Weil wir uns die Freiheit nehmen, es so zu spielen, wie wir gerne wollen, klingt unsere Musik nicht erzwungen nach Balkan oder Finnland. Dafür hätten wir auch weder den Hintergrund noch die Besetzung.“

... mehr im Heft.