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Heinz Ratz * Foto: Hans Jürgen Schaller

Resonanzboden
— Gedanken zur Zeit

Gastspiel





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Dieser Artikel ist ein Auszug aus der Printversion, das Heft kann bestellt werden unter www.irish‑shop.de.

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Autoreninfo:


Heinz Ratz ist Sänger und Bassist der Band Strom & Wasser.


Steht auf und handelt!

„Eine Million gegen rechts“

Entscheidungen wirken sich oft nur zeitverzögert aus. Würde der Raucher gleich Atemnot bekommen und nicht erst in zwanzig Jahren, würde die Sahnetorte sich sofort auf der Taille absetzen – wir wären so viel vernünftiger! Politisch ist das noch tragischer, denn viele unserer Fehler werden nicht wir im Alter, sondern unsere Kinder und Enkel in der Blüte ihres Lebens ausbaden müssen. Deshalb findet der Kampf um eine menschliche Welt nicht morgen statt, sondern jetzt. Und wir sind nicht Zuschauer, wir sind mittendrin. Denn er findet nicht weit weg oder nur in den Parlamenten statt, sondern vor unserer Haustür. Auch der scheinbar Unbeteiligte nimmt teil, denn – um es mit Ernst Barlach zu sagen: „Wer die Augen vor dem Unheil in der Welt verschließt, trägt mit dazu bei!“

Text: Heinz Ratz

Es ist erstaunlich, wie lange viele von uns in einer politischen Schockstarre verharren, während Populisten und Faschisten nicht nur in unserem Land an ihrem Erfolg arbeiten. „Schockstarre“ ist dabei noch die freundlichste Diagnose. Man könnte auch Feigheit, Resignation, Ideenlosigkeit dazu sagen. Ein Beispiel für diese verwirrte Zeit: Im Juni spielten wir mit Strom & Wasser anlässlich einer großen Nazikundgebung in Goslar. Aus Angst vor den Linken wollten alle Läden, selbst Karstadt schließen. „Angst vor den Linken?“, wunderte ich mich. Natürlich, hieß es, beim G20-Gipfel hätte man ja gesehen, wie gewaltbereit die seien. Auch in dem Restaurant, in dem wir saßen, wollte man frühzeitig schließen wegen dieser linksradikalen Band, die gleich auftrete. Als wir uns als diese Gruppe zu erkennen gaben, zeigte man sich erstaunt darüber, wie „normal“ wir aussähen. Geschlossen wurde trotzdem. Vor den wirklich gefährlichen Nazis fürchtete sich offensichtlich niemand.
Ein kurioses Erlebnis, das stellvertretend für unzählige weitere dennoch eins klarmacht: Wir leben längst in einer Gesellschaft, in der fremdenfeindliche Sprüche zur Tagesordnung gehören und rechte Strömungen keine Randerscheinungen mehr sind. Gesellschaftliche Gefahr wird nur von links ausgehend wahrgenommen. Was gerade passiert, ist nicht mehr harmlos. Die sogenannte Identitäre Bewegung bietet von ausgebildeten Sozialpädagogen begleitete Ferienfreizeiten an, die garantiert „ausländerfrei, frei von Genderdiskussionen und patriotisch“ sind. In den Universitäten tummeln sich junge Rechtsradikale in allen sozialpädagogischen Fächern, ebenso in den Erzieherschulen. Auf fast allen der vielen Konzerte, die wir gegen Naziaufmärsche gespielt haben, waren wir in den Reihen der Gegendemonstranten deutlich in der Unterzahl.

... mehr im Heft.

Dies ist eine Kolumne. Für die Inhalte der hier veröffentlichten Texte sind die jeweiligen Autoren verantwortlich. Diese Inhalte spiegeln nicht zwangsläufig die Meinung der Redaktion wider.