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»Leider führt unsere gegenwärtige wirtschaftliche Krise dazu, dass einige dunkle Geister der Vergangenheit wieder wach werden.«
Savina Yannatou

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Dieser Artikel ist ein Auszug aus der Printversion, das Heft kann bestellt werden unter www.irish‑shop.de.

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Auswahldiskografie:

Songs Of Thessaloniki
(mit Primavera en Salonico; ECM, 2015)

Tutti Baci
(mit Primavera en Salonico, Elena Ledda; Lyra, 2006)

Pao Na Po Sto Synnefo
(Lyra/Musurgia Graeca, 2002)

Primavera En Salonico – Spring in Salonika
(Lyra, 1995)


Cover Songs of Thessaloniki


Lieder über das Jerusalem des Balkans

Savina Yannatou und ihre Songs Of Thessaloniki

Eine musikalische Stadtgeschichte

Kaum eine andere Sängerin beherrscht ein so breites Spektrum mediterraner Musik wie Savina Yannatou aus Athen: mittelalterliche Gesänge, Renaissance- und Barockmusik, Lieder aus ganz Griechenland, aus Sardinien, Korsika, Israel, Sizilien und der Türkei, aus Albanien, Zypern und Spanien. Selbst Musik aus Afrika, der Karibik und Südamerika findet sich in ihrem Repertoire. Savina Yannatous aktuelles Album ist dem multikulturellen Erbe der Stadt Thessaloniki gewidmet, aus der auch die Band Primavera en Salonico kommt, mit der sie seit über zwei Jahrzehnten arbeitet.

Text: Wolfgang König

Erste musikalische Erfahrungen machte die 1959 zur Welt gekommene Savina Yannatou im Chor ihrer Grundschule. Noch heute erinnert sie sich gerne an diese prägende Zeit des gemeinsamen Musizierens mit ihren Schulkameradinnen und -kameraden. Einige Jahre später nahm sie Gitarrenunterricht und begann, eigene Songs zu schreiben. Mit neunzehn startete Yannatou ihre Karriere beim griechischen Radio mit Interpretationen der Lieder ihrer Freundin Lena Platonos, die sich gerade einen Namen als Komponistin machte. „Bis dahin hatte ich mich überhaupt nicht als professionelle Sängerin gesehen“, sagt die Musikerin. „Aber der Erfolg ermutigte mich, und so machte ich weiter und nahm nebenbei noch Gesangsunterricht. Beim Radio lernte ich andere junge Komponisten kennen, deren Lieder ich interpretierte. Auf diese Weise machte ich sogar bei einer modernen griechischen Oper mit.“
Eine Kulturstiftung wurde schließlich auf die junge Künstlering aufmerksam und gewährte ihr ein Stipendium, das es Yannatou ermöglichte, ihre Ausbildung an der renommierten Guildhall School of Music and Drama in London fortzusetzen. In den Achtzigerjahren sang sie in Athen mit einer Gruppe, die sich mittelalterlicher Musik widmete. Die faszinierte sie so sehr, dass sie diese Musik studieren wollte. Dazu kam es nicht, stattdessen tauchte Savina Yannatou Anfang der Neunziger in die europäische Free-Jazz-Szene ein. Mehrere Jahre lang arbeitete sie zum Beispiel im Duo mit dem deutschen Kontrabassisten Peter Kowald und entwickelte dabei ihren eigenen Stil beim frei improvisierten Gesang. All diese Erfahrungen haben ihre heutige stilistische Flexibilität geformt.
Andere wichtige Erlebnisse waren von dramatischer Art. „Als ich acht war, putschte das Militär in Griechenland und errichtete die Diktatur der Obristen, die erst 1974 enden sollte“, erzählt Yannatou. „Es waren sieben lange Jahre der Angst, auch für uns Kinder. Plötzlich gab es strenge Regeln in Bezug auf Kleidung und Haarschnitt, und es wurde erwartet, dass wir regelmäßig die Kirche besuchten. Viele Bücher, Lieder und selbst Spiele wurden verboten. Künstler wurden massenweise inhaftiert und sogar gefoltert. Mikis Theodorakis war der prominenteste von vielen Häftlingen. Wir mussten gut überlegen, was wir in der Schule sagten, um nicht uns selbst oder unsere Familien und Freunde zu gefährden. So etwas setzt sich in der Psyche fest. Noch heute merke ich immer wieder, dass ich es instinktiv vermeide, Menschen, die ich nicht gut kenne, zu viele Informationen über mich zu geben. Als die Militärs abtraten, war es fast zu schön, um wahr zu sein. Leider führt unsere gegenwärtige wirtschaftliche Krise dazu, dass einige dunkle Geister der Vergangenheit wieder wach werden, die Demokratie in Frage stellen und nach einer starken Führung rufen. Mich erreichen sie damit nicht, aber die Jüngeren haben die Erfahrung der Diktatur ja nicht gemacht, und das beunruhigt mich.“

... mehr im Heft.