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Backkatalog   Ausgabe Nr. 3/2019   Internetartikel
Susann Witt-Stahl * Foto: Christian Ditsch

Resonanzboden
— Gedanken zur Zeit

Gastspiel





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Dieser Artikel ist ein Auszug aus der Printversion, das Heft kann bestellt werden unter www.irish‑shop.de.

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Autoreninfo:


Susann Witt-Stahllebt und arbeitet als freie Journalistin und Autorin in Hamburg. Seit 2014 ist sie Chefredakteurin des Magazins für Gegenkultur Melodie & Rhythmus. Ihre Arbeitsschwerpunkte sind: Ideologiekritik der Kulturindustrie, der modernen Kriege und regressiver Tendenzen in der Linken.


Aufschrei gegen die kapitalistische Herrschaftsordnung

Zur Notwendigkeit eines Magazins für Gegenkultur

Heute noch – oder wieder – ein Magazin für Gegenkultur herauszugeben und am Leben zu halten, ist eine enorme Herausforderung. Denn es bedeutet nichts weniger, als die Mediengeschichte gegen den Strich bürsten zu müssen. Außer mit der wachsenden Monopolisierung, Eindimensionalisierung und Tendenz der „vierten Gewalt“, das Aufklärungs- und Objektivitätspostulat aufzugeben und sich zum universellen Pressesprecher der Regierung, EU und NATO zurichten zu lassen – Widrigkeiten, mit denen alle kritischen Medien zu kämpfen haben –, ist ein Gegenkulturprojekt noch mit weiteren Schwierigkeiten konfrontiert: etwa der Tatsache, dass der Gegenkultur-Begriff kaum fassbare Konturen hat. In Zeiten wie diesen, in der sich eine extreme Rechtswende anbahnt, kann er so vor allem von Strömungen wie der Identitären Bewegung, die im vorpolitischen Raum agieren und auf Propagierung einer „Kulturrevolution“ setzen, leicht vereinnahmt werden.

Text: Susann Witt-Stahl

Um diesen Plünderungszug aufzuhalten und Gegenkultur als Waffe der Kritik scharf zu machen und durch ein Magazin auch abfeuern zu können, muss sie Aufschrei gegen die kapitalistische Herrschaftsordnung sein und darf nicht der Propaganda für deren Radikalisierung Vorschub leisten. Wie auf der politischen Ebene der Unterschied zwischen Sozialismus und als Nationalsozialismus getarntem Faschismus als Unterschied ums Ganze begriffen werden muss, gilt es, Gegenkultur als Träger der Ästhetik der Klassenkämpfe von unten ganz klar von einem als Gegenkultur daherkommenden Kulturkampf der Rechten für die Machterweiterung der ökonomischen Eliten abzugrenzen.
Wie geht das? Es erfordert eine intensive Auseinandersetzung mit der Geschichte proletarischer Kultur und am Marxismus orientierter Kunst. Eisler, Brecht, Benjamin, Adorno, Hrdlicka, Hans Werner Henze (in den Sechzigerjahren) – ihr kunsttheoretisches Denken und ihre Werke sind ein Kompass wider den neoliberalen Zeitgeist, welcher die neue alte rechte Ideologie geboren hat.
Um Verbreitung und Rezeption zu erfahren, muss dieses linke Kunst- und Kulturerbe pointiert und gut verständlich aufbereitet werden. Die Melodie & Rhythmus (M&R), für die seine Vermittlung und Verbreitung als „Magazin für Gegenkultur“ Matrixbestandteil ist, hat das in Form eines Entwurfs für ein Manifest versucht (siehe M&R 1/2019). Darin wird auch eine Kerndisziplin des Marxismus wieder aufgerufen, die unverzichtbar ist in einer Gesellschaft im Bann eines totalitären Kapitalismus, der den Orwellianismus zu bisher ungekannten Blüten treibt: Ideologiekritik – auf der Ebene der Kultur ein Gegenmittel beispielsweise „gegen das von Peter Hacks diagnostizierte Schweigen der Musen unter den Medien und deren Manipulationsästhetik, die sich nicht zuletzt in der Verabredung findet, zum Zweck der Ausgewogenheit gegen jede ausgesprochene Wahrheit möglichst viele Lügen zu setzen“, wie es im M&R-Manifest-Entwurf heißt. Ideologiekritik verfügt – wenn überhaupt noch etwas – über die Mittel, der alle Lebensbereiche überwölbenden Kulturindustrie hier und da in die „Love-Parade“ zu fahren und neoliberale Popkultur zu entlarven, die sich als links, emanzipativ, subversiv inszeniert, um den „Happy Few“ deren Eigentumsordnung und imperialistischen Krieg als Zivilisation und das von oben kommende Gute zu verkaufen.

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Dies ist eine Kolumne. Für die Inhalte der hier veröffentlichten Texte sind die jeweiligen Autoren verantwortlich. Diese Inhalte spiegeln nicht zwangsläufig die Meinung der Redaktion wider.