Autoreninfo:
Guido Festinese ist Musikjournalist (unter anderem für La Repubblica, Il Manifesto, L’Unità). Er lehrt Geschichte und Ästhetik des Jazz und afroamerikanischer Musik an der Musikhochschule Niccolò Paganini in Genua.
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Die alte Generation von Liedermachern gibt es nicht mehrItalien war schon immer ein widersprüchliches Land
Italien ist ein merkwürdiges Land geworden. Wer die Schwächsten aufnimmt, Menschen, die sich aus Angst vor Krieg, Hungersnot oder möglicher Folter und Verfolgung von ihrer Heimaterde losgerissen haben, wird als Verbündeter der neuen Sklavenhändler angesehen. Wer die Armen aufwiegelt, um gegen die zu hetzen, die noch ärmer sind, ist ein Held. Ein stellvertretender Bürgermeister wirft bei eisiger Kälte die Decken und den Daunenschlafsack eines Obdachlosen weg und wird dafür als tüchtiger Mann gelobt, „der für Ordnung sorgt“, während man die Beistand leistenden NGOs als kriminelle Handlanger ansieht. Die Einwohnerzahl Italiens geht jährlich um mehr als dreihunderttausend Einwohner zurück, die Geburtenrate ist absolut rückläufig, aber wenn der Bürgermeister eines kleinen Dorfes in Kalabrien, dass durch die ’Ndrangheta ausgeblutet ist, die verlassenen Häuser mit Flüchtlingen wiederbesiedelt und damit ein Modell schafft, wie Aufnahme und gutes Management in einem Krisengebiet gelingen können, wird er wegen Unterschlagung und anderer Straftaten angeklagt. Gemeint ist der ehemalige Grundschullehrer Domenico „Mimmo“ Lucano. Italien war schon immer ein widersprüchliches Land.
Text: Guido Festinese
Doch die Lage ist explosiv, seit eine mysteriöse Welle des Populismus Einzug gehalten hat und die rechte, ausländerfeindliche Lega Nord und die Fünf-Sterne-Bewegung an der Regierung sind, die die von einer trägen, narzisstischen Linken enttäuschten Wähler magnetisch angezogen haben. Jemand hat einmal geschrieben, dass Geschichte, wenn sie sich wiederholt, die jeweils entgegengesetzten Seiten der Tragödie und der Komödie zum Vorschein bringt. Italien gleicht mit der Führung durch die Lega und die Fünf-Sterne-Bewegung sowie mit einem arroganten und unnützen Ratspräsidenten einer tragischen Komödie oder grotesken Tragödie, die sich direkt auf die Qualität der Kultur im Allgemeinen wie auf die der Kunst und der Musik im Besonderen auswirkt.
Aus diesem Grund hat sich der Schriftsteller Roberto Saviano an all diejenigen Intellektuellen gewandt, die sich noch nicht von den giftigen Sirenen des Populismus haben in den Bann ziehen lassen, sondern widerstehen und der ausländerfeindlichen, verwirrenden Flut von Nachrichten der neuen Regierung die nackte Wahrheit der Tatsachen, Engagement und Information entgegensetzen.
Übersetzung aus dem Italienischen: Ines Wuschek
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Dies ist eine Kolumne. Für die Inhalte der hier veröffentlichten Texte sind die jeweiligen Autoren verantwortlich. Diese Inhalte spiegeln nicht zwangsläufig die Meinung der Redaktion wider.
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