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Autoreninfo:
Michael Zachcial
Michael Zachcial, Jahrgang 1963, lebt und arbeitet als Liedermacher und -sammler, Musikproduzent und Labelinhaber in Bremen. Er ist der künstlerische Leiter der Gruppe Die Grenzgänger, spielt und schreibt neue Kinderlieder bei Zaches & Zinnober, betreibt die Website volksliederarchiv.de und ist seit Oktober 2015 Vorsitzender des Vereins deutschsprachige Musik e. V., dem Träger der Liederbestenliste.
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Die Liederbestenliste wird gebrauchtPlädoyer für eine Rundumerneuerung
Die Liederbestenliste wurde 1984 vom damaligen Südwestfunk (SWF) ins Leben gerufen. Als eine alternative Hitparade des deutschsprachigen Liedes, zusammengestellt von einer Jury aus Journalisten, die aus Deutschland, Österreich und der Schweiz kamen. Es war die Hochzeit des politischen Liedes. Zu den beiden großen Demonstrationen der westdeutschen Friedensbewegung in Bonn kamen Hunderttausende, auch die ostdeutsche Revolution wurde durch Lieder getragen, es standen mutige Künstler auf der Bühne, die ihre Kunst gegen die Herrschenden einsetzten. Sie alle klagten nicht über ihr Herzeleid, sondern verfassten oft fiese, kleine Satiren über die Zustände – wie „Wir steigern das Bruttosozialprodukt“ von Geier Sturzflug – oder kleideten Utopien in Verse – wie Hannes Waders „Es ist an der Zeit“.
Text: Michael Zachcial
Auch in der deutschsprachigen Popmusik gab es politische Titel. Ideal fuhren schwarz in „Berlin“, Extrabreit fackelten die Lehranstalten ab und sangen „Hurra, hurra, die Schule brennt“. Udo Lindenberg fragte, „Wozu sind Kriege da?“ und BAP beschworen täglich „Kristallnaach“. In der DDR probten Wenzel & Mensching, Wacholder und Dieter Beckert in der „Hammer=Rehwü“ den künstlerischen Aufstand, denn – wie Georg Herwegh im Vormärz sang – „die Fahne der Empörung trag’ die Poesie voran!“
Doch „Video Killed The Radiostar“ hatten die Buggles schon 1980 geunkt, und als Helmut Kohl 1982 Kanzler wurde und die geistig-moralische Wende einleitete, startete kurz darauf das Privatfernsehen mit Daily Soaps, Big Brother und Wer wird Millionär?. Aus der Kultur wurde ein Geschäft, bei dem die höchsten Einschaltquoten und die zahlungskräftigsten Zielgruppen die höchsten Werbepreise garantierten. Radiosprecher machten Witzchen oder moderierten auf einem monotonen Klangteppich. Werbung gab es bald sogar bei ARD und ZDF, trotz Rundfunkgebühren, Musik lief überall als Dauerberieselung im Hintergrund, im Kaufhaus ebenso wie auf dem Klo. Was nicht in die neue Zeit passte, wurde auf spezielle Kultursender ausgelagert, die immer weniger Hörer hatten und von denen immer neue gegründet wurden. Vorbei die Zeiten, in denen auf Michael Jackson ein Streichquartett und dann die „Befragung eines Kriegsdienstverweigerers“ von Franz Josef Degenhardt folgte.
In der Liederbestenliste aber hielten sich der alte, rebellische Geist und die Idee von einer anderen Musik. Viele der ausgezeichneten Lieder hatten und haben gesellschaftliche Themen, reagieren auf gesellschaftliche Vorgänge, sind politisch. Dies gilt besonders für die Monatswertungen und die CD- und Liedempfehlungen der Juroren. Die Liste der Jahresbesten liest sich wie ein Who’s who des politischen Liedes – unter anderem von Konstantin Wecker, Hans-Eckardt Wenzel und Franz Josef Degenhardt bis zu Stoppok, Georg Ringsgwandl, Reinhard Mey, Manfred Maurenbrecher und Strom & Wasser. Und ohne diese monatliche Hitparade der besonderen Art wären viele, vor allem junge Künstler mit ihren neuen Liedern kaum oder gar nicht im Radio gespielt worden.
... mehr im Heft.
Dies ist eine Kolumne. Für die Inhalte der hier veröffentlichten Texte sind die jeweiligen Autoren verantwortlich. Diese Inhalte spiegeln nicht zwangsläufig die Meinung der Redaktion wider.
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