Liebe Leserinnen und Leser,
ist der Folker antisemitisch? Gibt er antisemitischer Propaganda ein Forum? Da müssen wir wohl leider noch mal drüber sprechen, denn diesen Eindruck konnte man anlässlich des „Gastspiels“ in der 5/2019 in den letzten Monaten teilweise gewinnen. Aber dieser Eindruck ist abgrundtief falsch. Warum? Schon alleine per definitionem. Bemühen wir doch mal die Freunde von Wikipedia um eine Klärung: „Als Antisemitismus werden heute alle Formen von Judenhass, pauschaler Judenfeindschaft, Judenfeindlichkeit oder Judenverfolgung bezeichnet.“
Beschreibt das den Folker? Beschreibt das eine Zeitschrift, in der jüdische (Musik-)Kultur normaler Bestandteil der Berichterstattung ist? Ich erspare mir und Ihnen eine Auflistung zum Beispiel der Artikel und Rezensionen des letzten Jahres, Zurückblättern genügt, auch als Antwort auf die Fragen.
Für mich als presserechtlich verantwortlichen Herausgeber gilt ebenso wie für die Redaktion: Antisemitismus oder die Leugnung des Existenzrechts Israels – niemals! Aber die Politik des Staates Israel muss ebenso wie die Politik eines jeden Staates kritisiert werden dürfen, denn auch die Palästinenser haben das Recht auf ein menschenwürdiges Leben. Jede Kritik hat zwei Seiten: pro und kontra. Das ist für mich verantwortungsvoller Journalismus und dafür stand und steht der Folker. Punkt.
Abgesehen davon bin ich sicher, dass der inflationäre Gebrauch des Begriffs beziehungsweise des Vorwurfs des Antisemitismus eben diesen Begriff entwertet. Er sollte korrekt und überlegt eingesetzt werden. Wem hilft es denn, wenn wir uns pauschal irgendwelche Schubladen um die Ohren hauen?
Wenn wir als Redaktion in Sachen BDS-„Gastspiel“ einen Fehler gemacht haben, dann den, dass wir die Kontroverse um diese Organisation nicht erkannt und daher jenes journalistische Pro und Kontra unterlassen haben. Auch unter Juden gibt es zum Thema BDS unterschiedliche Meinungen. Für uns war das fragliche „Gastspiel“ etwas naiv einzig und allein ein externer Beitrag zu der Frage, ob ein Kulturboykott ein sinnvolles politisches Instrument ist.
Daher und apropos pro und contra: In diesem Heft finden Sie als |
„Gastspiel“ die Stellungnahmen zweier Liedermacher, die mit ihrer stets dezidierten Meinung nie hinter dem Berg halten. Sie begründen, warum sie einen Kulturboykott nicht für konstruktiv halten.
Der Attentäter von Halle allerdings war ein ganz überzeugter Antisemit. Dieser Mann wollte jedoch nicht nur Juden treffen und töten. Sein Angriff galt darüber hinaus allen, die seine faschistoide Gedankenwelt nicht teilen. Er meinte somit auch alle Leser und Leserinnen des Folker. Das dürfen wir nie vergessen und müssen uns davor hüten, solche Menschen und ihre ideologischen Wegbereiter zum Beispiel in sogenannten Alternativen als ein paar Irre abzutun. Das sind sie nicht, sie sind kühl und berechnend. Sie sind eine ganz reale Gefahr – sie sind Nazis.
Für unsere Musik droht die Gefahr ganz klar von rechts, auch im Jahr 2020. Wir sollten uns nicht auseinanderdividieren lassen, wir sollten gemeinsam widerstehen.
Ihr Folker-Herausgeber Mike Kamp
PS: Sie haben sicherlich schon bemerkt, dass sich der Folker von außen ein wenig anders präsentiert – Klebebindung anstatt Heftung wie bislang. Dem Verlag sei Dank. Ein Blick auf den Kiosk zeigt, so was ist heute eben Standard.
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