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Bidaya (Jazzhaus Records/In-akustik, 2018)
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Russian RozhokEin russisches Sommermärchen
Am 30. und 31. Mai 2018 drehte sich beim 2. Russischen Hirtenhornfestival in der zentralrussischen Stadt Nerechta alles um das Rozhok, Plural Rozhki, ein traditionelles Holzblasinstrument russischer Hirten. Einst waren Hirten die bedeutendsten Männer in Russlands Dörfern. Heute gibt es nur noch wenige. Dafür werden die Rozhki nun von Musikliebhabern aus der Stadt geblasen. Das Festival will die Wiedergeburt der traditionellen Instrumente fördern. Zum diesjährigen Programm gehörten nicht nur Workshops und zwei große Konzerte, sondern auch Ausflüge ins Dorf – an den Ort also, an dem die Hörner einst als Arbeitsgerät und Mittel zur Unterhaltung dienten.
Text: Babette Michel
Es ist komfortabel im Nachtzug von Moskau nach Nerechta. Die Passagiere in den offenen Abteilen beziehen ihre Betten und bald versinken Alt und Jung in tiefen Schlaf. Ich träume von Rozhki, russischen Hirtenhörnern. Sie sind aus Holz – Birke, Ahorn oder Wacholder – und mit Baumrinde umwickelt. Sie haben sechs Löcher: fünf oben und ein Daumenloch unten. Die Sopranhörner sind dreißig Zentimeter lang, die Basshörner achtzig. Ihre Form ist konisch, am unteren Ende laufen sie glockenförmig etwas breiter aus. Fingerlochtrompete? Folkzink? Lippentoninstrument? Auf jeden Fall gehören Rozhki zu den ältesten Musikinstrumenten in Russland. Beim Viehaustrieb wurden sie geblasen, auf Festen und Jahrmärkten und sogar am Zarenhof.
Um 5.52 Uhr, nach 362 Kilometern, weckt mich die Schaffnerin. Der kleine Bahnhof der gut zwanzigtausend Einwohner zählenden Stadt Nerechta in der zentralrussischen Oblast Kostroma ist in Sicht. Musiker und Musikliebhaber entsteigen dem soliden, aus Sowjetunion-Zeiten stammenden Zug, um sich zwei Tage lang in den Bann der Rozhki zu begeben. Ich entdecke den sehr bekannten Multi-Hornisten Arkady Shilkloper. In seinem umfangreichen Gepäck hat er ein riesiges Alphorn, das er auf dem Festival spielen will.
„Nerechta ist die Hauptstadt der Rozhki“, verkündet die künstlerische Leiterin des 2. Russischen Rozhok-Festivals, Ludmila Osipova, beim Frühstück im Sanatorium-Hotel der Stadt. Als Musikredakteurin von Radio Russland hat sie 2010 sechs Hirtenhorn-Bläser aus Nerechta zum Rudolstadt-Festival gebracht. Während andernorts in Europa die Hirtenhorntradition fast ausgestorben ist, hat das Rozhok hier überlebt. Osipova ist beeindruckt von der Popularität des Instruments: „Zum Beispiel habe ich im Park eine junge Mutter gesehen. Ihr Baby schlief im Kinderwagen, unter der Decke lagen außerdem zwei Hörner. Jung, Alt, Männer, Frauen – sie alle haben Rozhki. Irgendwann habe ich mich gefragt: Ob wohl alle Menschen in dieser Stadt Hörner spielen? Vielleicht nicht alle, aber sehr viele. Diese Musik hat eine starke Tradition in diesem Landstrich.“
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