Aktuelles Album:
Obsidiana (Flowfish Records/Broken Silence, 2018)
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Rap-Guerillera und FeministinDie Guatemaltekin Rebeca Lane
Ihre vierte Albumveröffentlichung Obsidiana ist nach einem natürlichen Vulkangesteinsglas benannt. Ein solcher mit viel Geschichte und Kultur
aufgeladener Obsidian ziert auch das Cover: nicht im üblichen Schwarz, sondern in diversen, vor allem violetten Nuancen. Keine zufällige
Farbwahl, tritt doch die charismatische Latina nicht nur als Musikerin insbesondere für die Belange der Frauen ein. Das tut die am 6. Dezember 1984 in Guatemala-Stadt als Rebeca Eunice Vargas Tamayac in eine politisch agile Familie hineingeborene Rapperin und Sängerin mit Intelligenz und Zärtlichkeit – aber auch mit kämpferischer Rage, die angesichts der weltrekordverdächtigen Zahl an Frauenmorden in ihrem Heimatland nicht verwundert. Umso erstaunlicher, dass die mutige und kritische Künstlerin nach eigener Aussage heute weitaus weniger gefährlich lebt als bei ihrer früheren Arbeit als Aktivistin, wo sie ständig Bedrohungen ausgesetzt war. Dafür läuft ihre Musik wenig im heimischen Radio und findet mehr Medienecho anderswo auf der Welt. Das und vieles mehr war in einer tiefgründigen, gut halben Interviewstunde zum neuen Album zu erfahren, das Rap und Gesang mit traditionellen Stilen und Rhythmen wie Cumbia oder Huayno verzahnt. Ein Gespräch, bei dem aus Sicht der Interviewerin die Antworten der studierten Soziologin zu kleinen Vorträgen gerieten.
Text: Katrin Wilke (Interview)
Was bedeutet dir dieser titelgebende Obsidian, der ja auf Spanisch kurioserweise weiblich ist?
Der Obsidian ist ein Stein, der in den Maya- und anderen alten Kulturen Mesoamerikas vielfach Verwendung fand und von großer Bedeutung war. Zum einen machte man daraus Lanzenspitzen, auch Operationsmesser. Dann diente er der Wahrsagung oder schön poliert als Spiegel, um darin den Himmel zu sehen. Seine mit der Wahrheit und dem Wort assoziierte Energie verdeutlicht zum Beispiel das Messer, das Lügen wegschneiden und so Wahrheiten ans Licht bringen kann. Zudem wurde ich just am Tag mit der nach dem Mayakalender zum Obsidian gehörenden Energie geboren. So sorgt der Stein wohl auch dafür, dass ich mich mittels des Wortes auf vielfältige Weise ausdrücke.
Man nennt dich auch die „Guerrillera del rap“ und ein von dir mitbegründeter Verbund von Rapperinnen aus Mittelamerika heißt Somos Guerreras – „Wir sind Kriegerinnen“. Kriegerisches Dunkel und spirituelles Licht sind in deinem Dasein offenbar nah beieinander.
Man fragt mich oft – weil ich ja viel vom Guerrera-Sein spreche –, ob ich denn mit dem Krieg sympathisiere als Feministin. Nein, das tue ich nicht, ich bin aber auch keine Pazifistin. Denn ich lebe inmitten des Krieges, bin gezwungen, Partei zu ergreifen und zu lernen, mich zu verteidigen. So ist auch meine Musik ein Mittel der Selbstverteidigung und dessen, was ich und tatsächlich auch viele andere denken. Dass es bei uns derart viele ermordete Frauen gibt, zeigt auch, dass wir nicht gelernt haben, uns zu wehren. Sobald die Männer Angst haben, uns anzugreifen, wird es aus meiner Sicht weniger Gewalt geben. Wie ich in einem Song sage [„Reina Del Caos“ von Alma Mestiza; Anm. d. Verf.]: Ich habe den Krieg nicht gewählt, bin vielmehr in ihn hineingeboren. So muss ich also lernen, damit zu leben, und tue dies in Würde.
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